Genug gespielt: Autor Martin Prinz zum Polizeieinsatz am Peršmanhof

Nach der Razzia auf die Kärntner NS-Gedenkstätte Peršmanhof: Ein Wuttext des Wiener Schriftstellers Martin Prinz.

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Naziösterreich hat lange zugeschaut. Jetzt ist genug gespielt. Naziösterreich braucht nicht viele Worte, auch das hat es gelernt, es hat seine Kanäle, seine Vereinigungen und Funktionen. Jetzt ist genug gespielt, und es lächelt, wie Naziösterreich jedes Jahr aufs Neue lächelt, wenn wieder ein neuer Rechtsextremismusbericht herauskommt, in dem so gut wie keiner der Orte, an denen man sich trifft, und keiner der Vereine, unter denen man sich organisiert, auch nur mit einem halben Wort vorkommt.

Naziösterreich lächelt und geht ins Büro, die Krawatte sitzt, der Anzug flattert. Anstandsverletzung, so murmelt es Naziösterreich auf dem Weg ins Amt vor sich hin. Wer sollte hier auch einen anderen Staat brauchen oder gar Reichsbürger, wenn man einen Staat hat, in dem bereits aufgrund einer polizeilichen Mitteilung über allfällige verwaltungsrechtliche Übertretungen eine Amtshandlung wegen Anstandsverletzung nötig sein würde. Naziösterreich hat lange zugeschaut, und eine solche Anstandsverletzung sind ihm schon die meisten Tage und Wochen in diesem sogenannten Gedenkjahr, eine einzige Anstandsverletzung.

Naziösterreich rückt sich die Krawatte zurecht, räuspert sich. Es stellt sich das Eintreffen der ersten Polizeifahrzeuge vor, und Naziösterreich weiß nur zu genau, wie recht es nicht allein mit der Anstandsverletzung, sondern erst recht mit allfälligen Verstößen gegen das Naturschutzgesetz bekommen wird. Nichts anderes ist es in seinen Augen, einer Handvoll Liquidierter zu gedenken, die dem Begriff einer Natur damals schon nichts anderes als eine einzige Anstandsverletzung gewesen waren. Naziösterreich hat lange genug zugeschaut.

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Jetzt ist genug gespielt, Naziösterreich verlässt sein Büro, die Krawatte sitzt, der Anzug flattert. Von den Identitätsfeststellungen der Veranstalter bis zu Ausweiskontrollen aller Anwesender benötigt es wohl nicht einmal mehr eigens dokumentierte Verstöße gegen das Naturschutzgesetz, es genügt schon eine entsprechende Stimmung vor Ort, bis genau jene dynamische Einsatzlage herrscht, in der Naziösterreich im ganzen Land wie eh und je als Naziösterreich funktionierte: Ein Wort höchstens, manchmal brauchte es nicht einmal das für Widerstand gegen die Staatsgewalt.

Und während der Staat letzten Sonntag mit Hubschrauber, Drohnen und Polizeihunden aufmarschierte, feierte so mancher in Naziösterreich am Montag danach krank, um jener Amtshandlung der Spezialeinheit des 1. Bataillons des SS-Polizeiregiments 13 vom 25. April 1945 mit allem Anstand zu gedenken, bei der man damals die elf Zivilisten niedergemetzelt hatte.

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Martin Prinz, 52, schreibt Reisegeschichten, Drehbücher und Romane, mit „Der Räuber“ debütierte er 2002 als Romancier. Er wird kommende Woche – 7. August, 20 Uhr – beim Literaturfest „o-töne“ auf der Sommerbühne des Wiener Museumsquartiers aus seinem jüngsten Roman „Die letzten Tage“ lesen.