Kulturtipp

Der Weg ins Unfreie

Politik und Geschichte kennen kein Ende: Wolfgang Paterno über eine Neuvermessung der austrofaschistischen Diktatur.

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Einer der klügsten Sätze lässt sich auch auf die Geschichte anwenden. „Bitte nie sagen: ,Das ist langweilig, das kenne ich schon'“, bemerkte der Wiener Physiker und Philosoph Heinz von Foerster: „Das ist die größte Katastrophe!“ Deshalb nie sagen: Die Historie des Austrofaschismus? Kennt man schon. Ach ja? In dem Buch „Maskeraden“ (Residenz Verlag) des Autorentrios Alfred Pfoser, Béla Rásky und Hermann Schlösser, das eine überraschende Kulturgeschichte der austrofaschistischen Diktatur entwirft, wird man eines Besseren belehrt. 

Die Expertise der Autoren – Pfoser, 72, war Leiter der Büchereien Wien; Rásky, Jahrgang 1957, ist Historiker; Schlösser, geboren 1953, war Redakteur der unlängst unschön verblichenen „Wiener Zeitung“ – spiegelt den breiten Kulturgeschichtsbegriff in „Maskeraden“ wider – von Theater über Fußball und Staatsoper bis zu Massenarbeitslosigkeit und Muttertag. Engelbert Dollfuß’ Wahntraum eines „autoritären, christlichen Ständestaates“ sickerte arglistig in sämtliche Lebensbereiche ein. Langsam tröpfelte das Gift, bis zur demokratiepolitischen Asystolie. 

„Maskeraden“ ist ein Buch vieler Tagesmomentaufnahmen, mit Blitzlicht erhellt, die sich zu einem klug aufgefächerten Panorama zusammenfügen. Es ist der Weg ins Unfreie, die Chronik ins Verderben. 8. März 1933. Die Ausschaltung des österreichischen Parlaments, die Zerstörung der Demokratie. Februar 1934. Die Säuberungen in den Arbeiterbüchereien. 25. März 1934. Karl Schönherrs „Passionsspiel“ feiert am auf Linie gebrachten Burgtheater Premiere. 7. Juni 1934. Österreich landet bei der Fußballweltmeisterschaft auf dem blamablen vierten Platz. 22. Juni 1936. Der Philosoph Moritz Schlick wird in der Aula der Wiener Universität erschossen. Und so weiter und so fort, bis in den März 1938 hinein, als der „Anschluss“ an das nationalsozialistische Deutschland stattfand. 

„Maskerade“, so hieß ein Film mit Paula Wessely, der 1934 in die Kinos kam. Enthüllungen dazu finden sich in diesem Buch, das die Verstellung und Verkleidung mit sehr gutem Grund in den Plural setzt. 

Wolfgang   Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.