Literatur

"Eurotrash": Christian Krachts superber neuer Roman

Taxi in die Vergangenheit: Der Schweizer Autor Christian Kracht legt mit "Eurotrash" eine aberwitzige Familienaufstellung vor.

Drucken

Schriftgröße

Irgendwann gegen Ende dieses phänomenal lustigen und phänomenal traurigen Romans kommt es zu einem Streit zwischen dem Icherzähler, der Christian Kracht heißt, und seiner psychisch kranken, tablettenabhängigen Mutter. Marcel Beyer sei ein guter Schriftsteller, wirft die Frau ihrem Literatensohn an den Kopf. Der habe etwas zu sagen-"nicht so einen belanglosen Unsinn, wie du ihn schreibst, den ohnehin keiner lesen will".

Der echte Christian Kracht, 54, ist ein doppelbödiger Erzähler, und er wendet eine Methode an, die Elfriede Jelinek zur Perfektion getrieben hat: Es ist besser, sich selbst anzuklagen, als dies seinen Kritikern zu überlassen. Zu Beginn seiner Karriere wurde der Schweizer Autor als Pop-Dandy abgetan, später vom deutschen Feuilleton als "Türsteher rechter Gedanken" diffamiert. In "Eurotrash" schickt Kracht nun einen literarischen Doppelgänger mit seiner exzentrischen Mutter auf eine Reise durch die Schweiz, Fakten und Fiktion purzeln dabei munter durcheinander. Die beiden sind standesgemäß im Taxi unterwegs, mit einer Plastiktüte voller Franken. Sie wollen entkommen, und landen doch immer wieder bei ihrer verqueren Familiengeschichte. En passant wird erzählt, was sie so kaputtgemacht hat: die NS-Vergangenheit der Großväter (inklusive SM-Fetische, die erst posthum ans Licht kamen),der unbedingte Aufstiegswille des Vaters, ihre Missbrauchserfahrung.


Dieser Roman ist eine Geisteraustreibung, die alles Verdrängte ans Tageslicht bringen soll. Überraschend daran ist vor allem, wie lustig das zu lesen ist, was für eine tolle und starke Frauenfigur diese Mutter ist, die am Ende erneut in einer geschlossenen Klinik landet. Und wie anrührend die fragile Beziehung zwischen Mutter und Sohn beschrieben ist. In einer aberwitzigen Szene weht der Wind im Gebirge ein Bündel Geldscheine in eine tiefe Schlucht. Als wären sie bloß Müll. Eine schöne Beschreibung für vererbtes, verfluchtes Nazi-Geld.

Christian Kracht: Eurotrash. Kiepenheuer& Witsch. 224 S., EUR 22,70

Karin   Cerny

Karin Cerny