Angriff auf Iran: Der richtige Feind, der falsche Krieg
Was soll man von diesem Krieg halten, den Israel am 13. Juni mit einem Überraschungsangriff auf den Iran begonnen hat?
Beginnen wir mit dem vergleichsweise Unstrittigen: Mitleid mit der Führung des Iran ist verfehlt. Das Mullah-Regime bedroht Israels Existenz, es gefährdet die internationale Sicherheit, und es wirkt im Inneren als totalitäre Staatsgewalt, die alle Versuche, das Land von einer islamischen Theokratie zur Demokratie zu führen, brutal niederschlägt. Wann immer die Bevölkerung für ihre Rechte auf die Straße geht, gibt es Massenverhaftungen und Tote.
Diese iranische Führung strebt immer intensiver nach Atomwaffen, und die Internationale Atomenergiebehörde IAEO gab unmittelbar vor Kriegsausbruch bekannt, dass Teheran gegen die Regeln des Atomwaffensperrvertrags verstoße.
Eine gezielte Bombardierung dieser illegalen Atomanlagen erscheint gerechtfertigt – allerdings mit einer wesentlichen Einschränkung: Die Aussicht, dass eine solche Operation langfristig mehr Sicherheit bringt als Verhandlungen, muss überwältigend sein.
Ist sie das? Wenige Stunden vor Israels Angriff verkündete US-Präsident Donald Trump, man sei „einem Abkommen recht nahe“. Eine weitere Verhandlungsrunde war anberaumt. Die Bombardierung wiederum erweist sich zwar als effektiv, allerdings fehlt Israel zur finalen Zerstörung des iranischen Atomprogramms die bunkerbrechende Bombe des Typs GBU, über die nur die USA verfügen. Zu Beginn des Krieges jedoch schloss Trump aus, sich aktiv in die israelische „Operation Rising Lion“ einzuschalten.
Während also das erklärte Kriegsziel – die komplette Ausschaltung des Atomprogramms – nicht ohne die USA erreicht werden kann, tut sich ein zweites, nicht offizielles Kriegsziel auf: der Sturz des Mullah-Regimes. Die Bombardements richten sich zusehends auf Ziele, die nicht mit dem Atomprogramm in Verbindung stehen, wie etwa Öl- und Gasdepots oder das Gebäude des staatlichen Rundfunks. „So brechen Diktaturen zusammen“, twitterte Israels Verteidigungsminister Israel Katz in freudiger Erwartung.
Warum deklariert Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der diesen Krieg seit Jahren plante, diese Absicht nicht? Weil er weiß, dass der Begriff „Regime Change“ (Sturz des Regimes) vor allem in den USA toxisch ist. Die desaströsen Interventionen in Afghanistan (2001) im Irak (2003) und in Libyen (2011) haben nicht zuletzt Donald Trump dazu bewogen, im Wahlkampf zu versprechen, dass er sein Land aus allen Kriegen herausführen und keinen neuen beginnen werde.
Kriege, die unter so unklaren Voraussetzungen beginnen, bergen weitaus größere Risiken als solche, die einem Plan folgen.
Jetzt ist er im Begriff, in den potenziell verhängnisvollsten Konflikt im Nahen Osten zu schlittern; und das, ohne darauf vorbereitet zu sein.
Möchte man den Iran mit seinen 90 Millionen Menschen zur Demokratie bomben, weil das bereits in Bagdad so großartig gelaufen ist? Ohne Plan, wer die neue Staatsgewalt bilden soll, und mit dem Risiko, dass islamistische Terrorgruppen die Macht an sich reißen? Diese Vorstellung lässt ideologisch so konträren Leuten wie Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron und dem langjährigen Trump-Anhänger und Talkshow-Moderator Tucker Carlson gleichermaßen die Haare zu Berge stehen. Beide warnen eindringlich.
Deutschlands Kanzler Friedrich Merz hingegen zieht es vor, die unüberhörbaren Andeutungen bezüglich eines Sturzes des Regimes zu ignorieren und bloß auf die Zerstörung des Atomprogramms zu fokussieren. So erklärt sich sein Lob für Israel, das mit dem Angriff „für uns alle die Drecksarbeit“ mache.
Werden also die USA aktiv in den Krieg eintreten? Liefern sie die benötigte Super-Bombe? Weiß Trump, worauf er sich da einlässt? Will auch er einen Sturz des Regimes? Kriege, die unter so unklaren Voraussetzungen beginnen, bergen weitaus größere Risiken als solche, die einem Plan folgen. Und selbst die entwickeln sich oft ganz anders als gedacht.
Wie sähe also ein wünschenswertes Szenario aus? Am besten wäre es wohl, Ajatollah Ali Khamenei, Oberster Führer des Iran, würde im Abtausch für ein rasches Kriegsende das zuletzt angebotene Abkommen zur Beendigung der iranischen Urananreicherung (die ins Ausland verlagert würde) akzeptieren. Wie wahrscheinlich ist das? Und würde Netanjahu das überhaupt akzeptieren?
Schauerliche Szenarien dräuen hingegen mehrere am Horizont.