Paulus Manker im Studio des„kulturMontag“
Kultur

ORF-Kulturmontag: „Solange Manker Quote bringt, wird er eingeladen werden“

Dem österreichischen Theatermacher Paulus Manker wird Machtmissbrauch und aggressives Verhalten vorgeworfen. Der ORF „Kulturmontag“ lädt ihn zur Stellungnahme ins Studio. Hätte man ihm die Bühne verweigern müssen?
Eva  Sager

Von Eva Sager

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Der Besuch des Regisseurs und Schauspielers Paulus Manker („Alma – A Show Biz ans Ende”) im ORF-Studio lässt sich wohl mit einem Zitat von ihm am besten zusammenfassen: „Ich bin bestürzt, wenn ich mir das anhöre. Aber ich möchte mir aussuchen, wen ich bei seiner Kritik ernst nehme und wen nicht.“ Die Kritik? Eine kürzlich veröffentlichte NDR-Dokumentation wirft Manker Machtmissbrauch vor, er soll Schauspieler:innen gedemütigt haben, war laut Anschuldigungen teilweise sogar physisch übergriffig – profil berichtete. Rund 200 Betroffene wurden dafür interviewt, viele anonymisiert, 70 von ihnen unterschrieben eidesstattliche Erklärungen. Manker weist die Vorwürfe zurück.

Im gestrigen ORF-Interview befand er: „Es ist natürlich bedauerlich, dass nur die Kritiker und die Kleingeister und die Blockwarte zu Wort kommen.“ Er schimpft über Schauspieler:innen als „AMS-Zombies“, wirft dem Moderator vor, noch nie in einem seiner Stücke zu Gast gewesen zu sein („Sie waren noch nie in meinen Stücken, Herr Schneeberger“). 
Manker gegenüber sitzt Meike Lauggas von der Anlauf- und Beratungsstelle für Film- und Fernsehschaffende („we_do“). Der Verein berät in Fällen von Machtmissbrauch, Ausbeutung und Belästigung. Schon zu Beginn des Interviews kritisiert Lauggas die Einladung des Theatermachers: „Es wäre wichtig, dass die Kontexte – das was hier als strukturelle Bedingungen Thema war – auch benannt werden. Strukturelle Bedingungen heißt, dass die Personen, die die Macht für Entscheidungen haben, auch für diese Entscheidungen zur Verantwortung gezogen werden. Und eine Entscheidung ist es, bei allem was wir wissen (...), dass so jemand wieder eine Bühne bekommt.“ 

Auf profil Nachfrage sagt sie heute: „Es ist das eine, Manker für seine Aussagen diesen Raum zu geben, aber unverantwortlich, sie heute auch noch in weiteren ORF-Kanälen unüberprüft zu wiederholen. Damit werden weitere mögliche Verletzungen von Personen billigend in Kauf genommen. Journalistische Sorgfaltspflicht bedeutet, den in der Öffentlichkeit Beschuldigten ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, aber auch, gerade in und nach einer Livesendung, das kritische Hinterfragen seiner Rechtfertigungen und Wortwahl angesichts der substanziellen Anschuldigungen.“

„Keine Bühne für Täter”

Die Kritik an der Einladung Mankers ist keine neue. Schon im Vorfeld der Sendung beanstandete das Kollektiv „dieRegisseur*innen“, eine Kooperative von ca. 70 Filmemacher:innen: „Welche journalistische Erkenntnis in der Debatte über Machtmissbrauch erwartet sich die Redaktion des ORF Kulturmontag, wenn sie Paulus Manker für ein Live Gespräch ins Studio einlädt? Tätern medial eine Bühne zu bieten, ist ein fatales Zeichen. Sowohl an die, die so mutig sind, sich öffentlich oder vertraulich zu dem Machtmissbrauch, den sie erfahren mussten, zu äußern; als auch an die, die aus vielen nachvollziehbaren Gründen schweigen.“ Eine Fernsehsendung sei kein Gerichtssaal; wenn es um eine Beweisführung für Schuld oder Unschuld gehe, dann habe diese vor Gericht stattzufinden. 

Tätern medial eine Bühne zu bieten, ist ein fatales Zeichen. Sowohl an die, die so mutig sind, sich öffentlich oder vertraulich zu dem Machtmissbrauch, den sie erfahren mussten, zu äußern; als auch an die, die aus vielen nachvollziehbaren Gründen schweigen.

dieRegisseur*innen

Was hat sich der ORF also von diesem Gespräch erwartet? Diese Frage hat sich auch profil gestellt. In einem Statement antwortet der Sender: „Es geht um ein überaus wichtiges Thema, dem sich der ORF in allen Aspekten journalistisch nähert. Dass der ORF dabei ausführlich die Seite der Betroffenen aufzeigt – sofern diese das wünschen – steht außer Frage. Dass man auch dem Beschuldigten die Möglichkeit gibt, sich zu äußern, liegt ebenfalls innerhalb der journalistischen Sorgfaltspflicht.“

„Es braucht einen Griff tief in die patriarchale Struktur“

profil hat bei dem Kollektiv „dieRegisseur*innen“ nachgefragt, wie man ihrer Ansicht nach idealerweise über Machtmissbrauch berichtet. „Um strukturellen Machtmissbrauch zu verstehen und zu verändern, braucht es einen Griff tief in die patriarchale Struktur selbst. So wie der Theater-, der Literaturbetrieb und die Filmbranche aufgebaut sind, die einem Wettbewerb und einer Leistungsschau unterworfen sind und Abhängigkeitsverhältnisse durch prekäre Arbeitsbedingungen verstärken, wird sich nur oberflächlich etwas verändern können“, heißt es in der Antwort.

Grundsätzliche Fragestellungen und Sichtbarmachung von Zusammenhängen würden in der Mainstream-Berichterstattung fehlen. „Solange Manker Quote bringt, wird er eingeladen werden und damit wird die vorhandene Struktur weiterhin gestärkt, statt in Frage gestellt“, so das Kollektiv.

Vertrauensstelle für Betroffene von Gewalt & Belästigung in Kunst & Kultur

Eva  Sager

Eva Sager

seit November 2023 im Digitalteam. Schreibt über Gesellschaft und Gegenwart.