Kultur

Haben erfolgreiche Bands die Fans, die sie verdienen?

Was ist Rolle? Was ist Realität? Kleine Untersuchung der rezenten Machtmissbrauchsfälle Lizzo und Rammstein.

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Rammstein, die meinen das doch ironisch! Intellektuelle wurden nicht müde, die Nähe der martialischen ostdeutschen Band zu den slowenischen Konzeptkünstlern Laibach zu betonen: Alles nur gespielt, durch scheinbar naive Affirmation lege man nationalistische Abgründe bloß. Rammstein konfrontiere Deutschland mit seinem Unbewussten. Überhaupt müsse man die Kunstschaffenden von der Kunst trennen – ein Credo, das man in jedem Proseminar an der Universität eingehämmert bekam. Nicht nur im Fall vom Rammstein zeigt sich allerdings, dass dieser Ansatz auf wackeligen Beinen steht. Vielleicht war das chauvinistisch-gewaltverherrlichende Selbstbild der Schockrocker ja doch einfach nur chauvinistisch und gewaltverherrlichend. 

Zahlreiche Fans legten eine Jetzt-erst-recht-Haltung an den Tag, als sich Anschuldigungen von sexuellen Übergriffen auf junge Frauen häuften, die mit Rammstein-Frontmann Till Lindemann zu tun gehabt hatten. Abgeklärt meinten Anhänger der Band: Was erwarteten sich diese Frauen denn, als sie backstage gingen? Wie jetzt? Rockstars sind also keine künstlichen Bühnenfiguren? Könnte doch sein, dass Lindemann ein netter älterer Herr ist, der nach dem Auftritt gern Tee trinkt und nur auf der Bühne die Sau rauslässt. Rammstein weisen die Vorwürfe zurück, provozieren in ihren Shows mit Verhöhnung der vermeintlichen Opfer. Wie der „Falter“ berichtet, wurden Textzeilen geändert: „Ja, mein Po-Klatsch ist nicht schlecht“. Wahrscheinlich haben Bands genau die Fans, die sie verdienen. Und die Intellektuellen wollten lange nicht wahrhaben, dass diejenigen, die neben ihnen jubeln, so gar nichts mit Ironie am Hut haben. 

Schwierig ist die Sache auch bei US-Popstar Lizzo, dessen Konzerte Feiern der Diversität sind: Sei, wie du bist! Ausgerechnet der Vorzeigefrau in Sachen Body-Positivity wird nun Bodyshaming, sexuelle Nötigung und Mobbing vorgeworfen. Nach dem ersten Schock sind ihre Fans enttäuscht. Sie reagieren nicht wie Rammstein-Anhänger trotzig, sondern fühlen sich hinters Licht geführt. Menschenfreundlichkeit als Inszenierung, während man jenseits der Bühne egozentrisch ist? Das geht gar nicht. Wofür steht Lizzos Empowerment-Kunst, wenn sie fake ist? Wann reicht es nicht, einfach nur eine Rolle zu spielen? Es bleibt kompliziert.

Karin   Cerny

Karin Cerny