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Joghurtsperre und Kalkwerk

In wenigen Tagen starten die Wiener Festwochen mit einer Rede der Philosophin Lea Ypi und einem Auftritt der Popkünstlerin Laurie Anderson. Für etliche Highlights gibt es noch Karten.

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Der Extremist, der am vergangenen Mittwoch am Wiener Schwarzenbergplatz ein Festwochenplakat verbrannt hat, weil es ein Lennon & Ono nachempfundenes „Bed-in“ zweier unbekleideter junger Männer zeigte, hat der Veranstaltung jede Menge Gratis-Schubkraft verpasst. Mit einer Liebes-Demo und einem Live-„Bed-in“ am Tatort schlug das Festwochenteam anderntags zurück.

Und nun richtet es den Blick voraus auf ereignisreiche fünf Festivalwochen: Am Wiener Judenplatz wird Lea Ypi, albanisch-britische Professorin für Politische Theorie in London, am 15. Mai um 18 Uhr mit einer Rede an Europa auf die Festwochen einstimmen, am 16. Mai wird am Rathausplatz nach Sonnenuntergang der Betrieb eröffnet – unter anderem mit der New Yorker Kunstlegende Laurie Anderson, der Friedensschlager-Botschafterin Nicole und Wiens Pop-Melancholikerin Soap&Skin.

Wie jedes Jahr fokussiert sich das öffentliche Interesse auf einige besonders strahlkräftige, naturgemäß ausverkaufte Produktionen (heuer etwa: „Burgtheater“, „Das letzte Jahr“ des Performance-Kollektivs Signa und Kurdwin Ayubs „Weiße Witwe“), dabei bietet das Festwochen-Programm viel mehr qualitative Breite, als bloß drei, vier Highlights andeuten könnten. Karten gibt es beispielsweise noch für Tiago Rodrigues’ lebensfreudige Trauerfeier „No Yogurt for the Dead“, eine Erinnerung des Portugiesen an die letzten Tage seines Vaters. Eine fast vierstündige Adaption des Thomas-Bernhard-Romans „Das Kalkwerk“ bringt die französische Regisseurin Séverine Chavrier unter dem Titel „Ils nous ont oublié“ nach Wien. 

Kindern ab 10, also uns allen, sei „Robin Hood“ empfohlen, eine kunstvolle Inszenierung der Amerikanerin Wu Tsang zur moralischen Frage des gerechten Diebstahls. Und der Franzose Julien Gosselin aktualisiert am 21. Juni in „Musée Duras“ über zehn Stunden lang die epochalen Schriften der Marguerite Duras. Trip ins literarische Universum einer Unvergleichlichen.

Stefan Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.