Bizarr geschmückter, kettenbehängter Mann mit rotem Federhut und goldener Perücke blickt ernst in die Kamera.
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Nie wieder Frieden? Der Steirische Herbst 2025 gibt sich pessimistisch

Das Kunstfestival Steirischer Herbst beleuchtet den tristen Stand der Dinge – und zieht Schlüsse aus unserer faschistischen Vergangenheit.

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In wenigen Tagen, am 18. September, nimmt das Grazer Traditionsfestival Steirischer Herbst seinen Betrieb wieder auf, zum bereits 58. Mal. Die formvollendete Tristesse des diesjährigen Mottos – „Never Again Peace“ – ist von den weltpolitischen Aktualitäten bekanntlich gedeckt. Aber es weist zugleich auch in die Vergangenheit, zitiert eine gleichnamige, im Jahr 1934 verfasste Bühnenkomödie des deutschen Sozialisten Ernst Hugo Toller, der darin – als Jude von den Nazis ins Exil gezwungen, wo er 1939 starb – in bitterem Tonfall Faschismus, Militarismus und Kriegsprofiteure verhöhnte.

Lächelnde blonde Frau mit Mikrofon vor bunter Plakatwand, während einer Ansprache.
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Das Festival kehre somit heuer zu seinen antifaschistischen Wurzeln zurück, sagt Herbst-Chefin Ekaterina Degot – und versteht ihre Veranstaltung als Einladung an die teilnehmenden Kunstschaffenden, durch dieses historische Brennglas auf die zerrüttete Gegenwart zu blicken. Die zentrale Ausstellung (19.9.–12.10.) findet heuer in der erst unlängst aufgelassenen Schnapsdestillerie Bauer im Bezirk Gries statt, Künstlerinnen wie die Südafrikanerin Candice Breitz, das Wiener Kollektiv Gelitin und der deutsche Konzeptualist Olaf Nicolai steuern neben vielen anderen Arbeiten bei. Zudem bietet man Ausstellungen, Talks, Kabarett und Performances auf – und das ORF-Musikprotokoll, das heuer (zwischen 2. und 5. Oktober) unter anderem dem oberösterreichischen, vor fünf Monaten verstorbenen Komponisten Peter Ablinger gewidmet sein wird.

Heiß könnte es gleich zur Eröffnung werden: Am 18. und 19. September wird der bulgarische Extrem-Performer und Queerness-Aktivist Ivo Dimchev in der List-Halle unter dem Titel „Hot Sotz“ an Tabus rühren: Er will „ein Schlaglicht auf das Unerwünschte, auf verborgene Wünsche und verdrängte Impulse“ werfen, „die Grenzen dessen, was auf der Bühne und in der Gesellschaft als akzeptabel gilt“, ausloten. Und er verspricht „eine Reise durch all das, von dem wir glauben, dass es nicht gesagt oder getan werden sollte – und das wir vielleicht dennoch sagen und tun müssen“.

Stefan Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.