Kriegsverbrechen bei Öl-Suche im Sudan? Ex-OMV-Manager angezeigt
Es ist zweifelsohne eines der dunkleren Kapitel in der Unternehmensgeschichte der OMV: Die Suche nach Öl in einer vom Bürgerkrieg gezeichneten Region im südlichen Sudan. Ab 1997 war der Konzern, der zum Teil der Republik Österreich gehört, Mitglied eines internationalen Projekt-Konsortiums. 2004 warf man das Handtuch, stieg aus und wollte einen Schlussstrich ziehen. Doch nun, 20 Jahre später, könnte die Angelegenheit für einige damalige OMV-Verantwortliche ein Nachspiel haben.
Die österreichische Menschenrechtsorganisation Cehri hat gemeinsam mit der niederländischen Friedensinitiative Pax kürzlich eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien eingebracht. Dies gaben die beiden NGOs am Dienstag in einer Presseaussendung bekannt. Demnach legen sie ehemaligen OMV-Managern Beihilfe zu Kriegsverbrechen zur Last: „Den Geschäftsführern der OMV AG wird vorgeworfen, zwischen 1999 und 2003 an Kriegsverbrechen im Sudan beteiligt gewesen zu sein, insbesondere an der systematischen Tötung von Zivilisten und der Zerstörung von lebensnotwendigen Gütern“, heißt es in der Aussendung. Welche früheren Entscheidungsträger konkret gemeint sind, wurde nicht bekanntgegeben.
„12.000 Menschen ums Leben gekommen“
Pax beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Öl-Projekt im Sudan und seinen Folgen für die Zivilbevölkerung. Cehri wiederum will Menschenrechtsverstößen auf einer internationalen Ebene durch rechtliche Aufarbeitung den Kampf ansagen. Dem Beirat („Advisory Board“) von Cehri gehört unter anderem der renommierte Menschenrechtsexperte Manfred Nowak an.
Nun widmen sich Cehri und Pax konkret dem Wirken der OMV in jenem Öl-Gebiet, das damals zum südlichen Sudan gehörte und heute im autonomen Staat Südsudan liegt: Als sich die OMV vor rund zwei Jahrzehnten dort zurückzog, waren – den beiden NGOs zufolge – „schätzungsweise 12.000 Menschen ums Leben gekommen und 160.000 gewaltsam vertrieben“ worden. OMV-Verantwortliche sollen gewusst haben, dass die Regierung des Sudan bei der Sicherung des Erdöl-Suchgebiets Verbrechen gegen das Völkerrecht begangen habe. Dies habe man – mit Blick auf wirtschaftliche Interessen – bewusst in Kauf genommen „und damit einen Beitrag zu den Verbrechen der sudanesischen Regierung geleistet.“
Schwedische OMV-Partner vor Gericht
Wesentliche Basis für die Anzeige sind offenbar Erkenntnisse aus einem Ermittlungsverfahren in Schweden gegen Verantwortliche der dortigen Ölfirma Lundin. Lundin führte seinerzeit das Sudan-Konsortium an. Zwei hochrangige Manager des schwedischen Unternehmens stehen seit 2023 in Stockholm wegen des Verdachts der Mittäterschaft bei Kriegsverbrechen vor Gericht – sie und die Firma Lundin haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten.
Die OMV hielt seinerzeit einen Anteil von rund 26 Prozent am Konsortium. Cehri und Pax argumentieren, damit hätte der teilstaatliche Konzern aus Österreich „bei allen relevanten Entscheidungen über eine Sperrminorität“ verfügt. Ein Konsortialkomitee, das Strategien und Arbeitspläne beschlossen habe, sei regelmäßig über die Sicherheitslage im Erdölgebiet und über die Einsätze des sudanesischen Militärs und verbündeter Milizen unterrichtet worden. Die Führungsspitze der OMV habe sich jedoch „nie gegen die vom Konsortium getroffenen Entscheidungen ausgesprochen oder sich davon distanziert“.
Preisgekrönte profil-Recherche
Mitte 2022 berichtete profil exklusiv über wesentliche Erkenntnisse zur Rolle der OMV, die sich aus den schwedischen Ermittlungsakten ergeben hatten. Die umfassende Recherche wurde mit dem renommierten Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.
OMV: „Hohes Maß an sozialer Verantwortung“
In Schweden bestehen gegen die OMV und deren früheres Management keine strafrechtlichen Vorwürfe. Nun wird sich zeigen, ob die Staatsanwaltschaft Wien auf Basis der Anzeige ein Ermittlungsverfahren einleitet. Seitens der OMV und verantwortlicher Ex-Manager des Konzerns wurden sämtliche Vorwürfe immer zurückgewiesen. Unter anderem betonte das Unternehmen in der Vergangenheit, dass man selbst nicht Betreiber des Öl-Konsortiums im Sudan gewesen sei und daher auch keine eigenen Mitarbeiter vor Ort gehabt habe. Der damaligen Firmenpolitik zufolge hätten alle „Investitionen, auch in Entwicklungsländern wie dem Sudan, ein hohes Maß an sozialer Verantwortung“ erfordert. Man habe zudem „einige humanitäre Projekte“ unterstützt.
Die OMV selbst dürfte im Falle einer strafrechtlichen Aufarbeitung ohnehin nichts zu befürchten haben: Das sogenannte Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, auf dessen Basis auch Unternehmen belangt werden können, gibt es erst seit 2006. In Bezug auf frühere Manager wird sich die Frage stellen, welche vorgeworfenen Delikte unter Umständen bereits verjährt sind – und welche nicht.
„Hohes Risiko, hoher Ertrag“
Die OMV verkaufte ihre Sudan-Projektanteile im Jahr 2004 (rückwirkend per 1. Jänner 2003) um umgerechnet 105,6 Millionen Euro an ein Unternehmen aus Indien. Laut OMV-Jahresbericht standen diesem Erlös tatsächliche kumulierte Kosten von 57,2 Millionen Euro gegenüber – was rechnerisch einen Gewinn von 48,4 Millionen Euro ergibt. Unter dem – mittlerweile verstorbenen – ehemaligen OMV-Generaldirektor Richard Schenz, in dessen Ära das Sudan-Abenteuer einst gestartet wurde, beteiligte sich der Ölkonzern offenbar gezielt auch an heiklen Projekten. Das Motto: „Hohes Risiko, hoher Ertrag.“