Andreas Spechtl: "Ich empfinde eine gewisse Lähmung"

Der Musiker Andreas Spechtl über sein drittes Soloalbum „Strategies“, politische Kunst und die Zukunft seiner Band Ja, Panik.

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profil: Ihr neues Album nennen Sie schlicht „Strategies“. Wie war die Ausgangslage für Ihr drittes Solowerk? Andreas Spechtl: „Strategies“ ist vielleicht mein erstes richtiges Soloalbum. Die erste Platte war ein Experimentieren nach meiner Band Ja, Panik, eine Art Skizzensammlung, bei der ich viel mit Überbleibseln gearbeitet habe. Das zweite Album war dann die sehr konzeptionelle Iran-Platte, ein Ergebnis meines zweimonatigen Aufenthalts in Teheran. „Strategies“ ist jetzt die erste richtige Platte, die auch ohne Überbau und Geschichte funktioniert.

profil: Was bedeutet „Strategies“ für Sie? Spechtl: Für mich sind die neuen Songs eine Art Inventur. Das sind Themen, seien sie künstlerisch oder politisch, die mich schon mein ganzes Leben umtreiben. Ich wollte mich nach dem hauntologischen Minimalismus von „Thinking About Tomorrow, And How To Build it“ wieder mehr auf die Texte konzentrieren, aber auch die Musik nicht zu kurz kommen lassen. Diesen Spagat wollte ich schaffen.

profil: Die neuen Songs changieren zwischen Technobeats und Pop-Fragmenten, sind offener, treibender und auch eingängiger. Wie entstand dieser neue Sound? Spechtl: Auf „Strategies“ imaginiere ich mir einen Bandsound, bei dem ich mich bewusst auf ein paar Geräte und Instrumente fokussiert habe. Die Klangfarben sollten erkennbar bleiben. Auf der anderen Seite gibt es nur zwei Gastmusikerinnen, die Saxophon und Klarinette spielen.

profil: Mit Ja, Panik haben sie fünf Alben veröffentlicht. Fehlt Ihnen die Bandkonstellation? Spechtl: Natürlich fehlt die Band, auf der anderen Seite kann ich jetzt ohne schlechtes Gewissen den Diktator raushängen lassen. Die Zeit in der Band-WG war wahnsinnig schön, aber manchmal auch ein eigener Sumpf. Man darf nicht vergessen: Nur weil man als Solokünstler aktiv ist, heißt das nicht, dass man alleine auf der Welt ist.

profil: Gibt es Ja, Panik eigentlich noch? Spechtl: Ja, Panik wird es immer geben.

profil: Ihr neues Album hat eine politische Grundierung, ist aber auch tanzbar. Feiern Sie eine Art Aufbruchstimmung? Spechtl: Ich selbst habe nicht so viel Optimismus in mir. Viel wichtiger erscheint es mir, mit meinen Songs eine gewisse Stimmung zu generieren. Wenn ich zum Beispiel an linke Politik und Positionen denke, empfinde ich eine gewisse Lähmung. Das kommt mir alles ziemlich untanzbar vor. Mit Musik kann ich mich selber euphorisieren – egal ob ich sie selber mache oder auf ein gutes Konzert gehe. Wenn Musik nur den Text unterstützt oder umgekehrt, dann ist es entweder Kitsch oder dröge Kopfmusik.

profil: Wollen Sie mit Ihren Songs auch Ihre Hörer wachrütteln? Spechtl: Ich weiß nicht, was für eine Verantwortung man der Musik aufhalsen kann. Meine Hörer haben wahrscheinlich größtenteils ähnliche gesellschaftspolitische Vorstellungen wie ich. Da mache ich mir keine Illusionen. Interessant wäre es, wenn Helene Fischer einen emanzipatorischen Song veröffentlichen würde.

profil: Ein unpolitisches Album wäre für Sie trotzdem nicht denkbar gewesen? Spechtl: Nein, natürlich nicht. Gleichzeitig glaube ich auch nicht an die Unterscheidung von Künstler und Mensch. Die Kunst, die mich interessiert, kann ich nicht von den Menschen unterscheiden, die sie machen. Ganz deutlich hat man im Zuge der #MeToo-Aufarbeitung gesehen. In all den Woody-Allen-Filmen, den Polanski- oder Lars-von-Trier-Filmen gibt es eine gewisse Agenda, da kann man diese Anschuldigungen bereits sehen. Auf Kosten des großen Genies wurde dann gerne darüber hinweggesehen. Im Rückblick wird da vieles sichtbar.

profil: Soll man sich diese Kunstwerke noch ansehen? Spechtl: Natürlich sollte man sie ansehen oder anhören. Es wäre ja absurd, würde man sagen, man schaut sich nur das gute, komplett reine Kunstwerk an. Man kann sich auch einen Leni-Riefenstahl-Film ansehen, wenn man die Geschichte dahinter versteht. Ich will mir ja keinen Film ansehen, der mich nur wohlig einsudelt. Daher sollte man auch nichts verbannen oder verbieten. Man muss ja verstehen lernen, wie tendenziöse oder manipulative Kunst funktioniert.

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.