Die falschen Schlüsse aus der Energiekrise

Die Politik fordert mehr Wettbewerb unter den Energiekonzernen. Damit die Strompreise sinken, wären gemeinnützige Energieversorger statt profitorientierte Aktiengesellschaften nötig.

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Von Lena Gerdes.

Seit der Energiekrise 2022/2023 zahlen Haushalte in Österreich massiv überhöhte Strom- und Gaspreise, während Energiekonzerne Rekordgewinne verzeichnen. Die Diskrepanz zwischen Erzeugungskosten und Verbraucher:innenpreisen offenbart ein systemisches Versagen des derzeitigen Marktmodells. Der Energiemarkt ist von Spekulation und einem Wettbewerb um maximale Gewinnmargen geprägt. Die überteuerte Energie wurde zum Inflationstreiber – mit fatalen Folgen für die Lebenshaltungskosten und die Wirtschaft.

Als Lösung forderte die von der Bundeswettbewerbsbehörde und E-Control eingesetzte Task Force Energie Ende Juni „mehr Wettbewerb“ im Strommarkt – die Stromreform der Regierung greift das auf. Private Haushalte sollen durch häufigeren Anbieterwechsel für mehr Marktbewegung sorgen. Von tiefgreifenden Reformen, von Verantwortung der Krisenprofiteure oder von Preisdeckeln ist keine Rede.

Nötig wären jedoch weniger Wettbewerb, gerechte Preise und gemeinnützige Energieversorger statt profitorientierte Aktiengesellschaften. Die Vorschläge der Task Force Energie erinnern stark an Debatten rund um individuellen Klimaschutz: Wenn nur alle bewusster konsumieren, würde sich das Problem schon lösen. Doch diese Logik ist im Bereich der Versorgung mit einem Gemeingut wie Energie völlig fehl am Platz. Sie schafft individuelle Überforderung und Risiko statt Versorgungssicherheit und Leistbarkeit. Es käme ja auch niemand auf die Idee, jeden Monat den Schulwechsel des eigenen Kindes oder den Wechsel des Wasserversorgers zu fordern, damit „mehr Wettbewerb“ herrscht.

Tatsächlich zeigte sich in der Krise, dass öffentlicher Besitz unter liberalisierten Wettbewerbsbedingungen nicht die alleinige Lösung ist. Denn viel zu oft verstecken sich auch öffentliche Konzerne hinter Aktienrecht oder EU-Vorgaben und entziehen sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung. So verzeichneten etwa der VERBUND und die OMV während der Energiekrise Milliardengewinne – fast doppelt so hoch wie zuvor. Zwar floss damit ein Teil der Gewinne in öffentliche Budgets, doch große Teile der Profite wurden privatisiert und die Inflation weiter angetrieben: Umverteilung von unten nach oben. Was fehlt, ist eine strukturelle Lösung.

Wir alle brauchen Energie, um unseren Lebensalltag zu bestreiten. Ob zum Heizen oder Kochen, Energie ist ein Grundbedürfnis, das gedeckt werden muss. Energie gehört daher, ebenso wie Bildung oder Wasser, in gemeinnützige Strukturen und nicht in die Hand des Wettbewerbs. Energieversorger sollten daher gesetzlich zu gemeinnützigen Zielen verpflichtet werden (ähnlich wie dies im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz üblich ist, das Gewinne beschränkt und deren Verwendung reguliert). Was für die privaten Aktionäre ein Einschnitt wäre, wäre für die Allgemeinheit ein enormer Fortschritt.

Neben der Gemeinnützigkeit braucht es eine echte Demokratisierung. Statt hoch bezahlter Manager:innen sollten Energieversorger von Gremien bestehend aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Verbraucher:innen und Beschäftigten neu gestaltet werden. Das bedarf klarer politischer Vorgaben und Druck aus der Bevölkerung. Denn von innen heraus wird sich weder der VERBUND in eine gemeinnützige Genossenschaft mit fairen Preisen noch die OMV in einen grünen Energieversorger verwandeln. Im Gegenteil: Letztere reizt ihr Geschäftsmodell mit fossilen Brennstoffen bis zum bitteren Ende aus und treibt neue Gasprojekte – zum Beispiel in Rumänien – voran.

Die Energiemärkte sind von Spekulation und einem Wettbewerb um maximale Gewinnmargen geprägt. 24 Jahre Marktliberalisierung im Energiesektor haben ein intransparentes Geflecht von Energiekonzernen hervorgebracht, die vor allem eines im Blick haben: den eigenen Profit. Wenn wir nicht handeln und die Energieversorgung demokratisieren, werden die Energiekonzerne auch kommende Krisen gnadenlos ausnutzen.

Lena Gerdes ist Sozioökonomin und seit 1. Juli neue Geschäftsführerin von Attac Österreich.