Ohne Spiele, ohne Blüten: Kein Österreich-Dreh für „The Hunger Games“ und „The White Lotus“
Es hätte so schön werden können. Und so profitabel. Ein Wiener Luxushotel als zentraler Schauplatz der vierten Staffel des Serien-Welterfolgs „The White Lotus“? Das wäre nach Hawaii, Sizilien und Thailand, den Orten der ersten drei „Lotus“-Editionen, der nächste Tourismus-Selbstläufer geworden; denn keine noch so potente Urlaubswerbeagentur kann sich in Sachen Schubkraft mit einer derart populären Serie messen.
Oder der kommende sechste Film der apokalyptischen Kinoreihe „The Hunger Games“ (Die Tribute von Panem): Im Gasteinertal und in Tirol hätte man 25 Drehtage absolvieren, entscheidende Szenen der Romanverfilmung „Sunrise on the Reaping“ (Der Tag bricht an) drehen wollen. Aufwendige Motivtouren im Pongau wurden bereits absolviert. Denn es geht hier nicht um Kleinigkeiten: Die „Hunger-Games“-Franchise hat über 3,3 Milliarden Dollar weltweit eingespielt. Der zweite, erfolgreichste Film der „Hunger Games“-Filmreihe, „Catching Fire“ (2013), hat allein 865 Millionen lukriert, belegt damit einen Platz in der Liste der 100 profitabelsten Filme aller Zeiten. „Sunrise on the Reaping“ agiert mit einem kolportierten Budget von 150 Millionen Dollar.
Nun sind die Mega-Unternehmungen „Hunger Games“ und „White Lotus“ in Österreich gescheitert – und zwar an der seit Monaten lahmgelegten Filmstandortförderung FISA+ (profil berichtete), deren volkswirtschaftliche Wirkung bei errechneten 140 Prozent Durchschnittswertschöpfung schwer zu leugnen ist. Das dort – und auch in der Koproduktionsförderstelle ÖFI+ – versprochene Geld, das internationalen, in Österreich abgewickelten Großproduktionen zur Verfügung stehen und einem angeblich „ungedeckelten“ Budgettopf entnommen werden sollte, ist seit einem knappen halben Jahr versiegt. Zu spät realisierte man offenbar, dass die automatisch bereitgestellten Gelder für Film-, TV- oder Serienproduktionen, die deutlich mehr als die Summen, die sie abrufen, in Österreichs Wirtschaft investieren, nicht endlos verfügbar, eben doch „gedeckelt“ waren.
Dreistellige Millionenbeträge
Das kanadisch-amerikanische Produktionsunternehmen Lionsgate, ein mini major studio mit einem US-Marktanteil von immerhin fast sechseinhalb Prozent, das den jüngsten Film der „Hunger Games“-Reihe derzeit in Berlin vorbereitet und ab Ende Juli drehen wird, hat Österreich den Rücken gekehrt und wird nach Nordspanien weiterreisen, wo finanzielle Planungssicherheit herrscht. Und auch HBO, der Streamingdienst, der „The White Lotus“ produziert, suchte schließlich mangels lokaler Fördermittel das Weite. „Es geht hier um dreistellige Millionenbeträge“, erklärt Marijana Stoisits, Chefin der Vienna Film Commission (VFC, siehe Interview), die mit HBO diesbezüglich über Monate verhandelt hat: „Da würde ich auch keine größeren finanziellen Risiken eingehen.“ Die Filmlobbyistin Stoisits stellt internationale Kontakte her, bewerkstelligt Drehgenehmigungen. Wer in Gemeindebauten drehen will oder Filmszenen in Krankenhäusern braucht, muss bei der VFC vorstellig werden. Und Stoisits übt deutliche Kritik an den Entscheidungen der Bundesregierung in Fragen der Filmstandortförderung. Warum, fragt sie, sei die Anpassung der FISA+-Richtlinien nicht noch von der alten Bundesregierung verabschiedet worden, als Zeit dafür war?