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Peter Handke: Er folgt nicht

In München überreichte der Verleger Hubert Burda der Österreichischen Nationalbibliothek ein Manuskript Peter Handkes. Bericht vom Festessen mit dem Literaturnobelpreisträger.

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Wohin diese Reise sich bewegt, entscheidet sich am Bahnhof in Traunstein. Ein Sommermorgen im Railjet Xpress 260. Abfahrt am Wiener Hauptbahnhof um 6.28 Uhr, mit geplanter Ankunft in München etwas mehr als vier Stunden später, 10.33 Uhr. Wären da nicht Traunstein kurz nach der Salzburger Grenze, eine Gegend, in der nicht mehr viel städtisches Leben übrig ist, und ein galoppierender Gaul.

Aber der Reihe nach. Der Railjet 260 stoppt an diesem Mittwochvormittag fahrplanmäßig in Traunstein, da die deutsche Bundespolizei Routinekontrollen des Reiseverkehrs durchführt. Kein Weiterkommen, die Garnitur bewegt sich keinen Zentimeter, die Zugtüren öffnen sich. Aus dem Bordlautsprecher die Durchsage, dass sich die Weiterfahrt von Traunstein Richtung Übersee mit Ziel München auf unbestimmte Zeit verzögere, weil „Tiere auf der Strecke“ gesichtet worden seien.

Die „Tiere“ entpuppen sich bald als störrisches Pferd. Der Waggonschaffner versucht es nach gut 30 Minuten Stillstand über die Bahnhoflautsprecher mit ein bisschen Klamauk: Das Pferd, verkündet er, verhalte sich gegenüber der Bundespolizei und dem eigens beorderten Notfallmanager weiterhin äußerst unkooperativ, mit einer Wartezeit im „höheren Bereich“ sei zu rechnen. „Händeringend“ arbeite die Deutsche Bahn an der Lösung der Misere. „Das Pferd ist nach wie vor freudvoll auf der Flucht“, verkündet 30 Minuten später die Stimme aus der Lautsprecherbox.

Nicht das beste Zeichen, wenn einem auf der in die Länge gezogenen Zugfahrt von Wien nach München zwei Titel von Romanen einfallen: „All die schönen Pferde“ des US-amerikanischen Schriftstellers Cormac McCarthy und „Die Ballade des letzten Gastes“ von Peter Handke, worüber noch zu sprechen sein wird.

Poesie ist Poesie, und Bahnfahren ist Bahnfahren. Aber alles hängt an diesem Vormittag mit allem zusammen. Warten. Wilde Pferde. Übersee. Slapstick. Lautsprecherlyrik. Eine Zug-Ballade aus der neuen Zeit.

Klingt erst einmal nicht nach einem Peter-Handke-Roman, dann aber doch wieder. Denn in so gut wie allen Büchern des Literaturnobelpreisträgers sind die Heldinnen und Helden auf Reisen, auf der Suche nach Aventüre, um als andere an die Ausgangsorte zurückzukehren.

Man hat etwas gewonnen, wenn man mit über zwei Stunden Verspätung schließlich in der Münchner Villa von Hubert Burda eintrifft, dem eigentlichen Ziel der Reise. Burda ist einer der großen deutschen Medienmacher, in dessen Verlagshaus neben „Focus“, „Bunte“, „TV Spielfilm“ und „Elle“ weitere 150 Zeitschriften und rund 100 digitale Medien erscheinen.

Wolfgang Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.