Quetsch mich aus! Neues von der US-Musikerin Sophia Kennedy
Kann es sein, dass eine Angst, die wohl jeder schon verspürt hat, noch nie explizit in einem Popsong aufgegriffen wurde? Nicht abschließend verifizierbar, aber gut möglich. Die in Hamburg lebende US-Musikerin Sophia Kennedy hat dieser Angst jedenfalls nun ein exemplarisches Stück Musik gewidmet: der konkreten Paranoia, den Herd nicht ausgeschaltet zu haben, bevor man das Haus verlassen hat. Der Song „Hot Match“ ist aber nicht allein doppeldeutig benannt, er wurde auch mit guter Resträtselhaftigkeit ausgestaltet: „Firefighters stand in front of my door / Do you live here? / I don’t know anymore.“
Den Widrigkeiten des Alltags mit angemessener Ambiguitätstoleranz zu begegnen und ihm scheinbar Verlorenes – einen Hauch von Geheimnis, eine kühne Ungereimtheit – mit Charme und Chanson neuer Prägung wieder zuzuführen, das ist die glänzend gelungene Mission des dritten Kennedy-Albums „Squeeze Me“, das erneut in Kollaboration mit Mense Reents (Die Goldenen Zitronen) entstand. Die Unter- und Zwischentöne, die bereits im Titel den Kipppunkt zwischen zärtlichem Drücken und überschießendem Quetschen verhandeln, setzen sich in den Songs fort. Sie tragen immer neue, eigentümlich schimmernde Schichten auf und verschieben munter Vertrautes ins Uneindeutige – formal wie inhaltlich.
Der mondäne Pop von „Rodeo“ wird jäh von geisterhaften Stimmen durchweht, später versinkt der gedeckte Jazz-Schleicher „Oakwood 21“ im digitalen Nirwana. Zusammengehalten, austariert und veredelt wird dieses Fresko aus Schönklang, Schwerblut und Schräglage vom lakonisch-sophistizierten Vortrag der 35-Jährigen, der mit jeder neuen Veröffentlichung weiter an Eleganz zu gewinnen weiß. Eine Musikerin, die mit solch bestechender Nonchalance in Erscheinung tritt, kann wohl tatsächlich kein loderndes Chaos mehr aus der Ruhe bringen. Sophia Kennedy wird am 14. Oktober live im Wiener flucc zu erleben sein.
