Zu behaupten, das Buch von Quentin Tarantino (Bild) schmiege sich eng an den Film an, wäre eine kolossale Untertreibung.

"Es war einmal in Hollywood" von Quentin Tarantino: Boom! Boom!

Quentin Tarantino hat seinen jüngsten Film in einen Roman verwandelt. Keine gute Idee.

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Die ewige Frage bei Literaturverfilmungen, ob denn nun das Buch oder doch der Film besser sei, scheint nun endlich geklärt. It's the film, stupid! Folgende Versuchsanordnung trug zur Lösung des Film-oder-Buch-Dilemmas maßgeblich bei: Quentin Tarantino brachte 2019 die Produktion "Once Upon a Time in Hollywood" in die Kinos - nun veröffentlicht der US-Regisseur seinen Debütroman "Es war einmal in Hollywood". Zu behaupten, das Buch schmiege sich eng an den Film an, wäre eine kolossale Untertreibung.

Buch wie Film erzählen ein blutiges Märchen vor historischem Hintergrund. Anfang August 1969 wurden die Schauspielerin Sharon Tate und deren Gäste in den Hollywood Hills von Mitgliedern der sogenannten Manson-Family ermordet. Film und Roman spielen im Kern an zwei Tagen im Februar des Jahres, wobei sich der Regisseur in "Once Upon a Time in Hollywood" die Freiheit nahm, im Finale mit Flammenwerfer und Kampfhund drei Mitglieder der Manson-Gang, die sich in der Adresse geirrt haben, in aller Raffinesse meucheln zu lassen.

Der Rest des Romans ist eine leider nur passagenweise herrlich-haarsträubend konstruierte Fabel: Der abgehalfterte Schauspieler Rick Dalton, der mit der Westernserie "Bounty Law" zum Fernsehstar wurde und inzwischen badewannenweise Whisky Sour trinkt, ist der Mann, auf den alles zuläuft, assistiert von Cliff Booth, einem ausrangierten Stuntman, der Dalton in einem Cadillac durch ein grellbuntes Hippie-Hollywood anno 1969 chauffiert.


Erheblich unterscheiden sich Buch und Film allein im Schlussteil. Während "Once Upon a Time in Hollywood" drastisch in Blutgesudel und Schädelknochenknacken mündet, wird das Gemetzel im Roman nur beiläufig erwähnt: "Ich hab diese gottverdammte Hippietante kross gebraten", sagt Dalton zu einem Nachbarn.

Zumindest einen Absatz lang trifft es zu, was Tarantino über die Entstehung des Romans verlautbart hat: Bei "Es war einmal in Hollywood", so der Regisseur in einem Podcast, handle es sich um ein "komplettes Überdenken der ganzen Story", das Buch sei "die unhandliche Version des Films". Aus einem unhandlichen Roman hat Tarantino einen mehr als tauglichen Film gemacht.

Im Buch kapert er seinen eigenen Film, als wollte er diesen nachstellen, Kader für Kader, Szene für Szene: ein Themen-Dieb seiner selbst, die Prosaraubkopie eines mit zwei Oscars ausgezeichneten Kinoerfolgs. Tarantino macht das derart unbeirrt, dass man sich zwischendurch fragt, was der tiefere Sinn des Romans sei.


Man kann die Geschichte von "Es war einmal in Hollywood" einerseits als die einer nachgereichten Produktwerbung für den Film lesen. Andererseits als eine Art 400 Seiten starken Director's Cut: Dalton und Booth sowie Hündin Brandy werden mit etwas mehr Hintergrund ausgestattet. Booth ist ein Dreifachmörder, der jedes Mal wieder davonkommt, und ein ehemaliger Kriegsheld, der ganze Feindbataillone eigenhändig ausgelöscht hat. Brandy wiederum räubert als preisgekrönter Kampfhund durch die Gegend.

Es wäre nicht Tarantino, wenn er in seinem Erzähldebüt die Tragikomödien-Balance nicht immer wieder lustvoll kippen ließe, inklusive Dicke-Hose-Sprüche und F***-Ausschweifung: Wäre dieser Roman ein US-Fernsehspiel, müsste so oft gepiept werden, dass der Sinn des Gesagten verloren ginge.

Mit monotoner Stimme halblaut vorgelesen, ist "Es war einmal in Hollywood" immerhin die ideale Audiodeskription zu "Once Upon a Time in Hollywood": Die Filmbilder werden dabei restlos auserzählt, das Märchenbuch zur Kinolegende. Apropos Bilder: Die Lektüre wird einem auch insofern nicht leicht gemacht, als die überlebensgroßen Gesichter der Schauspieler Leonardo DiCaprio als Schnapsnase Dalton und Brad Pitt als personifizierter Mr. Cool sich ständig formatfüllend vor die papierenen Gesellen des Romans schieben. Mit DiCaprio und Pitt im Kopf liest es sich leider schlecht.

Richtig gut ist der Roman dagegen immer dann, wenn Tarantino die beiden Helden stellvertretend von seiner eigenen Kinoleidenschaft ("reine Magie auf Zelluloid") schwärmen lässt. Ein allfälliges Namensregister würde Seiten füllen: Alfred Hitchcock, Akira Kurosawa, Sam Peckinpah, Dean Martin, Humphrey Bogart, Katharine Hepburn, Candice Bergen, Anne Bancroft, Steve McQueen, dazu Hollywoodstar Aldo Ray, der 1979 einen kleinen Skandal auslöste, weil er im Porno "Sweet Savage" eine Minirolle hatte. Selbst Mick Jagger, Tina Turner und ein Filmemacher namens Quentin Tarantino schaffen es in den Roman.

"Es war einmal in Hollywood" wirkt über weite Strecken, als würde Tarantino eine spezielle Liste führen, bei der es um seinen Hang zum Billigen, Schrillen, Geschmacklosen, um Kino und Konsum, Sex und Sinnsuche geht. Um die Seele Amerikas also, die sich für Tarantino unverkennbar aus Auto-, Hundefutterund Zigarettenmarken (Karmann Ghia Cabrio, Wolf's Tooth, Red Apple) sowie Werbesprüchen für Drogerieketten zusammenzusetzen scheint: "Boom! Boom! Sav-On!"

Die meisten Schauspieler, moniert Rick Dalton an einer Stelle, wüssten nicht, wovon sie vor der Kamera redeten. "Sie tun verdammt noch mal bloß so, als ob." Also fast so wie in Quentin Tarantinos Als-ob-Roman.

Wolfgang Paterno hat vergeblich versucht, mittels nachgekauftem "Champion"-T-Shirt, das Brad Pitt in "Once Upon a Time in Hollywood" spazieren führt, in puncto Coolness zu punkten. Er freut sich inzwischen entschieden mehr auf künftige Tarantino-Filme als auf das nächste Buch des Regisseurs.

 

Wolfgang   Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.