Wolfgang Rosam (li.), Markus Huber im Restaurant Fabios
Powerlunch

Zwei Gänge mit … Wolfgang Rosam

Österreichs wichtigster Besprechungsraum ist das Restaurant. Hier werden Geschäfte gemacht, Jobs vergeben, Seilschaften geknüpft. Aber wie macht man das? Und wie benimmt man sich bei einem Essen, bei dem es gar nicht ums Essen geht? Wolfgang Rosam, PR-Profi, ÖVP-Berater und Gourmet-Magazin-Herausgeber, gibt eine Art Einführung in die bessere Gesellschaft: natürlich im Fabios.

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Fünf Minuten, bevor Wolfgang Rosam das Fabios betritt, bringt der Kellner eine Flasche Wasser und stellt sie auf den Tisch, an dem Rosam gleich sitzen wird. Acqua Panna, Naturale, ab einer gewissen Lebenserfahrung gehen Bubbles erst, wenn sie zwölf Volumenprozent haben und aus Frankreich sind. Dazu bringt er ein Kännchen mit Zitronensaft. „Der Herr Rosam nimmt das gern zum Wasser“, sagt der Kellner, und, anders als das Wasser, ist das Kännchen nicht zum Teilen gedacht, er stellt es so weit weg von der Tischmitte, dass man aufstehen müsste, um es zu erreichen.

So ist das also im Fabios, dem nobelsten Nobelitaliener Wiens, oder besser: im teuersten Lokal der Stadt, in das man nicht wegen des Essens geht. Die Küche hat zwar drei Gault&Millau-Hauben, 87 A-la-Carte-Punkte, und das Wolfsbarschfilet mit Venusmuscheln schmeckt deutlich ehrlicher, als der Preis von 46 Euro vermuten lässt (das gilt auch für das Thunfischtatar mit „dünnem sardischem Brot“ um 36 Euro, Anm.), aber eben: Nebensache. Das Fabios und seine Terrasse sind so etwas wie das Amtsblatt des inoffiziellen Österreichs, die Restaurant gewordene Klatschspalte der „Kronen Zeitung“. Wer Getuschel braucht, der setzt sich ins Fabios, und wer dazu noch etwas verkünden will, der spricht einfach ein bisschen lauter. Die Wände hier haben einen Presseausweis.

Wenn man so will, dann ist das Fabios zwar ein Italiener, aber eigentlich das österreichischste Lokal des Landes. Denn während anderswo in Hinterzimmern gedealt wird, oft mit dem Messer zwischen den Zähnen, erledigt man das hierzulande ganz offiziell im Restaurant. Und genau darum geht es ab sofort an dieser Stelle: Ich rede mit den Menschen, die etwas zu sagen haben, dort, wo sie es am liebsten tun. Weil diese Art von Essen aber nicht einfach nur Nahrungsaufnahme ist, sondern vielen komplizierten Regeln folgt, treffe ich gleich zu Beginn den Grandseigneur der unverbindlichen Gastlichkeit: Wolfgang Rosam. Seit fast 40 Jahren arbeitet er im PR-Geschäft, er ist ein Mann mit besten Verbindungen zu allen Seiten, tritt nicht nur als ÖVP-Lobbyist im Privatfernsehen auf, sondern ist auch einer der professionellsten Esser an den Tischen, die das Geld bedeuten. Sein Habitat ist das Fabios, er hat es als Treffpunkt vorgeschlagen, und jetzt kommt er herein.

Es ist 12.02 Uhr, ein Donnerstag, und das Lokal ist so leer, als hätte sich die WKStA zu Kaffee und Osternestchensuche angekündigt. Rosam nimmt an seinem Tisch Platz, erste Koje, gleich rechts vom Eingang, der Platz, an dem vor einigen Jahren eine stadtbekannte Kunstsammlerin ein Ölgemälde hinterlassen hat. Er sitzt mit dem Rücken zum Lokal, so hat er die Tür genau im Blick und sieht alle, noch bevor sie ihn entdecken. „In Wien essen die Menschen später“, sagt Rosam, „dann aber alle auf einmal. Um 12:30 Uhr ist das Fabios voll, davor gehört es dir allein. Wenn du etwas in Ruhe besprechen willst, dann komm besser um zwölf.“

 

„Für mich kein Brot“, sagt Rosam, und als ich die Weinfrage mit Nein beantworte, nickt er: „Sehr gut, dann kann ich sparen.“

Mit wie vielen Menschen Wolfgang Rosam hier schon gegessen hat? Das kann er beim besten Willen nicht sagen. Jahrelang war er täglich da, er hat hier alle Termine gemacht, was schlau war, weil ihm das Fabios auch gehörte, zumindest ein bisschen. Rosam hat das Lokal 2002 gemeinsam mit anderen und dem namensgebenden Patrone Fabio Giacobello gegründet. Mit dem Einstieg beim „Falstaff“-Verlag hat er seine Anteile aber abgegeben. Gleichzeitig Eigentümer eines Gourmet-Magazins und eines Gourmet-Lokals zu sein, ist eine moralische Unvereinbarkeit, die auch in Österreich nicht geht. Beim Essen hört sich der Spaß einfach auf.

„Für mich kein Brot“, sagt Rosam, und als ich die Weinfrage mit Nein beantworte, nickt er: „Sehr gut, dann kann ich sparen.“ Rosam war über Ostern bei einer Fastenkur und hat dabei fünf Kilogramm abgenommen. Das ist ein Puffer, den man schlau einsetzen muss, vor allem, wenn man wie er fünf Mittagstermine pro Woche absolviert. Wahrscheinlich kann man die Bedeutung eines Termins in Kalorien messen, und weil Rosam unser Treffen nur Wasser-Klare-Suppe-Salat-niçoise-wichtig ist, verabschiede ich mich von der Tarte mit Valrhona-Schokomousse als Nachspeise (21 Euro). Das Gefälle soll nicht noch größer werden, bei meinem Wolfsbarsch sind schließlich Kichererbsen in Creme dabei.

Bei einem Business-Lunch isst man immer nur zwei Gänge, sagt er, nichts Übertriebenes, es geht ums Reden, das Essen soll sich nicht in den Vordergrund drängen. Wein ist okay, ob getrunken wird, bestimmt der Gast. Man bestellt keine Flaschen, sondern glasweise, weiß, Riesling, da gehen problemlos zwei oder drei, wir sind ja Österreicher. Apropos: Rotwein nur freitags, da gleitet man aus dem Mittagessen sowieso sanft ins Wochenende. Das Lokal soll gut erreichbar sein; will man gesehen werden, dann geht man ins Fabios oder ins The GuestHouse, will man das nicht, dann in ein Wirtshaus oder ins Steirereck. Da ist mittags wenig los, weil es viele für zu nobel halten, dabei ist das Preis-Leistungs-Verhältnis unschlagbar. Und dann natürlich der Faktor Zeit: Ein Geschäftsessen darf nicht länger als 90 Minuten dauern, alles andere wäre Zeitdiebstahl.

„Die Hoffnung auf ein gutes, spannendes Gespräch“ wäre die Voraussetzung, damit er sich mit jemandem trifft, sagt Rosam, während er seine klare Suppe auslöffelt. Es geht aber nicht immer ins Restaurant, manchmal reicht das Interesse auch nur für Snacks im Büro. (Wasser-Suppe-Salat ist also doch nicht das kleinstmögliche Menü, hurra!) Manche trifft er nur ein Mal, andere häufiger, mit Sebastian Kurz geht er zehn Mal im Jahr essen – seit zehn Jahren.

 

Wenn man so will, dann ist ein Business-Essen oft auch ein Beratungsgespräch, aber eines, bei dem man keinen Stundensatz verrechnen kann. Anwälte gehen deswegen ungern essen, sagt Rosam.

Ein Mittagessen ist eine gute Gelegenheit, jemand kennenzulernen: Würgt er Essen einfach gedankenlos rein (schlecht) oder überzelebriert er (auch schlecht)? Kann er mit Besteck umgehen („Da gibt es oft Überraschungen“) und mit Menschen („Wenn jemand grundlos unangenehm zum Personal ist, treffe ich ihn kein zweites Mal“)? Beim Geschäftsessen redet man übers Geschäft, aber nicht zu direkt („Man hält keine Verkaufspräsentation und hat auch keine Verträge mit dabei“). Außerdem sollte man das Gespräch weder zu investigativ noch zu vortragend anlegen. Der Einzige, der sich da nicht daran hält, ist Sebastian Kurz: „Der erzählt nichts, sondern will nur deine Einschätzungen hören.“ Wenn man so will, dann ist ein Business-Essen oft auch ein Beratungsgespräch, aber eines, bei dem man keinen Stundensatz verrechnen kann. Anwälte gehen deswegen ungern essen, sagt Rosam. Grasser-Anwalt Manfred Ainedter dürfte es als einer der wenigen nicht mehr notwendig haben, um jede abrechenbare Stunde zu fighten.

Generell geht Rosam mit Politikern aus allen Parteien essen, am liebsten mit Sozialdemokraten, die sind „die größeren Genießer. Sozis kennen sich beim Essen und vor allem beim Wein aus. Besser als die meisten Schwarzen.“ Wobei es natürlich Ausnahmen gibt: Harald Mahrer zum Beispiel. Der hat mal für Rosam als PR-Berater gearbeitet, ist heute Chef der Wirtschaftskammer und wurde damit bekannt, dass er am Höhepunkt des Lockdowns im „Falstaff“ ein Interview mit dem Titel „Genießen wir wieder“ gab. Mit einer Magnum Flasche in der Hand.

Apropos bezahlen: Wer übernimmt die Rechnung? Da gibt es keine klaren Regeln, sagt Rosam, gefühlt immer der, von dem die Initiative zum Termin ausging. Oder der, der von dem Gespräch am meisten profitiert. Er selbst hat im Fabios jedenfalls ein Konto. Nur bei Politikern ist das anders. Aus Angst vor schlechter öffentlicher Nachrede nehmen sie die Rechnung immer auf ihre Spesen. Problematisch sind auch die Compliance-Vorgaben mancher Unternehmen. Zu teure Restaurantrechnungen kommen da nicht gut. Gleiches gilt für abgefütterte Beamte. Da sind die Regeln noch strenger, außer sie heißen Thomas Schmid und sind Generalsekretär im Finanzministerium.

Es ist 13.30 Uhr, Wolfgang Rosam schaut auf die Uhr, meine 90 Minuten sind um. Ein Espresso geht aber noch, sagt er. Der Kellner bringt einen Doppio samt Cantucci, und tatsächlich nimmt Rosam es in die Hand. Für einen kurzen Moment kommt Hoffnung auf. Vielleicht hat ihm der Termin doch so gefallen, dass er noch ein paar Kalorien drauflegt? Aber leider: „Das Cantucci lassen wir weg.“

Markus  Huber

Markus Huber

ist im Hauptberuf Herausgeber des Magazins „Fleisch“ und schreibt für profil alle zwei Wochen die Kolumne „Powerlunch“.