Ex-Ministerin Sophie Karmasin
INVESTIGATIV

Karmasin-Prozess: Zeugen widersprechen Ex-Ministerin bezüglich Studienvergaben

Hat sich Sophie Karmasin Aufträge des Sportministeriums durch Angebotsabsprachen mit anderen Meinungsforscherinnen erschlichen? Die Ex-Ministerin behauptet, das Ministerium habe sie eigentlich schon zuvor beauftragt gehabt. Das schildern Zeugen vor Gericht nun anders.

Drucken

Schriftgröße

Es ist ein zentraler Punkt der Verteidigungsstrategie von Ex-ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin-Schaller, die sich derzeit bekanntlich in einem Strafprozess vor Gericht verantworten muss: Die Meinungsforscherin habe sich mehrere Studienaufträge des Sportministeriums nicht durch Angebotsabsprachen mit anderen Berufskolleginnen erschlichen, so die Argumentationslinie. Faktisch sei sie längst vom Ministerium beauftragt gewesen, als man dort auf die Idee gekommen sei, Vergleichsangebote einzuholen. Diese wären jedoch lediglich zur internen Dokumentation im Ministerium gedacht gewesen – nicht für die Vergabeentscheidung. Das sei vielleicht unschön, aber nicht strafbar: So lautete – stark zusammengefasst – eine der Schlussfolgerungen von Karmasins Verteidiger Norbert Wess beim Prozessauftakt am vergangenen Dienstag.

Heute, Donnerstag, wurden erste Zeuginnen und Zeugen zum Verdacht der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen befragt. Unter ihnen war auch ein früherer Mitarbeiter des Sportministeriums, der als Sachbearbeiter in die ersten zwei von insgesamt drei Studienvergaben involviert gewesen war. Der Richter fragte den Zeugen, ob es im Jahr 2019 tatsächlich bereits bei einem Vorgespräch eine Zusage an Karmasin gegeben habe, dass diese einen Studienauftrag erhalten würde. „Nein, definitiv nicht“, lautete die Antwort. Man habe zwar grundsätzliches Interesse, aber intern keine Freigabe gehabt. Man sei auch noch beim Verhandeln gewesen: Es habe „schon aus verhandlungstechnischen Gründen sicher keine Zusage“ gegeben.

Nur zur internen Dokumentation?

Tatsächlich holte das Ministerium noch zwei weitere Angebote ein. Diese sollen laut Anklage jedoch mit Karmasin koordiniert gewesen sein. Letztlich erhielt die Ex-Ministerin den Zuschlag. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft Karmasin nun diesbezüglich wettbewerbsbeschränkende Absprachen vor. Sie bestreitet das. Karmasin-Anwalt Wess erklärte zu Prozessbeginn, das Ministerium habe „von Anfang an nur mit Karmasin“ zusammenarbeiten wollen. Es hätte den Auftrag auch direkt vergeben können. Weitere Angebote seien „nur zur internen Dokumentation“ eingeholt worden.

Der frühere Sachbearbeiter aus dem Sportministerium sagte am Donnerstag allerdings als Zeuge, eine Beauftragung, bevor dann doch noch ein Vergabeverfahren durchgeführt wird, habe er „eigentlich noch nicht erlebt. Da hätte ich mich wahrscheinlich auch dagegen gewehrt. Das verletzt so viele Grundregeln.“ Wusste der Mann etwas von allfälligen Absprachen? „Natürlich nicht“, gab der frühere Ministeriumsmitarbeiter unter Wahrheitspflicht zu Protokoll.

Chat mit Sektionschef

Ins selbe Horn stieß der zuständige Sektionschef des Sportministeriums Philipp Trattner, der ebenfalls als Zeuge befragt wurde und vorliegenden Ermittlungsergebnissen zufolge auch direkt in Kontakt mit Karmasin gestanden hatte. Ein Vertreter der WKStA wollte von Trattner wissen, ob sich dieser erklären könne, weshalb die Ex-Ministerin zu dem Eindruck gelangt wäre, bereits vor der späteren Einholung weiterer Angebote beauftragt worden zu sein. „Nein“, gab der Spitzenbeamte zu Protokoll.

Zuvor war Trattner vom Richter übrigens ein Chatverkehr zwischen ihm und Karmasin vorgehalten worden. Diesem zufolge ließ die Ex-Ministerin den Sektionschef im Jahr 2020 wissen, dass es in der Meinungsforschung „gerade wenig Nachfrage“ gebe. Trattner antwortete: „Da finden wir eine Lösung.“ Er könne sich nicht mehr erinnern, worum es bei diesem Chat genau gegangen sei, sagte Trattner nun als Zeuge. Er habe Karmasin „nichts versprochen“. Wenn es ein passendes Projekt gegeben hätte, hätte sie ein Angebot abgeben können.

Beinschab-Aussage verschoben

Durch die umfassende Befragung der Minsteriumsmitarbeiter blieb am Donnerstag keine Zeit mehr für den mit Hochspannung erwarteten ersten Auftritt der Kronzeugin Sabine Beinschab vor Gericht. Die frühere Karmasin-Vertraute hat sich entschieden, mit den Ermittlern zu kooperieren. Sie soll selbst in die mutmaßlichen Absprachen involviert gewesen sein. Außerdem kommt ihr eine wichtige Rolle in Zusammenhang mit nach wie vor laufenden Ermittlungen zu, die sich unter anderem gegen den früheren Bundeskanzler Sebastian Kurz richten – profil berichtete wiederholt. Kurz hat sämtliche Vorwürfe immer bestritten. Beinschab soll im Karmasin-Verfahren nun erstmals am 16. Mai vor Gericht aussagen.

Ex-Ministerin Karmasin muss sich aktuell nicht nur wegen des Verdachts wettbewerbsbeschränkender Absprachen vor Gericht verantworten, sondern auch wegen des Vorwurfs des schweren Betrugs: Sie soll nach ihrem Ausscheiden aus der Politik eine Fortzahlung als Ministerin kassiert haben, obwohl sie nebenher bereits andere Einkommensquellen hatte. Die WKStA spricht diesbezüglich von „Sozialleistungsbetrug“. Karmasin-Anwalt Wess bezeichnete zu Verfahrensbeginn die rechtlichen Schlussfolgerungen der Anklagebehörde als „schlichtweg falsch“. Ob nach der Verschiebung der Beinschab-Aussage – wie ursprünglich geplant – bereits im Mai ein Urteil fallen wird, bleibt abzuwarten. 

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).