NBA-Profi Jakob Pöltl: Was ich von der Corona-Krise gelernt habe

Der Wiener Basketball-Profi Jakob Pöltl, 25, über Sport während der Pandemie, Einsamkeit in Texas und die letzten Tage von US-Präsident Donald Trump.

Drucken

Schriftgröße

Chicago Bulls gegen Boston Celtics – kurzfristig abgesagt; 50.000 Dollar Strafe für Superstar James Harden (neu bei den Brooklyn Nets), weil er die Corona-Richtlinien in einem Stripclub verletzt hat; Philadelphia kratzt gerade noch fünf Spieler für das Match gegen Denver zusammen. Die vergangenen Wochen waren für die National Basketball Association (NBA) ein großer Stresstest in Sachen Covid-19. Nachdem die beste und wichtigste Basketball-Liga der Welt am 22. Dezember in die neue Saison gestartet ist, droht ihr knapp einen Monat später eine erneute Zwangspause.

Jakob Pöltl verbuchte sieben Punkte, drei Rebounds und zwei Assists

Mittendrin Jakob Pöltl, Österreichs einziger Spieler in der NBA. Mit seinem Team San Antonio Spurs aus Texas kämpft der 2,13 Meter große Wiener um den Einzug in die Playoffs der besten 16 Mannschaften der Liga. Im Gespräch mit profil rekapituliert der 25-jährige Center aus seinem Leben zwischen Covid-Tests, Ausgangsbeschränkungen und einsamen Stunden im Hotel.

Heimweh ist immer ein Thema. Seit 2014 lebe ich in Nordamerika, und es fällt mir nie leicht, aus Österreich zurück nach San Antonio zu fliegen. Ich fühle mich in Wien sehr wohl, habe meine Familie und Freunde hier. Wegen der Pandemie hatte ich drei Monate Heimaturlaub, so viel Zeit, wie seit dem College nicht mehr. Es war eine komische Situation: Ein richtiger Urlaub war wegen Corona nicht möglich, es gab auch keine Spiele für das Nationalteam. Ich habe viel trainiert und bin froh, dass ich mich jetzt wieder auf das Basketballspiel konzentrieren kann.

Als Profi muss ich nach den Corona-Regeln leben. Kaum soziale Kontakte, die Freizeit wird auf ein Minimum eingeschränkt. Wenn wir in anderen Städten spielen, können wir uns kaum frei bewegen. Die Regeln der Liga, um die Ansteckungsgefahr zu minimieren, sind sehr streng. Das Handbuch dazu umfasst mehr als 100 Seiten. Das Risiko, sich mit Covid-19 anzustecken, wird von der Liga möglichst minimiert – und trotzdem fallen regelmäßig Spieler wegen positiver Tests aus. 

Ich muss zur Gefahr werden. Ich bin jetzt in meinem fünften NBA-Jahr und muss mehr Verantwortung übernehmen. Manchmal bin ich noch zu passiv und spiele eher den Pass als selbst zum Korb zu gehen. Da muss ich in manchen Spielsituationen aggressiver werden. Unser Coach Gregg Popovich will das heuer vermehrt von mir sehen.

Man muss den Sieg schon wollen. Mit Zielen tue ich mir schwer, ich orientiere mich eher an Richtlinien. Mir kommt es vor allem auf die tägliche Arbeit, die Konzentration und die Aggressivität an, mit der ich spiele. Für mich ist der Anspruch, mich ständig zu verbessern. Der Wille, zu gewinnen ist eine große Motivation. Diese competitiveness habe ich schon mein ganzes Leben lang. Das ist nicht nur im Basketball so, sondern zieht sich durch viele Aspekte meines Lebens. Für uns als Team ist es natürlich das Ziel, wieder zurück in die Playoffs zu kommen. Letztes Jahr haben wir unsere Chancen nicht voll genutzt und es knapp nicht geschafft. Wir haben Spiele verschenkt, die wir gewinnen hätten sollen.

Die USA sind ein gespaltenes Land.  Vieles hat sich in den USA in den letzten Jahren zugespitzt. Vor allem die Zeit vor und nach der Präsidentschaftswahl im November war kurios. Die Debatte um das Ergebnis versank in einem großen Chaos - sowohl in den sozialen Netzwerken als auch auf der Straße und im Alltag in den Städten. Es gibt ständig Proteste unterschiedlicher Lager und Verschwörungstheorien machen die Runde. Nachdem ich nicht wählen kann, beobachte ich das Schauspiel aus der Distanz. Aber unser Coach positioniert sich immer sehr kritisch gegenüber Trump und die Entwicklungen der letzten Monate sind bei uns im Team auch immer wieder Thema.Ich hoffe, dass mit Joe Biden und seiner Vizepräsidentin Kamala Harris wieder mehr Ruhe in die amerikanische Gesellschaft einkehrt. 

 

Im Lockdown habe ich gelernt, mit mir allein zu sein. Im ersten Lockdown im vergangenen Frühling, als die Liga monatelang pausierte, habe ich viel Zeit alleine in meiner Wohnung in San Antonio verbracht. Dadurch habe ich noch mehr gelernt, mit mir selbst zurecht zu kommen. Ich bin momentan nicht in der Stadt unterwegs. Mit Fans komme ich gar nicht mehr in Kontakt, weil wir in leeren Hallen spielen. Dadurch hat sich auch das Spiel verändert. Ohne Zuseher fehlt einfach die Dynamik, niemand feuert dich an. Du musst dich als Team viel mehr selbst pushen. 

Es gibt immer wieder Spielzüge aus der Vergangenheit, die ich mir vorstelle. Ich liege nachts nicht wach und träume vom perfekten Spielzug. Der Block gegen James Harden ist einer meiner NBA-Highlights. Ansonsten ist mein Alltag von Routinen geprägt. Ich achte auf meine Ernährung, trainiere nach Spielen weiter, nehme ein Eisbad oder lasse mich massieren. Die kleinen Wehwehchen nehmen mit den Jahren zu und es ist nicht mehr so einfach, direkt aus der Kabine aufs Parkett zu sprinten. Aber körperlich bin ich sicherlich fitter geworden.

Protokoll: Philip Dulle, Stephan Wabl

 

Zur Person:

Der gebürtige Wiener Pöltl begann seine Profikarriere bei den Traiskirchen Lions, bevor er 2014 an das College von Salt Lake City wechselte. 2016 bekam er seinen ersten NBA-Vertrag bei den Toronto Raptors. Zwei Jahre später wurde er zu den renommierten San Antonio Spurs getauscht. 

 

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.