Austro-Legende

Im ersten Stock stemmte er seine ersten Kilos

In Thal bei Graz wird Arnold Schwarzenegger seit zwölf Jahren in einem eigenen Museum gefeiert. Abstecher in ein Haus, in dem Träume wahr wurden

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In Thal bei Graz gibt es mindestens drei Sehenswürdigkeiten. Da wäre die vom Maler Ernst Fuchs erbaute Pfarrkirche, die in sanfter Hügellandschaft wie ein Fiebertraum mit hellrotem Kirchturm wirkt. Um die Ecke vom Gotteshaus findet sich das weltweit einzige ArnoldSchwarzenegger-Museum, einst das Haus Thal 145, heute Linakstraße 9. Schließlich ist da noch Peter Urdl, Ex-Kaffee-Vertreter und ehemaliger Thaler Langzeitbürgermeister, Arnold-Freund aus Kindertagen, Erfinder der Schwarzenegger-Wanderwege, Initiator und guter Geist des 2011 eröffneten Museums in der Linakstraße. Mit einem Wort: Urdl ist eine Thaler Attraktion.

Von einem, der in die Welt zog

Ein bullig heißer Juninachmittag im Schwarzenegger-Museum. Das Haus am Hügel ist halb Erinnerungsort, halb Ausstellung. Man muss sich Thal in der Nachkriegszeit als einen Flecken am Ende aller Straßen vorstellen, als von Zeit und Welt vergessenen Weiler. Die Schwarzeneggers wohnten mit den Kindern Arnold, geboren 1947, und dem ein Jahr jüngeren Meinhard im ersten Stock von Haus Thal 145. Der GendarmenVater war ein Dauerprügler und Kontrollfanatiker, die Mutter die personifizierte Sanftmut und eine sagenhafte Schnitzelköchin.

8. August 1966. Das Datum ist wichtig. An jenem Tag ließ Arnold Schwarzenegger nach abgebrochener Bäckerlehre und der Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann Thal hinter sich. „Der Beginn eines Märchens“, sagt Peter Urdl. Von einem, der in die Welt zog. Schwarzeneggers Weg von der Thaler Dreizimmerwohnung mit Plumpsklo in das Hollywood-Anwesen in der Chalon Road, Los Angeles, ist auch für Urdl nicht ganz einfach zu begreifen. Inzwischen ist Thal die Welthauptstadt angewandter Schwarzenegger-Liebhaberei und unter Schwerathletik-Aficionados und Kampfkino-Connaisseuren so bekannt wie der Ort Cognac unter Weinbrandfreunden. Urdl hat dazu eine so hübsche wie hintersinnige Anekdote parat: Ein Besucher aus Polen, erinnert er sich, habe einst papstmäßig den Asphalt vor dem Museum auf Knien geküsst. St. Arnold. Genius musculi.

Urdl, strahlend weißes Lachen, blaue Jeans mit Gürtelschnalle, Texas-Style, ist 76 Jahre alt und mit der Energie eines 30-Jährigen ausgestattet. Er läuft treppauf und -ab, telefoniert und organisiert, kümmert sich um Medien und Museumsbesucher. Dem Wiener Investor Christian Baha gehört das Haus in der Linakstraße. Urdl belebt es Tag für Tag.

In seiner Welt gibt es nach Maßgabe kein „Sie“. Er ist mit allen sofort per Du und erfüllt en passant Bubenträume: Der halbwüchsige Museumsbesucher aus der Ukraine darf sich auf die Harley-Davidson Fat Boy aus „Terminator II“ setzen. Später drückt ihm Urdl das „Conan“-Schwert in die Hand. Papa fotografiert voller Stolz den Sohnemann mit Säbel. Irgendwann zupft Urdl dem bis auf einen schwarzen Slip entblößten, mannshohen PlastikArnold in eingefrorener Starker-Mann-Pose das Höschen zurecht. Es ist ein Augenblick, der viel über die Beziehung der beiden erzählt.

Schwarzenegger ist das Bodybuilding-Urmeter auf zwei Beinen, der Kinotitan und einstige Gouverneur Kaliforniens. Spricht Urdl in seinem erdigen Steirisch über Schwarzeneggers Leben, vermischen sich Terminator und Governor zu einem fantastischen Fabelwesen, dem liebenswürdigen Zwilling jenes vier Meter hohen Endoskeletts im Garten, das mit Mega-Kanone zu fuchteln scheint und giftig in die Gegend schaut.

Urdl lebt in der Arnie-Welt. Man kann ihn nicht verstehen, wenn man den Beginn seiner Verbindung zu Schwarzenegger nicht berücksichtigt. Arnold und Peter kennen einander seit Volksschultagen. Die Schulbank steht heute im Museum. Arnold saß links, Peter rechts. Die endlosen gemeinsamen Sommer am Thalersee. Die englischsprachigen Bodybuilding-Magazine, die der Bademeister ins Steirische übersetzte. Weiß der Himmel, weshalb Schwarzenegger bereits mit 13 Jahren von Muskelbergen und dem fernen Land über dem Atlantik träumte. „Arnold war davon überzeugt, dass er dereinst Mr. Universum und Schauspieler werden würde“, erinnert sich Urdl. „Ich wusste zu jener Zeit nicht einmal, dass es die USA überhaupt gibt, während jedes zweite Wort von Arnold ,Amerika‘ war.“ Später lobte die Volksschullehrerin Dora ihre Buben: „Der eine wurde Gouverneur in Kalifornien, der andere Thaler Bürgermeister.“

Prost mit Zirbenschnaps

Über den hinter der kolossalen Kunstfigur hervorlugenden Schwarzenegger lässt sich immerhin sagen, dass er mit Urdl alle paar Tage via FaceTime telefoniert, zuletzt kam der Anruf aus São Paulo. Urdl kann nur vermuten, was Schwarzenegger gerade in Brasilien treibt. Der ferne Freund wollte wie immer wissen, was es Neues und Interessantes in der alten Welt gibt. Schwarzenegger hat sich mit Urdl einen unübertrefflichen Gewährsmann ausgesucht. Urdl redet gern und viel und bringt die Dinge auf den Punkt. Wenn „Terminator“-Regisseur James Cameron einen Sidekick mit geballtem Witz und rauem Charme gebraucht hätte, wäre Urdl die Idealbesetzung gewesen. Auf dem Foto seiner Visitenkarte sitzt er gemeinsam mit Schwarzenegger unter dem Blätterbaldachin hinterm Museum und prostet mit Zirbenschnaps in die Kamera. Jedes Jahr schickt Urdl einen geweihten Palmbuschen nach Los Angeles. Schwarzenegger wiederum erfreut seine Thaler Uraltfreunde Karli, Kurti, Eddie und Peter mit selbst gemalten Jahreskalendern. Der Oktober 2023 zeigt einen grinsenden Kürbis, der November einen gefährlich fröhlichen Schneemann vor US-Banner. „Arnold sagt oft, er habe 1000 Freunde“, lacht Urdl: „Davon seien aber nur ganz wenige gute dabei. Unsere ehemalige Volksschulklasse ist längst aufmindestens 3000 Schüler angewachsen, so viele meinen, mit Arnold gut bekannt zu sein.“

Was Schwarzeneggers globale Größe angeht, kennt Urdl keinen Pardon. Er führt durch das Museum wie ein stolzer Vater durchs Kinderzimmer. „Alles wird hier vermarktet“, sagt er. Es ist ein sehr amerikanischer Satz, voller Listigkeit und Lässigkeit, der für europäische Ohren eher befremdlich klingt. „Du, schau“, das ist ein anderer von Urdls Lieblingssätzen. So fängt er viele seiner Geschichten über Schwarzenegger an. Du, schau, die vielen Flicken auf der Tuchent, die im Museum auf Schwarzeneggers über die Jahrzehnte gerettetem Kinderbett liegt: „Arnold konnte als Kind oft nicht einschlafen. Deshalb hat er an der Decke genuckelt. Die Löcher musste man immer wieder flicken.“ Daneben hat Klein Arnold in dem braunen Stahlrohrbett bereits große Träume fantasiert. Du, schau, das freigelegte Fresko mit einer Jagdszene beim Treppenaufgang im 1806 errichteten Haus 145: „Als Kind schlich Arnold voller Angst die Stiege hinauf. Auch Herkules hat klein angefangen.“ Einmal noch: Du, schau, die von Arnold selbst gebaute Hantel aus Stahlabfall vom Altwarentandler: „38 Kilogramm wiegt das Ding. 54 Mal hat es der junge Arnold in einem Durchgang gestemmt.“ Manchmal ist einem Peter Urdl fast schon unheimlich, so genau weiß er um Leben und Leistung Arnold Schwarzeneggers Bescheid.

 

Urdl ist eine Art ArnoldEckermann. Schwarzenegger bleibt bis auf Weiteres dabei, ein Träumer zu sein. Über dem Kinderbett im Museum hängt eine Fotogalerie, die Schwarzenegger als Jugendlichen und jungen Muskelmann zeigt und von jenen Momenten berichtet, die zur großen Arnold-Erzählung gehören. Auf einem der Fotos liegt ein in die Jahre gekommener Schwarzenegger noch einmal weltentrückt in seinem Kinderbett.

Wolfgang   Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.