Nicht selten begegnet Dornik, der auch ehrenamtlich in der Wiener Männerberatung (von der profil trotz mehrfachen Urgierens keine Rückmeldung bekam) arbeitet, „Männern, die im Bemühen, den Kontakt zu ihren Kindern aufrechtzuerhalten, an einem bestimmten Punkt resignieren und sich komplett zurückziehen“. Dieser Rückzug ist allerdings alles andere als eine brauchbare Lösung. Vielmehr hinterlasse dieser alternativlos erscheinende Rückzug „eine tiefe, nicht heilen wollende Wunde in der Seele der betroffenen Väter“.
Überlastete Familiengerichte
„Verzweiflung“, „Ohnmacht“ und nicht mehr gutzumachende „Beziehungslücken“ zu den eigenen Kindern sind Worte, die in den Interviews mit solchen auf Kontaktreduktion gesetzten oder gänzlich ausgesperrten Vätern häufig fallen.
Der in der Schweiz lebende österreichische Wirtschaftspsychologe Christian W. hat beispielsweise seit einem Jahr seine nunmehr 14-jährige Tochter nicht mehr gesehen. Die Protokolle seines Bemühens, das Kind überhaupt wieder und dann natürlich regelmäßig zu sehen, füllen Dutzende profil zur Verfügung gestellte Seiten und erzählen von seitens der Mutter abgebrochenen Mediationen, Schlichtungsversuchen durch Organisationen wie Rainbows, psychiatrischen Gutachten von beeideten Sachverständigen zugunsten des Vaters, extrem behäbig mahlenden Gerichtsmühlen, die beispielsweise durch die Hüftoperation einer Richterin zusätzlich verlangsamt wurden, und von Nachweisen, dass der Vater das Jahrzehnt zuvor nach der Trennung aufgrund verschiedener Wohnsitze „Hunderte Kilometer angereist ist“, um das Kind pünktlich zum vereinbarten Zeitpunkt abzuholen, „während das umgekehrt nie der Fall war“.
Davon, dass das Kind von der Mutter „offensichtlich in einen Loyalitätskonflikt gezogen wurde“, ist Christian W.überzeugt. Als Indiz schickt er ein Faksimile eines Briefes seiner Tochter an den Großvater, in dem sie den „Opa“ bittet, damit aufzuhören, „Anwälte und Gerichte zu beschäftigen“: „Es stresst mich und kostet extrem viel Geld und Zeit.“ Das klingt tatsächlich „eingeflüstert“.
Rechtslastige Väterbewegung
Viele Fragen, die juristische Gegebenheiten wie Kontaktvereinbarungen, gemeinsame Obsorge, Unterschiede zwischen Ehe und Lebensgemeinschaft, Rechte des Kindes bei der Entscheidung, wo es wohnen möchte (ab 14 Jahren), verpflichtende oder zumindest anzuratende Mediation betreffen, werden auf der Website familienrechtsinfo.at ausführlich, facettenreich und übersichtlich beantwortet.
Seit etwa 20 Jahren machen sich auch immer mehr Bewegungen für Väterrechte (z. B. „Väter ohne Rechte“) bemerkbar, die sich im deutschsprachigen Raum politisch aus dem rechten Lager rekrutieren und in ihren Parolen durchaus als frauenfeindlich und misogyn einzustufen sind. Das Recherche-Netzwerk Correctiv zeigte kürzlich auf, wie solche Organisationen mit „kruden Thesen, ausgefeiltem Lobbying und jeder Menge Frauenhass“ politisch einzugreifen versuchen. Auch die FPÖ will Einfluss mit solchen Gruppierungen geltend machen: In den Protokollen der Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ poppte immer wieder die Diagnose „Parental Alienation Syndrom“ auf, die im psychiatrischen Diagnostik-Handbuch nicht existiert, aber auf Forderung der FPÖ als Form von Kindesmissbrauch gesetzlich verankert werden sollte. Eine gescheiterte Maßnahme, die den Gewaltschutz für Kinder erheblich perforieren und erschweren könnte.
Ungeachtet der Schuldzuweisungen zwischen den strittigen Parteien gibt es in all diesen Grabenkämpfen vor allem ein oder mehrere Opfer: das Kind oder die Kinder. Mit den Erkenntnissen, wie negativ sich Scheidungskonflikte und unverlässliche Bindungsmodelle nach einer Trennung auf die Kindheit und die spätere Beziehungsfähigkeit dieser Kinder auswirken können, sind inzwischen die Ratgeber-Regale in den Buchhandlungen dicht gefüllt. Eine Leerstelle von einem Vater und die Absenz einer männlichen Bezugsperson hat für beide Geschlechter unterschiedliche Auswirkungen: Mädchen suchen manchmal bei ihren späteren Partnern den Vaterersatz, Buben haben Schwierigkeiten mangels Rollen-Modellen, ihre männliche Identität zu gestalten. Im Jahr 2024 waren nahezu 15.000 Kinder in Österreich von einer Scheidung betroffen, circa 12.500 davon minderjährig. Nicht statistisch erfasst sind dabei die Trennungskinder aus nichtehelichen Partnerschaften.
Die Wahrscheinlichkeit für ein Kind, bis zum 18. Lebensjahr eine Trennung der Eltern zu erleben, liegt laut Statistik Austria inzwischen bei 30 Prozent. Naturgemäß sind die Gerichte mit den vielen Pflegschaftsverfahren und Beschwerden heillos überlastet, es vergeht wertvolle Zeit.
Traditionelles Versorgermodell
Eine Studie des Österreichischen Instituts für Familienforschung mit dem Titel „Väter im Abseits“ ergab schon vor vielen Jahren, 2007, schockierende Ergebnisse, die sich leider bis heute nur marginal verändert haben: Ein hoher Prozentsatz aller Trennungsväter verliert den Kontakt zu ihren Kindern. Die damalige Studienleiterin Mariam Irene Tazi-Preve erklärte in einer Presseaussendung: „40 Prozent der befragten Väter machen keine Angaben zur Frage des Kontaktes zu ihren getrennt lebenden Kindern. Von den verbleibenden getrennten bzw. geschiedenen Vätern gaben elf Prozent an, keinen Kontakt mehr zu haben. Weitere zehn Prozent haben mäßigen Kontakt zu ihren Kindern, nämlich zumindest einmal im Jahr ein persönliches Treffen.“ Exakte aktuelle Zahlen existieren für dieses Väter-Fade-out im Leben oft minderjähriger Kinder nicht, aber der deutsche Therapeut und systemische Berater Eberhard Schäfer, der seit vielen Jahren ein Beratungszentrum für Väter in Berlin („In das durchaus auch glückliche Väter zum Austausch kommen“) leitet, ist überzeugt, dass „rund 30 Prozent aller Väter nach der Trennung nur mehr sporadischen Kontakt zu ihren Kindern haben und ihn innerhalb von drei Jahren dann gänzlich verlieren“.
Auch Eva-Maria Schmidt, Soziologin am selben Institut und in ihren Publikationen spezialisiert auf Scheidungen und Vaterschaftsverständnis, spürt bei ihren aktuellen Forschungen wenige Veränderungen: „Soziale Normen, dass der Mann die Versorgerrolle zu erfüllen habe, bestimmen noch immer das gesellschaftliche Wertesystem. Da hat sich in den Köpfen wenig getan. Wenn es dann zu einer Trennung kommt, wird das auch für die Männer zu einer großen emotionalen Belastung, dieses Gefühl, dass es die Familie unwiderruflich nicht mehr gibt.“
Die Hintergründe für die in den letzten Jahren wieder leicht angestiegene Scheidungsrate (36 Prozent) sind oft so banal wie einleuchtend: Die unbezahlte Care-Arbeit wie Haushalt und Pflege in Familienkonstrukten mit minderjährigen Kindern liegt noch immer zu zwei Dritteln bei Frauen, bei Männern konnte in den letzten Jahren eine minimale Steigerung laut Studien konstatiert werden. Bei vielen Frauen bringt dieses Ungleichgewicht irgendwann den Kragen zum Platzen: meistens (statistisch) mit 42,6 Jahren. Eine wichtige Erkenntnis von Schmidts Publikation „Was macht eine gute Scheidung aus?“ (gratis downloadbar) ist, dass die Qualität einer Post-Trennungsvaterschaft in engem Zusammenhang mit den Qualitätsmerkmalen und dem Zeitaufwand, den Väter bei intakten Familienverhältnissen in die Beziehung mit dem Kind oder den Kindern und die gemeinsame Care-Arbeit investiert haben, steht.
Die Scheidungsanwältin Helene Klaar ging sogar so weit, Kinder in einem früheren profil-Interview „als echte Beziehungskiller“ zu betrachten, und meint dazu: „Zehn Jahre geht so eine Beziehung gut. Kaum war das Kind da, nach zwei Jahren Scheidung. Er konnte es nicht verkraften, dass sich nicht mehr alles nur um ihn dreht.“
Tatsächlich weist die Statistik der österreichischen Ehe aktuell einen durchschnittlichen Haltbarkeitswert von 10,4 Jahren aus. Je älter die Ehe, desto weniger „Trennungsneigung“, so die Tendenz in Österreich.
Tücken der Doppelresidenz
Aus Sicht der Mütter ist die Gesetzeslage nach wie vor zu frauenfeindlich, denn oft müssen alleinerziehende Mütter monatelang hinter den säumigen Alimenten herlaufen. Vor allem, wenn die Väter freiberuflich sind, gestaltet sich der Weg zum Geld schwierig. Gleichzeitig pochen Väter auf immer mehr Rechte nach einer Trennung, die sich bei der jüngeren Generation der Millennials oder Gen-Z-Daddies oft mit dem Wunsch nach einer Doppelresidenz niederschlägt, sprich einer 50:50-Lösung. Was wiederum neue Probleme aufwirft: Denn meist wollen die Männer bei einer Doppelresidenz-Lösung (die nur dann funktionieren kann, wenn die Gesprächsbasis zwischen den Eltern gegeben ist) auch einen Anteil der staatlichen Unterstützung, was insofern zu Schieflagen führen kann, als die Frau während des aufrechten Familienkonstrukts in der Regel in Karenz ging und sich danach für eine berufliche Teilzeitlösung entschied.
74 Prozent der Frauen mit Kindern unter 15 Jahren arbeiten gegenwärtig in Österreich in Teilzeit, während nur 7,7 Prozent der heimischen Väter sich zu so einem Schritt entschlossen haben.
In Österreich bleiben die Mütter auch im Europa-Vergleich überdurchschnittlich lange in Karenz, die Inanspruchnahme von Väterkarenz ist seit 2016 sogar um einige Prozent zurückgegangen. In welche Gefahrenzone eine solche Erwerbstätigkeitsverteilung Frauen führen kann, ist hinlänglich bekannt: Anschlussschwierigkeiten beim Wiedereinstieg in den Beruf, bei Scheidung ein Lebensstandard im Sinkflug, bei Auflösung einer Lebensgemeinschaft keinerlei finanziellen Rechte, deprimierende Pensionsansprüche, Altersarmut.
Vaterschaftsentdeckung nach Trennung
Die Wiener Familienrechtsanwältin Andrea Wukovits beobachtet in ihrer Berufspraxis, dass „manche Väter ihre Sehnsucht nach Vaterschaft erst nach der Trennung entdecken“. Eine Beobachtung, die auch Lieselotte Ahnert mit Studien belegen kann. Grundsätzliche Konflikte, auch bei einer einvernehmlichen Scheidung, liegen in der Regel „bei den Kindern und den Finanzen“.
Und dass es überhaupt zu solchen kommt, liegt „häufig daran, dass die partnerschaftlichen Probleme mit all ihren Verletzungen und Kränkungen nicht geklärt worden sind“. Ihr Ratschlag an Väter, um die Stimmung zu entspannen: „Sofort, auch wenn die Scheidung noch nicht durch ist, Unterhalt zahlen und sich so viel wie möglich mit den Kindern beschäftigen, um zu zeigen, dass das Engagement da und ernst zu nehmen ist.“Jede Form von zeitlichem Vakuum zwischen dem getrennten Elternteil und den Kindern ist zu vermeiden: „Denn es kommt sehr auf den Anfang an, und wie sehr jemand zu diesem Zeitpunkt seine Position bereits gefestigt hat.“ Die Richterschaft tendiert dazu, ihre späteren Entscheidungen vom früheren Verhalten beider Elternteile abhängig zu machen.
Aber wie ist zu erklären, dass das Kontaktrecht trotz der Vereinbarungen so oft gebrochen wird, wie wir aus den Erfahrungsberichten diverser Trennungsväter wissen? In solchen Fällen, so Wukovits, möge man möglichst schnell zu Gericht gehen und das beanstanden. Dann kommt es natürlich auf den zuständigen Richter oder Anwalt an. Wukovits: „In der Regel ist das Gericht sehr daran interessiert, dass der Kontakt aufrechterhalten wird.“ Ist „keine Gesprächsbasis“ zwischen den Eltern gegeben, ist es hilfreich, „alle Eventualitäten im Vorfeld festzulegen“.
Häufiger Grund, ein Kontaktrecht nicht einzuräumen, ist Krankheit: „Deswegen sollte festgelegt werden, dass das Kind auch dann zu übergeben ist, wenn es nicht ganz gesund ist. Ist es so krank, dass es nicht transportfähig ist, sollte dem Vater ein Besuchsrecht eingeräumt werden.“ Solche Vorkehrungen helfen dabei, das Ausredenrepertoire zu mindern, und dass nicht „zu viele zeitliche Leerläufe passieren können“.
Viel Unheil könnte jedoch durch rechtzeitige Hilfe und Unterstützung im Fall einer beginnenden Krise abgefedert werden und Aufklärung im Vorfeld von Familiengründungen.
Die Soziologin Eva-Maria Schmidt rät dringend zu einem Paradigmenwechsel: „Die Informationen, was einem Paar und einer Familie nach einer Scheidung oder Trennung bevorstehen kann, müssen viel früher weitergegeben werden. Bei jedem Kaufvertrag wird man über die möglichen Konsequenzen informiert. Nur bei so wichtigen Dingen wie Ehe und Familie bekommen Menschen im Vorfeld keine Aufklärung.“ Ihrer Meinung nach sollte damit schon während der Schulzeit begonnen werden. In jedem Fall wäre es ratsam, dass Paare erst dann vor einen Richter treten, „wenn sie ihre Emotionen an einem neutralen Ort bereits abgearbeitet haben“.
Vielleicht sollte man sich auch die Thesen des weltbekannten Traumaforschers Gabor Maté zu Herzen nehmen, der im profil-Interview meinte: „Unsere Form der Zivilisation ist in der Menschheitsgeschichte verhältnismäßig jung. Früher wurden die Kinder im Verbund von Clans, in Stammesgruppen in der freien Natur großgezogen. Viele Onkel, Tanten und Freunde waren da zusätzlich involviert. Verglichen mit der Freiheit von damals leben wir heute wie in einem Zoo. Viele Eltern, egal ob zusammen oder getrennt, haben die Verbindung zu ihren Kindern verloren, denn nicht das Erkennen der Bedürfnisse ihres Kindes dominiert ihre Elternschaft, sondern Sorgen, dass das Kind nicht wie erhofft ist, und natürlich ihre eigenen Verlustängste. Und die geben sie dann an ihre Kinder weiter.“
Und im Zuge der Verletzungen einer gescheiterten Beziehung potenzieren sich diese Ängste auf beiden Seiten.