Kolumne

Nicht alles, was nach Altersarmut aussieht, ist tatsächlich Altersarmut

Wenn ihre Eigenpension niedrig ist und seine hoch, kommen sie miteinander über die Runden. Aber das ist ein Tabu.

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Viel war von schändlicher Altersarmut die Rede, als kürzlich wieder herauskam, dass die Pensionsbezüge der Frauen weit hinter denen der Männer herhinken. Das ist auch, keine Frage, nicht in Ordnung. Aber nicht alles, was nach Altersarmut aussieht, ist tatsächlich Altersarmut. Ganz viele Frauen kriegen ganz jämmerlich wenig Pension, doch nicht alle müssen davon leben, zum Glück. 

Ich kenne Frauen, die betrachten ihre Altersrente als vernachlässigbaren Taschengeldzuschuss, weil die Pensionsbezüge ihrer Ehemänner um ein Vielfaches darüber liegen.  Das können sie, weil ihnen ihre Ehemänner über die Midlife-Krise hinaus erhalten geblieben sind und, wie es ausschaut, auch in Zukunft nicht vorhaben, sich mit einer skrupellosen Goldgräberin in die Büsche zu schlagen. (Anderen sind die Ehemänner verstorben, was traurig ist, aber an ihrer finanziellen Absicherung nichts ändert, Stichwort Witwenrenten.)

Wie wär’s, wieder einmal über die Höchstbemessungsgrundlage nachzudenken?

Das heißt, oberflächlich betrachtet steht manchen Frauen im Alter nur ein Bettel von Einkommen zur Verfügung, der  aber bei genauerem Hinsehen zu einem annehmbaren Familieneinkommen aufgefettet wird.

Nun gilt es als unredlich, mit dem Familieneinkommen zu argumentieren, weil ungewiss ist, ob der Besserverdiener seinen Überfluss mit der schlechter Verdienenden teilt, und wenn ja, wie gerecht. Stimmt. Andererseits ist es jedoch auch nicht korrekt, das Bild der bitteren Altersarmut zu beschwören, wenn vermutet werden darf, dass zwei in aufrechter Ehe ihr Gerschtl wohl zusammenlegen werden, um sich miteinander ein halbwegs kommodes Leben zu finanzieren.

Auch das muss man einmal sagen dürfen. Man muss es vor allem dann sagen, wenn über Pensionserhöhungen und -reformen nachgedacht werden soll.

Noch gilt die Alterspension als Versicherungsleistung, deren Höhe sich nach den geleisteten Beiträgen bemisst. Frauen kriegen im Durchschnitt weniger, weil sie weniger eingezahlt haben, was wiederum mit ihrer schlechteren Bezahlung  zusammenhängt sowie damit, dass sie häufiger Teilzeit arbeiten, um ihre Berufstätigkeit mit Kinderbetreuung und Haushaltspflichten zu vereinbaren.

Verantwortlich für diesen Missstand ist einerseits die Politik, die bessere Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie schaffen müsste, aber andererseits nicht nur, weil viele Paare sehr wohl mit dem Familieneinkommen auch als Altersvorsorge kalkulieren, wenn sie sich darauf einigen, dass er mehr Zeit ins berufliche Fortkommen investiert und sie mehr Zeit ins Häusliche. Die Rechnung geht oft nicht auf, meistens zahlen dabei die geschiedenen Frauen drauf, aber wenn sie aufgeht, schaut es so aus, wie eingangs beschrieben: Ihre Pension ist klein, seine zum Glück um einiges größer. 

In betuchten Kreisen ist ihre Pension gelegentlich von vornherein nur als Taschengeld gedacht. Sie verlässt sich darauf, dass sie und er zusammenbleiben werden, er meldet sie geringfügig als Mitarbeiterin (in seiner Firma, Arztpraxis etc.) an, damit sie später ein bisschen was Eigenes hat, und nicht zuletzt, um die Ausgaben dafür von der Steuer abzusetzen. Das kann – für sie – fürchterlich schiefgehen. Wenn aber nicht, wäre es wohl ein klein wenig fehl am Platz, angesichts ihrer kleinen Eigenpension Tränen des bitteren Mitleids zu vergießen.

Und jetzt stehen wir vor der Frage: Wie gehen wir bei Pensionserhöhungen  vor? Die kleinsten Pensionen am meisten anheben? Muss wohl sein, wenn wir die Ärmsten nicht im Stich lassen wollen. Aber: alle kleinen Pensionen? 

Nach der Rechtslage: ja. Pensionsbezüge sind keine Sozialleistung. Bei der Sozialhilfe ist es anders, da führen ja sogar vermutete Familieneinkommen zu rigorosen Kürzungen, weshalb Alleinerzieherinnen oft nachweisen müssen, dass der Freund, der ab und zu bei ihnen übernachtet, kein Ernährer ist. Aber die Pension ist eine Versicherungsleistung, und deshalb spielt das Familieneinkommen hier keine Rolle. Wenn erhöht wird, dann gilt das für alle Pensionen.

Ganz gerecht ist das freilich nicht. Die abgestrudelte Vollzeitbeschäftigte, die 40 Jahre lang brav Pensionsversicherungsbeiträge eingezahlt hat, muss sich schon ein wenig gepflanzt vorkommen, wenn die Taschengeldpension der wohlversorgten höheren Gattin prozentuell um einiges mehr angehoben wird als ihre, weshalb die höhere Gattin bald genauso viel Altersrente bekommt wie sie.

Man kann halt das Versicherungsprinzip nicht aushebeln? Offenbar doch.  Sonst wären ungleiche Erhöhungen nicht möglich. Sie sind im Prinzip  notwendig, wenn der Graben zwischen den Altersversorgten nicht zu breit werden soll. Deshalb kann das kein Plädoyer dafür sein, den  Sparstift bei den kleinsten und kleinen Pensionen anzusetzen. Was 
also tun? Wie wär’s, wieder einmal über die Höchstbemessungsgrundlage nachzudenken, soll heißen darüber, ob Spitzenverdiener nicht höhere Solidarbeiträge für die Pensionsversicherung leisten sollen (von der ihre eventuellen Gattinnen eventuell unangemessen profitieren)? Käme der abgestrudelten Vollzeitbeschäftigten ohne Aussicht auf eine Höchstpension vielleicht nicht ungerecht vor.