Forelle mit Bratkartoffel, Thymian und Limetten-Aioli

Zu Gast in der „Libelle“ am Neusieder See

Die „Libelle“ reiht sich in der Gesamtanmutung in Neusiedler-See-Klassiker wie „Mole West“ und „Fritz“ ein. Eine kulinarische Pegelstands-Vermessung am Neuen Strand in Breitenbrunn.

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„Der Neusiedler See: Ein See verschwindet“, so stand es im August 2022 am Cover dieses Magazins. Damals war man sich nicht so ganz sicher, ob das Meer der Wiener möglicherweise austrocknen könnte. Heute – drei Jahre später – kann konstatiert werden: Der See, er ist immer noch da! Falls Sie gratis mitsamt neuester Infrastruktur in seinem dunklen Wasser schwimmen wollen: Das Strandbad in Breitenbrunn bietet sich dafür an.

Dort hat nämlich eine das Burgenland dominierende Dynastie (mit E als Anfangsbuchstaben) offensichtlich viel Geld in die Hand genommen und im vergangenen Jahr den „Neuen Strand“ mitsamt dem Restaurant „Libelle“ eröffnet. Die „Libelle“ reiht sich in der Gesamtanmutung in Neusiedler-See-Klassiker wie „Mole West“ und „Fritz“ ein. Das pannonische „Vitello“ verzichtet auf zwei maßgebliche Zutaten und ersetzt Kalb und Thunfisch durch Roastbeef und Wels. Der Fisch ist zu einer intensiven Creme verarbeitet worden. Sie muss gegen sehr viel Zeug am Teller ankämpfen: Es gibt filetierte Orangen, sehr knuspriges Brot, Kresse, einen zu Salat verarbeiteten Fenchel und, natürlich, das Rind. Die Sushi-Rolle „Cool California Roll“ führt vor Augen, dass der Neusiedler See tatsächlich kein Meer ist: Hier muss eine Lachsforelle herhalten. Sie funktioniert prächtig neben der Gurke und der eingelegten Rübe. Und um noch mal auf die österreichische Beschaffenheit hinzuweisen, hat man sie auch noch mit Röstzwiebel getoppt. Eine sehr gute, minimal zu groß geratene Inside-out-Rolle-Sushi.

Sushi-Rolle „Cool California Roll“ in der "Libelle" am Neusiedlersee

Fisch dann auch noch mal im Hauptgang: Die Forelle (siehe Aufmacherbild) wurde im Ganzen gebraten und eigentlich müsste man sie schon beim Gast filetieren (auch wenn’s für das Service lange dauert und prinzipiell mühsam ist). Auf der Forelle thront ein optisch imposanter, aber in Wahrheit unnötiger Kräutergarten. Der Fisch selbst ist außen schön knusprig und innen perfekt glasig zubereitet worden. Die Braterdäpfel machen ihrem Namen alle Ehre, Jungzwiebel ist auch noch dabei, der ganze Teller ist von Thymian und Rosmarin-Aromen durchdrängt, und die Limetten-Aioli rundet ihn ab.

Jetzt gibt’s leider ein Problem – den „Burger“. Gleich vorweg: An sich ist er in Ordnung, der Fehler liegt eher darin, welche Zutaten verwendet werden und wie sie teilweise aufbereitet werden. Das Bun ist an sich super, weich und sieht gut aus – top. Auch das heimische Angus Beef ist absolut in Ordnung. Den Chili-Raclette-Käse hätte ich nicht genommen – er lässt den Burger unnötig intensiv werden. Ob man den Speck zu Würfeln schneiden sollte? Auch wenn’s per se kein Fehler ist, finde ich es schwierig, weil es dem Burger eine Textur gibt, die so wirkt, als wären wir hier bei einem Schlachtschmaus. Aber die Pommes waren super: knusprig und mit Schale.

Burger mit Pommes

Selbstgemacht ist das Sorbet, hier bestehend aus Zitrone, Erdbeere und Mango. Es ist genau das, was es sein soll – nicht zu süß, nicht zu alkoholisch und perfekt bei sommerlichen Temperaturen. Der Schokokuchen mit warmem Kern ist für Desserts das, was Bruce Springsteen für die Rockmusik ist: So viel glattgebügelter Konsens kann einem schnell mal langweilig werden, aber wenn er dann erscheint, ja, dann macht er halt schon Spaß. Das vorliegende Exemplar nennt sich auf der Karte Schokoladen-Tarte – und ist auch nicht ganz so wie überall sonst. Der weiche Kern liegt in einer Kuchenmulde, darauf gibt’s dann noch Donnerskirchner Edelkirschen, ein Sauerrahm-Eis und viel Knusperzeug und Nüsse – I’m on fire.

Dessert in der "Libelle" am Neusiedler See

Die „Libelle“, die macht ihre Sache schon nicht schlecht: Es ist ein sehr wertig ausgestattetes Lokal mit Ausblick, nettem Service und mit Essen, das einen Kompromiss darstellt – an sich nicht kompliziert, trotzdem bemüht, ein bisschen mehr abzuliefern als halt nur das Schnitzi. Und bei hochsommerlichen Temperaturen ist ein Burger vielleicht eh nicht das Richtige.

Stephan Graschitz

Stephan Graschitz

ist als Chef vom Dienst bei profil tätig.