Luxus­fallhöhe

Affäre. EU-Kritik an der kostspieligen Entsendung von Margit Spindelegger nach Wien

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Das in Brüssel erscheinende Wochenmagazin „European Voice“ gilt als Pflichtlektüre für EU-Beamte und Europa-Politiker. Vergangenen Donnerstag zitierte die englischsprachige Zeitschrift ausführlich den profil-Artikel über die Entsendung von Margit Spindelegger vom Europäischen Rechnungshof in Luxemburg an die österreichische Kontrollbehörde in Wien. Unter dem Titel „Money well spent?“ erinnerte das Blatt sarkastisch daran, dass Österreich zu jenen neun EU-Staaten gehört, die erst vor Kurzem wieder deutliche Kürzungen beim EU-Budget und beim Personal forderten. „Die Kürzung der Gehälter und Zulagen von Bediensteten, die nicht für die EU-Institutionen arbeiten, sondern entsandt wurden, spart möglicherweise nicht viel Geld. Aber sie würde – zumindest in Österreich – einen mächtigen symbolischen Effekt auslösen“, bemerkte die „European Voice“ spöttisch.

Neue Recherchen von profil belegen, dass die Anfang 2008 erfolgte Entsendung der Gattin des damaligen Zweiten Nationalratspräsidenten Michael Spindelegger nach Wien – anders als von ÖVP-Kreisen dargestellt – kein gewöhnlicher Karriere-schritt einer tüchtigen EU-Beamtin war. Die Versetzung (EU-Fachbegriff: „Secondment“) der damaligen Kabinettschefin des aus Österreich stammenden Rechnungshofpräsidenten Hubert Weber nach Wien unter Wahrung ihrer hohen EU-Bezüge erfolgte „auf Ersuchen des österreichischen Rechnungshofes“, erklärt der Pressesprecher des EU-Rechnungshofes (ECA), Aidas Palubinskas, in einem E-Mail an profil. Die Verlängerung der Entsendung „erfolgte zweimal auf Ersuchen des österreichischen Rechnungshofes“, erstmals von 2010 bis 2011, dann noch einmal „für eine letzte Verlängerung“ von Anfang 2012 bis Ende 2013. Solche Abordnungen seien wegen des gegenseitigen Austausches von Erfahrungen in allen EU-Institutionen gebräuchlich, so Palubinskas.
Freilich steht im Normalfall hinter einer Entsendung „im dienstlichen Interesse“ die EU-Stammorganisation. Bei Spindelegger setzte sich der Rechnungshof in Wien durch. Der frühere Rechnungshof-Präsident Franz Fiedler zeigte sich im Gespräch mit profil verwundert. „In meiner Amtszeit schickten wir Beamte nach Luxemburg und bekamen keine Leiharbeiter vom Europäischen Rechnungshof.“

Sinn und Erkenntnisse
Hochrangige Mitarbeiter des EU-Rechnungshofes in Luxemburg stellen im Gespräch mit profil neuerlich die Frage nach dem Nutzen für den europäischen Steuerzahler. „Der Europäische Rechnungshof bezahlt sechs Jahre lang hunderttausende Euro für Frau Spindelegger, obwohl sie gar nicht für uns tätig ist. Welche großen Erkenntnisse hat ihre Arbeit in Wien für uns gebracht?“, kritisiert ein hoher ECA-Funktionär: „Wir wissen doch, wie nationale Rechnungshöfe kontrollieren. Und Österreichs Verwaltung gehört ohnehin zu den besten. Da gibt es andere EU-Länder, die mehr Entwicklungshilfe von uns benötigen würden.“ Außerdem: Wäre die Entsendung nach Wien so wichtig, müssten an alle 27 nationale Rechnungshöfe Experten verliehen werden. Es sind aber nur sechs, darunter Spindelegger und ein weiterer Österreicher. Zudem gibt es am Wiener Rechnungshof ohnedies einen eigenen Verbindunsgbeamten zum ECA.

Nach den zuletzt 2010 geänderten internen Regelungen des ECA für „Secondments“ gibt es zwei mögliche Entsendungen, jene „im Interesse des Dienstes“, bei denen die Differenz zu einem niederen nationalen Gehalt samt diverser Zulagen weiter bezahlt wird, oder „auf eigenen Wunsch“, bei dem der EU-Dienstgeber keine weiteren Zahlungen für die Dauer der Entsendung leistet. Der Beamte sollte im Regelfall nicht länger als zwei Jahre seinem alten Dienstort fernbleiben.

Im Fall von Frau Spindelegger wurde die erste Variante gewählt. Rechnungshofpräsident Josef Moser, in dessen Amtszeit Spindeleggers Vertrag samt zwei Verlängerungen fixiert wurde, betont gegenüber profil, die Anstellung sei keinesfalls aus politischen Erwägungen erfolgt: „Es gibt bei uns auch keine Sippenhaftung. Frau Spindelegger war eine hochrangige Mitarbeiterin am Europäischen Rechnungshof und leistet jetzt bei uns als Abteilungsleiterin für den Bereich EU-Finanzmittel hervorragende Arbeit. Ihre Verwendung beim österreichischen Rechnungshof liegt auch im Interesse des europäischen Hofes, mit dem wir einen intensiven Erfahrungsaustausch pflegen.“

Doch in Luxemburg kritisiert ein Personalvertreter die Entsendung Spindeleggers. „Es ist nicht in unserem Interesse, wenn bei uns eine Stelle sechs Jahre unbesetzt bleibt, aber weiterhin Kosten verursacht.“ Die mit Anfang 2013 wirksame Beförderung von Spindelegger in die Dienstklasse AD12 mit einem Bruttobezug von monatlich 11.681 Euro (zwölf Mal im Jahr) habe in Luxemburg unter Kollegen, die für die EU-Institution arbeiten und nicht befördert wurden, Ärger ausgelöst.

Rein rechtlich möge die langjährige Entsendung von Frau Spindelegger nach Wien zwar weitgehend korrekt sein, aber die EU-Regelungen zur Entsendung seien nicht für einen solchen „Luxusfall“ festgelegt worden, so ein EU-Funktionär. Eigentlich verletze schon die erste Tätigkeit Spindeleggers in Wien als normale Prüferin der Verwendung der EU-Agrarsubventionen in Österreich die internen Bestimmungen des ECA für „Secondments“. Wegen der Gefahr eines Interessenskonfliktes sollten nach Artikel 3 der Entscheidung Nr. 44/2010 entsandte EU-Beamte des Rechnungshofes keine Prüfertätigkeit, sondern nur „administrative Aufgaben hinsichtlich Austausch von Erfahrungen und beruflichem Wissen“ erledigen.

Auch Absatz 4 des Artikels 1 der ECA-Bestimmung ist durch Spindeleggers Einsatz in Wien nicht erfüllt. Dort steht, dass die Entsendung eines EU-Beamten an eine nationale Verwaltungsbehörde „nur im Austausch mit einem Beamten der betreffenden nationalen Behörde“ erfolgen darf. Im Klartext: Da ja eine Dienststelle an der Stammorganisation unbesetzt bleibt, sollte die nationale Behörde einen Mitarbeiter nach Luxemburg schicken. Nach profil-Recherchen ist dieser Beamtenaustausch nicht erfolgt, zumindest nicht im Zusammenhang mit der Anstellung von Frau Spindelegger.

Ende dieses Jahres muss sich Margit Spindelegger entscheiden: Entweder sie bleibt im österreichischen Rechnungshof und verzichtet auf ihr höheres EU-Gehalt, oder sie geht zurück nach Luxemburg. „Wir hoffen, dass sie uns erhalten bleibt“, meint Rechnungshof-Präsident Moser.