Doris Knecht

Doris Knechts neuer Roman "Alles über Beziehungen"

Doris Knechts neuer Roman "Alles über Beziehungen"

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Fünf Sterne hat sich Viktor, Chef eines Wiener Theaterfestivals, der auf die 50 zugeht, auf den Arm tätowieren lassen - für jedes seiner Kinder einen. Eine pathetische Geste, die freilich ins Leere läuft, der Mann ist ohnehin nie daheim und vertreibt sich seine Zeit trotz Bluthochdrucks lieber mit Affären. Mehrere Frauen trifft er regelmäßig zu unverbindlichem Sex; die offensichtliche Sucht, die er vor seiner Langzeitfreundin verheimlicht, beschönigt er mit dem modischen Begriff hypersexuell.

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Die aus Vorarlberg stammende Autorin und Kolumnistin Doris Knecht, 1966 geboren, dekliniert in ihrem jüngsten Roman "Alles über Beziehungen“ westliche Wohlstandsprobleme einer linken Kulturschickeria durch. Die erste Hälfte des Romans plätschert in Klischees dahin: Natürlich möchte Viktor seine Intendanz mit einem radikalen Stück über Asylwerber eröffnen, und klar verschickt der Zwangsjugendliche seine manischen Textnachrichten mit möglichst vielen Emojis. So weit, so halblustig. Aber dann gewinnt die Geschichte plötzlich an Tiefe.

Knecht erzählt aus den unterschiedlichen Perspektiven der beteiligten Frauen, komplexe Beziehungen im Schnelldurchlauf sind ihre Stärke, und mit kalt-pointiertem Blick darauf, wie reaktionär scheinbar liberale Kulturschaffende oft noch immer sind: Männer können koksen, saufen, fremdgehen, wie sie möchten, aber wenn eine Ehe mit Kindern zerbricht, sind immer nur die Nebenbuhlerinnen schuld.

Doris Knecht: Alles über Beziehungen. Rowohlt Berlin. 288 S., EUR 23,60

Karin   Cerny

Karin Cerny