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Laufen im Corona-Lockdown: 10.000 Schritte

Psychische Stabilität in schwierigen Zeiten: Warum das Laufen im Corona-Lockdown so wichtig ist.

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Der Amateurläufer ist überzeugt: Gäbe es das Laufen nicht, man hätte es für den Corona-bedingten Lockdown erfinden müssen. Die Fitnessstudios und Boulderhallen sind erneut geschlossen, Fußballtrainings abgesagt, aber im Park ums Eck ein paar Runden drehen, das geht noch. 10.000 Schritte am Tag fordert die gnadenlose Schrittzähler-App. Schaff ich!

Während sich Österreich bis zum Weihnachts- und Prozente-Shopping ab dem 7. Dezember wieder im Ruhemodus befindet (und so hoffentlich die Intensivmedizin entlasten kann), spielt sich in den Parks, auf Feldern und Nebenstraßen ein entzückendes Schauspiel ab. Die Menschen erobern sich – die einen in perfekter Funktionskleidung, die anderen in schlabbrigen Band-T-Shirts – ein Stück Natur und Stadt zurück. Trotz Ausgangs- und Kontaktbeschränkung ist der Aufenthalt im Freien, zur „körperlichen und psychischen Erholung“, gestattet. Bundeskanzler und Sportminister beteuern dies unisono. Nature is healing, wie der Corona-erprobte Kurzstreckenläufer sagt.

Wer sich dieser Tage die Laufschuhe anzieht (entweder allein oder im Tandem mit „einzelnen wichtigen Bezugspersonen, mit denen in der Regel mehrmals wöchentlich Kontakt gepflegt wird“), dem kommen, rein subjektiv betrachtet, mehr LäuferInnen entgegen als an normalen grauen Novembertagen. Kein Wunder: Laufen stärkt die Abwehrkräfte, das Immunsystem, hilft beim Stressabbau und beim Nachdenken – und, das kann ich hier bezeugen, sorgt noch ein paar Stunden nach dem Rundendreh für gute Laune. Das ist, pardon my french, in diesem Scheißjahr mehr, als man gemeinhin erwarten darf.

Seine ganz persönliche Überlebensstrategie für 2020 verrät der US-amerikanische Bestsellerautor T. C. Boyle („Wassermusik“, „América“ u. a.) übrigens in der aktuellen profil-Ausgabe: „Wandern Sie die Pfade entlang, paddeln Sie mit dem Kajak, tauchen Sie in den kalten, wirbelnden Pazifik ein, und es wird Sie von allem heilen.“ Und wer, wie ich, leider keinen Pazifik ums Eck hat, geht eben ein paar Runden in den Auer-Welsbach-Park.

Alles wird gut.

Philip Dulle

P.S. Den perfekten Lauf-Soundtrack zum Wiederentdecken hat der New Yorker Hipster-Papst James Murphy von LCD Soundsystem bereits 2006 für einen großen Sportartikelhersteller komponiert. „45:33“ (verfügbar bei allen gängigen Streaminganbietern) beginnt als Synthie-Aufwärmübung, die schneller und schneller wird, während der Adrenalinspiegel mit Elektro, Funk und House immer weiter nach oben getrieben wird. Gegen Ende wechselt Murphy in ruhigere Ambient- und Krautrockklänge – zum gemütlichen Auslaufen.

 

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.