46-214866026
Kritik

Pop-Parfüm: Jenny Hvals aromatisches jüngstes Album

Duftveränderung: Das berückende neue Klangkunstwerk der Norwegerin Jenny Hval.

Drucken

Schriftgröße

Das Olfaktorische ist eine oft übersehene Quelle der künstlerischen Inspiration. Wie sehr Düfte ihr Leben geprägt haben, wurde der Norwegerin Jenny Hval – Autorin („Gott hassen“), Visual Artist, vor allem aber Musikerin – erst bewusst, als sie plötzlich nicht mehr da waren. Als infolge der Pandemie keine Konzerte mehr stattfanden, fehlten nicht nur die zwischenmenschlichen Momente, sondern auch deren geruchliche Begleitung: Schweiß, Tschick und Co.

Hval kompensierte den Verlust mit einer neuen Obsession für Parfums – vor allem für eines, das sich tief in ihre Erinnerung einbrannte: „Iris Silver Mist“, komponiert von Parfümeur-Größe Maurice Roucel für den Designer Serge Lutens. Als kalt und stechend, zugleich sanft und schimmernd beschrieben, soll diese markante Duftmischung Natürlichkeit mit abstrakter Künstlichkeit verbinden – und könnte so kaum besser zu Hvals musikalischen Mixturen passen, die sie auf ihrem gleichnamigen siebten Studioalbum versammelt hat. Die Kompositionen sind von erheblicher Nebeligkeit, in den eher klassisch konnotierten Momenten finden Noten von Folk und Electronica zu formidabel feinsinnigem Pop.

Wie durch einen Luftzug verschoben, dürfen Stücke an anderer Stelle aber auch ins Frei-Formale kippen, ins experimentell Entrückte. Wie aus dem kollektiven Unbewussten geschöpft wirken diese Meditationen aus Spoken-Word-Sprenkeln, kosmischen Klangbädern und gesampelten Alltagsgeräuschen momenthaft, ephemer, mitunter fast die Künstlerin selbst hinter sich lassend. „The Artist is Absent“ heißt dementsprechend auch eine hypnotische House-Miniatur – sie ist vorbei, kaum dass sie zu verzücken begonnen hat. Dem Duft einer flüchtigen Wahlbekanntschaft gleich, der einen über Tage nicht loslässt. Eine Hval-Bekanntschaft sozusagen. 

46-214863737