Admira-Präsident Philip Thonhauser, Felix Magath und Thorsten Fischer (Flyeralarm)
Fußball

Wie Felix Magath den FC Admira Wacker in ein grandioses Schlamassel lenkte

Die Online-Druckerei Flyeralarm investiert groß in den spröden Bundesligisten Admira Wacker. Der umstrittene deutsche Starcoach Felix Magath soll eine Erfolgsformel basteln. Das Resultat: Chaos auf höchstem Niveau.

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VON GERALD GOSSMANN

Fußballvereine sind immer auch Spielzeuge. Chelsea London gehört dem russischen Oligarchen Roman Abramowitsch, Paris Saint-Germain dem Emir von Katar. Neuerdings ist auch der FC Admira Wacker aus Maria Enzersdorf so ein Spielzeug. Jedenfalls für Thorsten Fischer, der mit seiner deutschen Online-Druckerei Flyeralarm 20 Prozent des Klubs besitzt und mit diesem irgendwann sogar "Gewinne erzielen" möchte.


Dabei gilt die Admira aus der Wiener Vorstadt als graue Maus. Fans gibt es kaum, das Stadion versprüht Ostblock-Charme. Doch das Investment ist nicht unerklärlich: Regelmäßig erreichte die Admira einen Europacup-Platz, den in Österreich fünf von zwölf Bundesliga-Vereinen erhalten - und damit Zugang zu den Geldtöpfen der UEFA.

Doch seit dem großen Einstieg von Flyeralarm vor drei Jahren gibt es ein kleines Problem: Der Verein zahlt zwar wieder pünktlich Gehälter - kämpft aber seither ständig gegen den Abstieg. Deshalb wurde Anfang des Jahres ein als "Königstransfer" angepriesener Deal präsentiert: der neue Chefstratege Felix Magath, 67, Spitzname "Quälix". Doch der deutsche Trainerstar, von einem Spieler einst als "letzter Diktator Europas" bezeichnet, hat das Chaos erst richtig entfacht. Derzeit befindet sich die Admira nicht nur im Tabellenkeller, sondern wöchentlich in den Schlagzeilen - mit teils abstrusen Personalentscheidungen.

Felix Magath war einst deutscher Meister mit Bayern München und dem VfL Wolfsburg. Doch seine Erfolge liegen über ein Jahrzehnt zurück. Seitdem wird er in den Medien als "Folterknecht" und "Medizinball-Magath" verspottet. Mit seinem "letzten Projekt" in der Südstadt ist auch ein Motiv verbunden: Magath möchte beweisen, "dass der Fußball noch genauso funktioniert, wie er es immer getan hat", also mit Strenge, Disziplin und Laufen. Eine Anstellung im Verein braucht er dafür nicht. Als "Head of Global Soccer" des Flyeralarm-Fußball-Projekts (zu dem neben der Admira auch der deutsche Zweitligist Würzburger Kickers zählt) soll er den Verein offiziell beraten. Doch an eine bloße Beratertätigkeit glaubt schon lange niemand mehr.

Ein trüber Tag Mitte Oktober. Der "Folterknecht" sitzt in einer VIP-Loge des Admira-Stadions und wartet auf die Vorspeise. Felix Magath wirkt in der persönlichen Begegnung nicht so brutal, wie seine Spitznamen vermuten lassen. Er ist nicht sonderlich groß, nicht außergewöhnlich breit, er knurrt nicht, sondern wirkt sanft und lächelt auffällig milde. Sein Ruf störe ihn nicht, sagt er. "Ich bin immer für Ordnung, Disziplin und körperliche Fitness gestanden."

"Seit Felix Magath verstehe ich den Fußball langsam wieder"

Felix Magath ist im Fußballgeschäft ein Kaliber wie Jürgen Klopp oder Jogi Löw. Am Tag seiner Präsentation in einem Wiener Luxushotel muss sich die Admira wie Julia Roberts in "Pretty Woman" gefühlt haben. Es sei ein Novum, "so eine Pressekonferenz halten zu dürfen", stammelte Geschäftsführer Thomas Drabek. Die Admira war auf einmal Teil von etwas Großem, das sich "Flyeralarm Global Soccer" nennt und ein bisschen nach dem Fußballprojekt von Red Bull roch: ein Investor, ein Chefstratege, ein deutscher und ein österreichischer Klub im Portfolio. Doch ausgerechnet die Salzburger Erfolgsformel möchte man nicht übernehmen. Während Red Bull in moderne Entwicklungen investiert, sprach Magath von "Siegermentalität" und davon, "kein Mann" zu sein, "der die Taktik in den Vordergrund stellt".

In dieser Beziehung dürften Flyeralarm-Boss Fischer und Magath, die sich auf dem Fußballplatz kennengelernt hatten, Sympathien füreinander entwickelt haben. Fischer erzählte bei Magaths Präsentation, dass er sich mit der modernen Fußballwelt schwertue, "aber seit Felix Magath verstehe ich den Fußball langsam wieder". Man wolle künftig "nicht zu kompliziert denken" und "den Fußball einfacher machen".

Thorsten Fischer, 45, hat Erfahrung mit einfachen Ideen, die zu Kassenschlagern werden. Fischer führte einst ein kleines Stadtmagazin in Würzburg. Statt Anzeigen bestellten die Leute lieber Flyer. So entstand vor 18 Jahren Flyeralarm, "mit null Ahnung von dem Geschäft". Heute zählt das Unternehmen zu den führenden Online-Druckereien Europas. Der Konzern beschäftigt 2400 Mitarbeiter, expandierte in 15 Länder, erwirtschaftete 2019 einen Umsatz von 385 Millionen. Das Erfolgsrezept: viel, schnell und billig drucken. "Ich kann eigentlich nichts besonders gut", betonte Fischer einmal, "aber mir ist es fast immer gelungen, die besten Leute zu finden."

"Eigentlich ist das nicht zum Lachen"

Unsummen will der Konzern in der Südstadt jedenfalls nicht investieren. Die Admira wurde vor dem Konkurs gerettet, finanziell stabilisiert und vertraut nun auf den Masterplan Magaths. Doch der bleibt unkonkret und betont bloß, dass er "Professionalität" in den Laden bringen wolle. Über das vorhandene Spielgeld muss er kurz auflachen. "Eigentlich ist das nicht zum Lachen",sagt er. "Aber ich komme aus anderen Regionen und muss mich an die Summen gewöhnen, über die wir hier reden." Magath soll bei Schalke einst 24 Millionen Euro für einen Vierjahresvertrag ausverhandelt und ein Vielfaches in Spielerkäufe gesteckt haben. Die Admira verfügt über knapp sieben Millionen Euro Jahresetat. Interessanterweise konnte Magath immer Männer mit Geld von sich überzeugen: die VW-Bosse in Wolfsburg, reiche Investoren in England, China und neuerdings in Maria Enzersdorf. Oft wurde ihm die Rolle des Alleinherrschers überlassen. Die Admira verfügt eigentlich über zuständige Funktionäre für Sport und Wirtschaft. Also: Welche Rolle spielt Magath? Er selbst spricht von "Rat und Tat",die er beisteuern wolle. Wobei die Betonung wohl auf der Tat liegt. Er habe hier die meiste Erfahrung, erklärt er, und treffe natürlich gemeinsam mit dem Investor Entscheidungen.

Die erste große Weichenstellung fand schon im Februar statt: Magath verpflichtete seinen ehemaligen Spieler und Assistenten, den kroatischen Ex-Teamspieler Zvonimir Soldo als Trainer, obwohl dieser ein Jahrzehnt lang nicht als Chefcoach gewerkt hatte. Das Training sei "veraltet" gewesen, sagen Spieler gegenüber profil: "Es gab keine Taktikeinheiten, stattdessen sind wir nur gelaufen."Er habe schon viele Trainer erlebt, meint ein anderer, "aber Soldo war wirklich katastrophal."

Magath kann der Kritik wenig abgewinnen und verweist auf Soldos Vita als Spieler: 70 Spiele mit der kroatischen Nationalmannschaft, WM-Halbfinalist, 300 Spiele in Deutschland. "Er hat den Fußball überall selbst erlebt." Magath selbst ist geprägt von Trainern der alten Schule, wie dem Jugoslawen Branko Zebec, deren Methoden er adaptierte. Magath sagt, er habe als Spieler einst geraucht und getrunken. Dann habe ihm Zebec einen "professionellen Zugang" vermittelt. Zebec ließ die Spieler während des Trainings keinen Tropfen Wasser trinken und verbot ihnen, die Stadt zu verlassen. "Das war unter allen Trainern üblich",sagt Magath. "Das ist eher modern, das mit dem Wassertrinken."

Vier Spieler des Mannschaftsrates beklagten das fehlende Taktiktraining, das ihnen auf dem Platz "jede Chance nimmt". Magath will sich an kein Gespräch erinnern können, wiewohl er betont, dass ihm die Kritik "zugetragen wurde". Drei der Kritiker sind heute nicht mehr beim Verein. Der prominenteste Fall: Christoph Schösswendter, der kurz vor Transferschluss ohne Begründung entlassen wurde. Die Nachricht überbrachte Sportdirektor Franz Wohlfahrt: "Er hat nur gesagt, dass die Entscheidung nicht von ihm gefällt wurde und die Gründe nicht im sportlichen Bereich liegen", betont Schösswendter gegenüber profil.

Für diese Mannschaft "kein Trainer gut genug" gewesen


Magath wird im Gespräch nie laut; aber wenn ihn etwas ärgert, kann er trotz aller Contenance etwas gallig werden. "Natürlich kann auch ein Spieler über Trainings reden",sagt er. "Aber wenn ich jemanden habe, der bei der Weltmeisterschaft im Halbfinale stand und jemanden, der - wie soll ich sagen - außer bei der Admira nirgendwo anders ein Profispiel gemacht hat, dann weiß ich nicht, wie ich das werten soll." Für diese Mannschaft sei doch "kein Trainer gut genug" gewesen, sagt er. "Aber es spielen die Spieler, nicht der Trainer." Schösswendter sagt, dass die Entlassung aus heiterem Himmel "brutal" gewesen sei. Magath muss kurz auflachen: "Manchmal ist halt der Zeitpunkt so."

Auch Trainer Soldo ist schon wieder weg. Offiziell aus freien Stücken und privaten Gründen. Die "Kronen Zeitung" aber zitierte einen Informanten, wonach Soldo "gehen musste, weil das Felix Magath so wollte. Es wurde nach einer Lösung gesucht, die für so wenig Unruhe wie möglich sorgen soll. "Das Training übernahm Patrick Helmes, 36, einst Spieler unter Magath und nach einem 0:5 gegen St. Pölten schnell wieder abgesetzt. "Mich wundert sehr", unkte Magath, "dass sich der Patrick von uns im Vorfeld kein Feedback holte."

In den ersten drei Runden wurde die Admira von drei Trainern betreut. Auch eine Etage höher herrscht Tohuwabohu: Ernst Baumeister wurde im Juni als Sportdirektor verpflichtet, im August entlassen. Die Begründung: "unterschiedliche Auffassungen". Sein Nachfolger Franz Wohlfahrt, zuletzt beim Viertligisten SV Oberwart tätig, sei "nur ein Befehlsempfänger", sagt einer aus dem Vereinsumfeld. "Was von oben angeordnet wird, führt er aus."Der TV-Sender Sky fragte Wohlfahrt einmal nach der Vereins-Hierarchie. Der 56-Jährige äußerte Dankbarkeit für den Posten und, "dass ich ja dumm wäre, die Erfahrung dieses Mannes nicht zu schätzen und zu nützen". Wer wie und warum entscheidet, bleibt dennoch oft rätselhaft. Ein Ex-Spieler erzählt: "Über meine Ablöse wussten einige Funktionäre anfangs gar nicht Bescheid."

Magath sagt, dass er "immer die sportlichen Entscheidungen treffen" wollte. "Es geht alles, wenn man den hinter sich hat, der entscheidet." Bislang sind die Entscheidungen vor allem teuer: Zwei Trainer und zwei Sportdirektoren müssen gleichzeitig bezahlt werden. Ein Konzept ist schwer erkennbar. "Wenn man hart arbeitet, passieren Fehler", rechtfertigte Wohlfahrt. Der weitgehend entmachtete Club-Präsident Philip Thonhauser, der geschäftlich meist in den USA weilt, äußerte via TV-Interview die Hoffnung, dass die Fehler wenigstens "schnell und günstig" gemacht wurden.

Immerhin: Der neue Trainer Damir Buric ist schon drei Spiele im Amt und holte dabei den ersten Saisonsieg. Schon vor drei Jahren war Buric kurzfristig als Trainer hier tätig, sein Sohn Dino arbeitet im Management des Vereins. Magath betont die "gemeinschaftliche Entscheidung", für Wohlfahrt ist es "dank Felix Magath gelungen, den Damir zurückzuholen". Viele im Verein wirken derweil seltsam verunsichert. Tormann Andreas Leitner äußerte zuletzt Wehmut über die Schösswendter-Ablöse, "aber mehr traue ich mich nicht sagen".

Magath sitzt im VIP-Club und lächelt zufrieden. Offiziell hat der Mann keine Funktion bei der Admira. Und doch fühlt er sich hier offensichtlich pudelwohl: als Allmächtiger.