Kommentar

John Kerry: Erster „grüner“ US-Außenminister

Otmar Lahodynsky. Erster „grüner“ US-Außenminister

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Der neue US-Außenminister John Kerry hat bei seiner Anhörung im US-Senat eine harte Linie angekündigt. Gleichzeitig betonte der Vietnamkriegs-Veteran, dass er Außenpolitik keineswegs „nur aus Drohnen und Verlegung von Soldaten“ definiert sehe. Kerry kündigte auch eine Führungsrolle der USA bei „lebensbedrohlichen Fragen wie dem Klimawandel“ an. Denn Kerry ist ein Politiker mit ökologischen Prinzipien.
Der 68-jährige US-Senator wird somit für die EU ein wichtiger Verbündeter beim Umweltschutz sein. Dass er auf diesem Sektor Europa als Vorbild sieht, hat er 2007 in einem Interview im „profil“ bekräftigt. „Die EU ist uns Amerikanern ein großes Stück voraus: Sie hat die Chemikalien-Richtlinie REACH beschlossen, wonach jede einzelne Chemikalie auf ihre Gefährlichkeit für die Umwelt untersucht wird. In Europa wurden bereits 250 Substanzen verboten, in den USA nur fünf.“

Die EU sei auch beim Energiesparen und bei der Wärmedämmung von Gebäuden führend, so Kerry, dessen Großvater aus der Doanumonarchie in die USA auswanderte. Mit grüner Technologie könne man zudem viele neue Jobs schaffen, so Kerry bei der Präsentation seines Buchs „This Moment on Earth“, das er gemeinsam mit seiner Gattin Theresa Kerry-Heinz schrieb.

"Europa ist uns weit voraus"
(profil" Nr. 19/07 vom 07.Mai 2007)

US-Senator John Kerry, 2004 Präsidentschaftskandidat der Demokraten, über das wachsende Interesse an Umweltthemen in den USA, den Vorsprung der EU und den Rückzug aus dem Irak.

profil: Nach Al Gore sind Sie der zweite US-Senator und ehemalige Präsidentschaftskandidat der Demokraten, der sich für grüne Politik einsetzt und zu diesem Thema nun ein Buch veröffentlicht. Kann man mit Umweltthemen in den USA wirklich Wahlen gewinnen?
Kerry: Mein Buch, das ich gemeinsam mit meiner Frau Teresa, einer engagierten Umweltaktivistin seit jeher, geschrieben habe, soll den Amerikanern zeigen, dass grüne Politik auch in den USA notwendig und durchaus machbar ist. Wenn wir es richtig anpacken, können wir mit Umwelttechnologie auch viel Geld verdienen, neue Jobs schaffen und gleichzeitig Natur und Umwelt für künftige Generationen bewahren.

profil: Bis vor Kurzem hat US-Präsident George W. Bush die bloße Existenz der Erderwärmung bestritten.
Kerry: Noch vor wenigen Wochen haben Neokonservative wie Newt Gingrich den Treibhauseffekt als wissenschaftlichen Unsinn abgetan. Die Regierung von George W. Bush hat auf diesem Gebiet klar versagt. Ein Beispiel: Unter Bush wurde das früher geltende "Polluter pays"-System, wonach der Verschmutzer zahlen muss, abgeschafft. Jetzt müssen Betroffene nachweisen, dass sie geschädigt wurden. Die EU ist uns Amerikanern da ein großes Stück voraus: Sie hat die Chemikalien-Richtlinie REACH beschlossen, wonach jede einzelne Chemikalie auf ihre Gefährlichkeit für die Umwelt untersucht wird. In Europa wurden bereits 250 Substanzen verboten, in den USA nur fünf.

profil: Die EU ist also Vorbild für die USA?
Kerry: Beim Energiesparen oder bei der Wärmeisolierung von Gebäuden ist Europa viel weiter fortgeschritten als wir. Wenn wir Amerikaner nach Europa reisen, staunen wir oft über Details: In Hotelzimmern geht das Licht aus, wenn man das Zimmer verlässt. Rolltreppen starten erst dann, wenn man sie betritt. Wo sieht man so etwas bei uns? Auch bei öffentlichen Verkehrsmitteln ist Europa führend.

profil: Werden die USA das Kioto-Protokoll zur verpflichtenden Senkung des Ausstoßes von Kohlendioxid doch noch unterzeichnen?
Kerry: Unter dem amtierenden Präsidenten sicher nicht. Aber manche US-Staaten gehen auf diesem Gebiet schon allein voran. Wir werden in diesem Jahr dazu jedenfalls sehr ernsthafte Debatten im Kongress erleben. Ich selber habe neue Gesetzesinitiativen eingebracht, die hoffentlich auch beschlossen werden. NASA-Experten haben mir versichert: Es gibt ein Zeitfenster von etwa zehn Jahren, in dem wir die Erderwärmung noch stoppen können.

profil: Beim Benzinverbrauch amerikanischer Autos ist noch keine Wende zu bemerken.
Kerry: Wir müssen den Erdölverbrauch drosseln und alternative, nachwachsende Rohstoffe wie Biodiesel einsetzen. Wenn wir es wirklich wollten, gäbe es bei uns das Auto, das pro Gallone (3,8 Liter, Anm.) 100 Meilen (160 Kilometer, Anm.) weit fährt, schon längst. Die Politik muss lediglich die Prioritäten anders setzen. Ein kleines Beispiel: Wenn wir die Kosten nur einer Woche unseres Einsatzes im Irak anders verwendeten, könnte man damit an allen Tankstellen in den USA eine eigene Zapfsäule für alternativen Treibstoff einrichten.

profil: Zum Krieg im Irak: Sie setzen sich schon seit längerer Zeit für einen Rückzug der US-Truppen aus dem Irak ein. Sollte dieser - wie jüngst vom demokratisch dominierten Kongress beschlossen - in einem Jahr stattfinden?
Kerry: Ich bin davon überzeugt. Wir haben deshalb im Senat eine entsprechende Resolution verabschiedet. Aber natürlich sind noch einige Schritte nötig, um dieses Ziel zu erreichen. Die Regierung von George W. Bush kümmert sich zu wenig um politische Vereinbarungen, die dafür notwendig wären. Niemand von uns will dort Chaos hinterlassen, niemand hat Interesse, dass im Irak ein "failed state", ein gescheiterter Staat, entsteht. Aber ohne eine politische Lösung für den Irak, ohne neue politisch-diplomatische Initiativen wird es nicht gehen. Und unsere Truppen allein können das Problem sicher nicht lösen.

profil: Wie lautet Ihre Prognose für die Präsidentenwahlen 2008? Wer sollte für die Demokraten ins Rennen gehen?
Kerry: Es ist noch viel zu früh, darüber zu spekulieren. Wir Demokraten haben einige gute Kandidaten. Der oder die Beste wird für uns antreten. Wichtig ist, dass die Politik dieses Präsidenten endlich gestoppt wird.

John Kerry, 69. Der frühere Rechtsanwalt wurde in seinem Bundesstaat Massachusetts viermal in den US-Senat gewählt. Für die Demokraten trat er 2004 bei den Präsidentenwahlen gegen George W. Bush an und setzte im Wahlkampf auch auf Umweltthemen. Im Senat gehört er den Ausschüssen für Außenpolitik, Handel, Wissenschaft und Transport an. Seit 1995 ist er in zweiter Ehe mit Teresa Heinz aus der Ketchup-Dynastie verheiratet. Sein Großvater stammt aus Österreich-Ungarn und wanderte 1904 in die USA aus.