Gernot Bauer: Geschichten vom Herrn K.

Christian Kern verdient mehr Anerkennung, als ihm zuteil wird. Und er sollte sich rechtzeitig um einen Nachfolger kümmern.

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Eine der bekanntesten Sequenzen aus Bertolt Brechts „Geschichten vom Herrn Keuner“ lautet: „,Woran arbeiten Sie?‘, wurde Herr K. gefragt. Herr K. antwortete: ,Ich habe viel Mühe, ich bereite meinen nächsten Irrtum vor.‘“ Womit wir bei Herrn Christian K. wären: Seinem vorerst letzten Irrtum erlag der SPÖ-Vorsitzende vergangenen Mittwoch bei der Präsentation des neuen Parteiprogramms, das neben roten Evergreens (Gerechtigkeit, Gesamtschule, Gleichbehandlung) auch einen ökologischen Schwerpunkt aufweist. Kern hätte wissen müssen: Übliche Verdächtige wie Burgenlands Landesrat Hans Peter Doskozil würden Wirbel machen. Doskozil klang in der „Krone“ wie ein „Krone“-Kolumnist: „Wir dürfen keine grün-linke Fundi-Politik betreiben. Da schaffen wir uns selbst ab.“ Klimawandel schön und gut – das Thema „Zuwanderung“ sei aber wichtiger. Danach veranstaltete die SPÖ ein Sommerspektakel wie die ÖVP in ihren undiszipliniertesten Tagen. Oberösterreichs SPÖ-Vorsitzende Birgit Gerstorfer vermutete per Ferndiagnose, Doskozil habe einen Hitzschlag erlitten. Über ihren Parteivorsitzenden sagte sie: „Christian Kern ist der Beste.“ Sie hat es sicher gut gemeint.

Tatsächlich verdient der SPÖ-Vorsitzende mehr Anerkennung, als ihm derzeit öffentlich zuteil wird. Bundeskanzler Sebastian Kurz mag den Anspruch haben, Österreich neu zu regieren. Neu für das Land ist es allerdings auch, dass ein abgewählter Kanzler in der Politik bleibt, mit dem Willen, aus der Opposition wieder in die Regierung zu gelangen. Schon das ist belebend für unsere Demokratie.

In der Debatte, ob das neue SPÖ-Programm zu grün ausfällt, ging unter: Kern will seine Partei auch personell erneuern. Dies ist wohl der wichtigste Schritt der Parteireform. Politischer Erfolg hängt mehr denn je vom Personal ab. Das Programm allein nützt nichts, und sei es noch so brillant. Wer heute einen Amtsinhaber besiegen will, sollte eher zu jung, zu intelligent und zu schön sein als zu wenig. Emmanuel Macron und Sebastian Kurz zeigen es vor.

Im Gegensatz zu Macron kann Kern seine Partei nicht einfach kübeln.

Ist Christian Kern unter diesen Gesichtspunkten tatsächlich „der Beste“? Mit 52 ist er noch jung genug für die Politik. Was Kern im Vergleich mit Kurz fehlt: Instinktsicherheit (Kern unterschätzt das Migrationsthema); Vertrauen in die eigene Urteilskraft (Wer selbst weiß, wo es langgeht, braucht keine externen Berater wie Tal Silberstein); Autorität in der Partei (deren Mangel bei jeder Meldung aus der SPÖ-Burgenland oder der SPÖ-Wien sichtbar wird).

Im Gegensatz zu Macron kann Kern seine Partei nicht einfach kübeln. Und die ÖVP unterwarf sich Sebastian Kurz erst nach einigen Nahtoderfahrungen. So groß ist der Leidensdruck in der SPÖ noch nicht. Gefragt ist nun Kerns Managementgeschick. Er muss mit dem neuen Wiener Bürgermeister Michael Ludwig und Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl einen tragfähigen Pakt für die nächsten Jahre schließen. Dessen möglicher Inhalt: Kern verspricht einen halbwegs pragmatischen SPÖ-Kurs ohne allzu viel linke Weltverbesserungsfantasien (vor allem in Migrationsfragen); Ludwig und Niessl garantieren ihrerseits, den rechten Parteiflügel ruhigzustellen.

Innerparteilicher Friede garantiert noch keinen Erfolg. Kern muss mit dem Risiko leben, auch die nächste Wahl gegen Sebastian Kurz zu verlieren und als langgedienter Oppositionspolitiker, nicht als Ex-Kanzler in Erinnerung zu bleiben. Die SPÖ muss mit dem Risiko leben, dass Kern nach wiederholtem Mobbing aus den eigenen Reihen einfach zurücktritt, wie ÖVP-Obmann Michael Spindelegger im September 2014. Mit Reinhold Mitterlehner und Sebastian Kurz hatte die ÖVP allerdings gleich zwei Nachfolgekandidaten, während Kern derzeit einzig vorstellbarer Parteivorsitzender der SPÖ ist. Hans Peter Doskozil wird ein geeigneter Landeshauptmann, aber eher kein Kanzlerkandidat. Ex-Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner wäre wohl noch nicht so weit, Klubchef Andreas Schieder ein Übergangskandidat.

Verdienstvoll ist ein Parteichef dann, wenn er rechtzeitig seine Nachfolge regelt. Werner Faymann versagte dabei kläglich. Er hätte Kern schon früher als Minister in die Regierung holen und auf das Kanzleramt vorbereiten müssen. So musste Kern von null auf hundert in die Politik starten – auch ein Grund für sein späteres Scheitern. Kerns Irrtum bestand darin, sich diesen Kaltstart ins Kanzleramt zugetraut zu haben. Viele solcher Irrtümer sollte er sich nicht mehr leisten.

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Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.