Kino

Toxische Ritterlichkeit: „The Last Duel“

Ridley Scotts absurdes Mittelalterdrama „The Last Duel“, neu im Kino, bereitet unfreiwillig Spaß, scheitert aber an seinem allzu wohlfeilen Feminismus.

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Stellenweise meint man, in einen Monty-Python-Film geraten zu sein, so randvoll ist dieses Kinodrama mit „stilecht“, also „malerisch“ rekonstruierten Mittelalteransichten, mit Dialogen nach Art des Frühstücksfernsehens und Frisuren wie aus dem Scherzartikelnahversorger. Mit Vokuhila und Kinnbart sieht Matt Damon in „The Last Duel“ nicht wie der tapfere Kriegsheld aus, den er darstellen soll, eher wie ein gedrungener Drittliga-Fußballer oder der Rhythmusgitarrist einer Scorpions-Gedächtnisband. Sagenhaft daneben liegen die Schmink-Designer und Hair-Stylisten auch bei Ben Affleck, der hier als hedonistischer Privilegienritter und platinblonder Westentaschen-Bowie antritt, dessen süffisantes Grinsen vermutlich auch ein Bauchstich nicht vertreiben könnte. (In der Make-Up-Abteilung dieses Films allein arbeiteten 52 Menschen, vom „French Hair crowd coordinator“ bis zum „hair puncher“.) Affleck und Damon haben übrigens, gemeinsam mit der New Yorker Serien-Spezialistin Nicole Holofcener, auch das Drehbuch zu diesem Film geschrieben, alle drei haben ihn auch koproduziert.

Die unfreiwillige Heiterkeit, die von Anfang an die dramatischen Ereignisse dieses Films färbt, steht dessen Grundanliegen im Weg, geht es doch um versuchsweise Gewichtiges und sehr Gegenwärtiges: Im misogynen Frankreich des 14. Jahrhunderts wird eine junge Frau (die Britin Jodie Comer) in Abwesenheit ihres Mannes (Damon) von einem opportunistischen Höfling (ein seinen Teufelsumhang eitel schwingender Adam Driver) vergewaltigt, der ihr empfiehlt, im eigenen Interesse den Mantel des Schweigens über die Sache zu breiten; sie hält sich daran nicht und beschwört – #MeToo lässt herzlich grüßen – ein Gerichtsverfahren herauf, das zu einem blutigen Duell unter ehemals besten Freunden, zu einem öffentlichen Zweikampf auf Leben und Tod gerinnt.
 

Als Legende gilt Ridley Scott, 83, nicht ohne Grund, siehe Meisterwerke wie „Alien“ (1979) und „Blade Runner“ (1982). Seine letzten gelungenen Filme, die beiden sehr unterschiedlichen Science-Fiction-Schaustücke „Prometheus“ (2012) und „The Martian“ (2015), liegen noch gar nicht weit zurück. Mit Zweikämpfen unter schlachterprobten Fehde-Führern kennt er sich außerdem aus: „The Duellists“ hieß 1977 schon sein Debüt. Wie „The Last Duel“ nun derart aus dem Ruder laufen konnte, ist daher nicht leicht zu verstehen – oder es liegt nur daran, dass Scott als Regisseur mit einer imaginierten Zukunft viel besser umgehen kann als mit dem Rückgriff ins tiefe Mittelalter.

Aber sein neuer Film ist derart trivial angelegt, dass man sich immer wieder dabei ertappt, die bizarre Seifenoper, die einem hier geboten wird, mit einer Mischung aus Voyeurismus und Schadenfrohsinn weiterverfolgen zu wollen. Langweilig ist sie immerhin nicht. Die aus Akira Kurosawas „Rashomon“ geklaute Idee, die Vorgeschichte des Films aus drei verschiedenen Perspektiven, aus zweimal männlicher und einmal weiblicher Sicht, jedes Mal neu und ein wenig anders, eben subjektiv zu erzählen, gibt der Erzählung zumindest die Andeutung formaler Zuspitzung, den Hauch einer sinnvoll organisierten Dramaturgie. Aber das Entertainment, auf das Scott setzt, ist von feministischer Schlagkraft weit entfernt; die doppelt ausgedehnte Darstellung der Vergewaltigung allein spricht diesem Anspruch Hohn.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.