Dauerunruhe in der ÖVP

ÖVP. Michael Spindelegger plant einen Befreiungsschlag

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In der Parteizentrale wird schon an der Endfassung der Ansprache gearbeitet. Am 14. Mai wird ÖVP-Chef Michael Spindelegger in der Wiener Hofburg eine staatstragende „Österreich-Rede“ halten. Damit will der unter miserablen Umfragewerten, Blockaden der Länderfürsten und Ungehorsam unter ÖVP-Abgeordneten im Nationalrat leidende Vizekanzler wieder Führungsstärke demonstrieren.

Die ausgewählten Themen sind freilich wenig überraschend. Wie ein ÖVP-Stratege verrät, wird Spindelegger ein Bekenntnis zu Leistungsträgern, direkter Demokratie, Europa und Wirtschaftsstandort, zur Förderung des Mittelstands sowie Ökologie ablegen. Dazu wird er – als Reaktion auf die SPÖ-Initiative „Österreich 2020“ – die eigene Vision für die Zukunft des Landes schildern. „Jeder Österreicher soll sich mit Fleiß und Strebsamkeit seinen Lebenstraum erfüllen können. Und unsere Politik wird jeden dabei unterstützen“, gibt ein enger Vertrauter Spindeleggers die wenig aussagekräftige Leitlinie vor.

Die Festrede dient ein Jahr vor den nächsten Nationalratswahlen bereits als Positionierung für den Wahlkampf. Als klarer Gegner soll daher auch FPÖ-Chef H. C. Strache angesprochen werden, ohne eine spätere Koalition mit ihm auszuschließen. Als Regierungspartner der SPÖ will die Volkspartei ihre Beiträge künftig sichtbarer machen. Noch diese Woche wird dazu ein von Spindelegger initi­ierter Think Tank „Österreich 2025“, in dem auch SPÖ-Vordenker sitzen, präsentiert.

Spindelegger hatte zuletzt mit zahlreichen Querschüssen aus dem eigenen Lager zu kämpfen. Dass im Untersuchungsausschuss zur Korruption die ÖVP als Hauptschuldige am Pranger steht, sorgte in schwarzen Landesbastionen für heftige Kritik. „Es ist ein Wahnsinn, dass nur wir kritisiert werden, als ob die Meischbergers und Rumpolds alle zu uns gehören“, so ein ÖVP-Stratege aus Oberösterreich. „Da fehlt es an den richtigen Strukturen bei der Kommunikation.“ ÖVP-General­sekretär Hannes Rauch habe dies sträflich vernachlässigt.

In den schwarzen Landesparteien lösten zudem die strengen Vorgaben der Finanzministerin Maria Fekter beim Beitrag der Länder zum Sparpaket einen Aufstand aus, zuletzt auch die Reform des ORF-Gesetzes, durch das die Mitsprache der Ländervertreter im Stiftungsrat beschränkt werden soll. Vergangene Woche schlitterte die Volkspartei dazu noch tief in personelle Querelen. Der langjährige Nationalratsabgeordnete Ferry Maier griff vergangenen Mittwoch in der Ö1-Sendung „Im Klartext“ öffentlich ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf als „überfordert“ an und verkündete seinen vorzeitigen Rücktritt.

Anlass dafür war das Redeverbot, das ihm zuvor Kopf auferlegt hatte. Maier, der wegen seiner Kritik an teuren ÖBB-Tunnelprojekten schon zuvor sein Amt als Verkehrssprecher verloren hatte, durfte nicht erklären, warum er gegen die über 30 Milliarden Euro teuren Tunnelbauten gestimmt habe. „Der Wert des freien Mandats bedeutet mir viel“, erklärte Maier. „Ich kann Redeverbote nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Also gehe ich früher als geplant.“

In der Bundespartei wird das Ausscheiden Maiers gelassen hingenommen. „Das ist doch eine Chance für einen Neuanfang, wenn solche bekannten Störenfriede den Hut nehmen“, heißt es dort.

Unter den 63 schwarzen Abgeordneten häufen sich aber Klagen über mangelnde Koordinierung im schwarzen Klub und dreiste Vorgaben der Regierung. „Es ist unbestritten, dass im ÖVP-Klub ein Kommunikationsbedarf besteht“, erklärt Günther Stummvoll. „Ich bin für eine Disziplin im Klub, aber gegen den Klubzwang. Wenn zwei, drei ÖVP-Mandatare manchmal auch gegen die Parteilinie abstimmen, ist das noch lange kein Drama.“

ÖVP-Mandatar Michael ­Ikrath kritisiert den wachsenden Druck der Regierung auf die Abgeordneten. Bei der Verkleinerung des Nationalrats habe es keine ehrliche Debatte gegeben. „Wer Nein sagt, wird zum Täter gestempelt, der die Einheit der Partei gefährdet.“ Auch Ikrath überlegt, ob er noch einmal kandidieren soll.

Zu den Schwachstellen der ÖVP gehören auch anhaltende Gerüchte über eine Ablösung von schwarzen Politikern. Finanzministerin Maria Fekter könnte Klubchef Kopf ersetzen, hieß es aus Landesparteien. Seit sie das Steuerabkommen mit der Schweiz im Eiltempo abschließen konnte, sitzt sie freilich wieder fester im Sattel.

„Unsere Finanzministerin hat sich mit ihrer polternden Art im Kreis der EU-Finanzminister keine Freunde gemacht“, spottet der frühere EU-Kommissar Franz Fischler. „Auch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble tritt manchmal lautstark auf, aber da steckt im Gegensatz zu Fekter immer Substanz dahinter.“

Fischler sieht in Spindeleggers Team nur drei Minister über jede Kritik erhaben: Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle, Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Staatssekretär Sebastian Kurz.

Agrar- und Umweltminister Niki Berlakovich muss sich harte Kritik aus den eigenen Reihen gefallen lassen. In dem von Niederösterreich beherrschten Bauernbund hat der Burgenländer kein leichtes Spiel. Zuletzt geriet er mit hohen Kosten für Auslandsreisen und Inserate in die Schlagzeilen.

Doch in der Bundespartei wird ein Austausch von Re­gierungsmitgliedern in der nächsten Zeit klar ausgeschlossen. Eine kleinere Umbildung könnte allenfalls einige Monate vor den nächsten Wahlen sinnvoll werden, aber nicht jetzt.

Der Politikberater Thomas Hofer erkennt strategische Fehler. „Das Problem der ÖVP löst sich nicht mit dem Austauschen von ein, zwei Ministern. Die Regierungsmannschaft tritt nicht als Team auf. Spindelegger fehlen die Flankenspieler. Leute wie Mitterlehner, Fekter oder Kurz muss man positionieren, um aus dem Reservoir mehr herauszuholen.“

Zumindest die sonst in der ÖVP beliebte Tradition des Sägens am Obmannsessel blieb Spindelegger bislang erspart. Noch schrecken davor auch mächtige Landesfürsten zurück, allen voran Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll, der den Außenminister an die Parteispitze gehievt hat.

„Wir stehen voll hinter Spindelegger und seinem Kurs“, heißt es in St. Pölten, wo man aber eine Sorge hat: Die Schwäche der Bundespartei könnte sich für Erwin Pröll negativ auf die Landtagswahlen 2013 auswirken.