Sie lacht viel und gern. Sie springt auf, wenn sie über bestimmte Bewegungen ihrer Disziplin Poomsae spricht, und führt die Figuren lieber mit Hand und Fuß vor, als sie langatmig zu erklären. Poomsae ist eine Taekwondo-Spielart, eine Art Schattenkampf, bei der die Gegnerinnen und Gegner nicht berührt werden. „80 Prozent Füße, 20 Prozent Fäuste“, sagt Niedermayr, die Poomsae-Weltmeisterin in der Altersgruppe 60 plus, an diesem heißen Sommertag im Innsbrucker „Taekwondo Zentrum Huber“, ihrem langjährigen Trainingsort.
Es zählen Schnellkraft, Balance, Gelenkigkeit, Ausdauer und Konzentration. „Feuer“ und „Frohsinn“ lauten die Namen zweier Bewegungsabläufe im Taekwondo. Feuer und Frohsinn: Das passt auch ganz gut, um Niedermayr selbst zu beschreiben.
Mit 46 Jahren erst hat sie mit Taekwondo begonnen, mit einer kleinen Hinterlist, weil sie mit Innsbruck lange fremdelte, einen Zugang zu Land und Leuten suchte. Sie meldete ihre beiden Kinder in der Taekwondo-Schule Huber an, kurz darauf stand sie selbst zum ersten Mal in der Halle mit den blauen und roten Gummimatten. „Alle waren in weiße Kampfanzüge, Doboks genannt, gekleidet. Ich fiel mit grauer Jogginghose und schlabbrigem T-Shirt aus der Reihe.“
Ihr Taekwondo-Ausweis Nummer 23.027, ausgestellt am 1. Mai 2005, erzählt von einem großen Sportlerinnenleben. Von zahllosen Turniersiegen, vom weißen über die blauen bis zu den schwarzen Gürteln. Der Einfachheit halber: Es gibt viele unterschiedliche Farben und Rangstufen, die zu erkämpfen sind, allein neun schwarze Gürtel auf dem Weg zur Meisterschaft, Dan genannt. Für Niedermayr, die beim fünften Dan hält, dürfte sich der letzte schwarze Gürtel nicht ganz ausgehen, weil zwischen den einzelnen Prüfungen viele Jahre vergehen müssen. Der jüngst verstorbene Papst und Russlands Präsident Wladimir Putin (inzwischen aberkannt) waren Träger des zehnten Dan, der allein ehrenhalber verliehen wird.
Man tritt den zuständigen Honoratioren, die den Ehrengürtel verteilen, nicht zu nahe, wenn man empfiehlt, dafür auch die Innsbrucker Sportlerin in Betracht zu ziehen. Österreichs Behörden haben Niedermayr bereits die Staatsbürgerschaft verliehen.
„Poomsae“ sagt Niedermayr oft, wenn sie über sich selber spricht. Wer ihr länger zuhört, könnte fast den Eindruck gewinnen, Poomsae garantiere ihr Lebensfreude, Gesundheit, Selbstsicherheit. Taekwondo ist Kampfkunst und Lebensschule, Verhaltenskodex und Alltagsregelwerk.
„Ich liebe das Leben“, sagt Niedermayr. Damit hat sie auch den eigentlichen Satz über ihr eigenes Wesen formuliert. Familie, Musik, Freunde, Lachen, Gesundheit: Das sei ihre Vorstellung vom Glück. „Es gibt nichts Schöneres.“ Sie springt auf. Zeigt Feuer und Frohsinn.