Kolumne

Menschenfeindliche Gags im Internet: Schlechte Scherze

Eine neue Studie zeigt auf, wie riskant es ist, dass speziell auch im Internet viele Witze auf Kosten von Minderheiten und Frauen gehen.

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Mich regen manche Witze auf Social Media wirklich auf. Zum Beispiel gibt es ein Bild, das ein großes Klebeband zeigt. Auf dem Foto steht in fetten Lettern: „Macht aus einem „Nein, nein, nein“ ein sinnliches „Mmm, mmm, mmm“. Das Posting ist ein Witz über Vergewaltigungen. Mir fiel das Bild schon vor Jahren auf, ich habe es Facebook gemeldet. Facebook hat das Posting damals nicht entfernt, womöglich, weil nicht zur Vergewaltigung einer konkreten Frau aufgerufen wird – sondern lediglich allgemein über das Thema gewitzelt wird. Manch ein sexistischer, rassistischer oder antisemitischer Gag kann zwar durchaus verletzend sein, muss aber noch nicht gegen die internen Regeln der großen Plattformen oder gegen das Strafrecht verstoßen. Diesen Umstand machen sich auch Rechtsextreme zunutze: Sie setzen gezielt Humor ein, um ihre menschenfeindlichen Vorstellungen zu verbreiten. Vielleicht erinnern Sie sich: Als Donald Trump zur US-Wahl 2016 antrat, kursierten viele Bilder der Comic-Frosches „Pepe the frog“, es handelt sich um ein sogenanntes Meme, also eines dieser Bilder im Internet, die unzählige Male abgewandelt und als Gag neu eingesetzt werden. Auf solch einer albern aussehenden Zeichnung sah man Pepe, den Frosch, wie er vor dem Konzentrationslager Auschwitz steht und amüsiert dreinblickt. In einer anderen Bildmontage ist Pepe als orthodoxer Jude gezeichnet, und es wird suggeriert, er stünde hinter dem Anschlag auf das World Trade Center. Wenn Antisemitismus oder Frauenfeindlichkeit in humoristische Formate verpackt wird, besteht die besondere Gefahr, dass solche Inhalte a) ein größeres Publikum erreichen, b) bestehende Vorurteile noch einmal verstärken und c) für manche im ersten Moment nicht so „schlimm“ wirken – das bedeutet, dass der Antisemitismus oder die Frauenfeindlichkeit mit der Pointe ein bisschen getarnt werden.

Manch ein sexistischer, rassistischer oder antisemitischer Gag kann zwar durchaus verletzend sein, muss aber noch nicht gegen die internen Regeln der großen Plattformen oder gegen das Strafrecht verstoßen. Diesen Umstand machen sich auch Rechtsextreme zunutze: Sie setzen gezielt Humor ein, um ihre menschenfeindlichen Vorstellungen zu verbreiten.

Solche Sorgen werden durch Forschungsergebnisse untermauert. Jüngst hat die deutsche Kommunikationswissenschafterin Ursula Schmid, die an der Ludwig-Maximilians-Universität München im Rahmen ihrer Dissertation zum Thema Humor und Hassrede im Internet forscht, eine Studie dazu publiziert. Sie legte Befragten zum Beispiel unterschiedliche sexistische Memes vor sowie sexistische Äußerungen ohne humorvolle Anspielungen. Dabei stellte sie fest: „Die humoristische Hate Speech wurde oft weniger feindselig wahrgenommen. Und es dauerte auch tendenziell länger, bis Menschen bei der Hassrede, die ein Humor-Element beinhaltete, die Feindseligkeit erkannten.“ Das deutet darauf hin, dass der Humor zu einem gewissen Grad überdecken kann, wie herabwürdigend manch eine Äußerung ist. Diese Beobachtung erscheint umso alarmierender, wenn man bedenkt, wie häufig in vielen Netz-Communitys über alles Mögliche, auch über Minderheiten, mittels Memes gelacht wird: Es gibt radikale Gruppen im Netz, deren zentrales Kommunikationsinstrument Memes sind. Womöglich haben Sie schon von den „Incels“ gehört, kurz für „involuntary celibate“. Es handelt sich um (oft junge) Männer, die der Ansicht sind, der Feminismus und die Emanzipation der Frauen wären daran schuld, dass sie keine Freundin abbekommen. „Incels“ posten gerne – in ihren Augen witzige – Memes, die Frauen als geldgeil, egozentrisch und oberflächlich zeichnen, und sie machen sich auch über Gewalt gegenüber Frauen lustig. Zum Beispiel postete ein deutschsprachiger User auf X (früher Twitter) ein Foto, auf dem ein Mann heimlich einer Frau mit seinem Smartphone unter den Rock filmt. Dazu schreibt er den Satz: „was ich in meiner freizeit mache“. Das ist ein ziemlich erbärmlicher Gag – und es besteht die Gefahr, dass die Bösartigkeit solcher Witze davon überdeckt wird, wie lächerlich und dumm solche Postings anmuten. Denn eines sollte man dazu anmerken: Es ist eine Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung, wenn man Frauen ohne deren Zustimmung unter den Rock filmt. In Österreich und Deutschland ist sogenanntes Upskirting ein Straftatbestand.

Es gibt radikale Gruppen im Netz, deren zentrales Kommunikationsinstrument Memes sind. Womöglich haben Sie schon von den „Incels“ gehört, kurz für „involuntary celibate“. Es handelt sich um (oft junge) Männer, die der Ansicht sind, der Feminismus und die Emanzipation der Frauen wären daran schuld, dass sie keine Freundin abbekommen.

Die Meme-Kultur in manchen Online-Communitys kann aber bei Einzelnen die Haltung verstärken, dass alles nur ein Witz sei – und wer nicht mitlacht, gilt als Heulsuse. Dazu passend legte Ursula Schmid im Rahmen ihrer Forschung den Probanden auch antisemitische, rassistische, sexistische Memes vor. „Es gab große Unterschiede, auch nach Alter, ob Leute diese Memes verstanden. Wenn Leute diese oft genutzten Memes kannten, konnte es sein, dass sie sich zuerst an vergangene Lacher erinnerten – und erst im zweiten Schritt die feindselige Aussage darin erfassten. In manchen Fällen zeigte sich auch, dass solche Memes pauschal als nicht seriös und nicht ernst zu nehmend eingestuft wurden – und damit auch die Hassrede in den Hintergrund trat.“

Wer auf diese Schattenseite von Humor hinweist, dass dieser eben auch antisemitisch, rassistisch oder frauenfeindlich sein kann, wird schnell als „humorbefreit“ bezeichnet. Dazu muss ich aber sagen: Es gibt mehr als eine Form von Humor. Humor kann entweder nach oben oder nach unten treten, er kann Mächtige auf die Schippe nehmen oder aber Pointen zu Lasten von gesellschaftlich benachteiligten Gruppen machen. Netz-Communitys, in denen das Lachen über Schwächere als Normalität empfunden wird, laufen Gefahr, dass dort auch jene Applaus bekommen, die ideologisch motiviert nach unten ihre Witze machen.

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

war bis Dezember 2023 Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.