Rainer Nikowitz: Der Kalif von Erdberg
profil: Herr Hamdullah, Sie gelten in eingeweihten Kreisen als der nächste Kalif Österreichs. Was genau befähigt Sie dazu?
Kalif: Nun, zum Ersten bin ich ein muslimischer Mann. Also wie es ihr nichtswürdigen Kuffar in der Sprache eurer schändlichen Irrlehre sagen würdet: die Krone der Schöpfung.
profil: Und abgesehen von diesem enormen Startvorteil? Wie ist Ihr Bezug zu Österreich?
Kalif: Ich bin seit acht Jahren hier, lebe von der viel zu niedrigen Sozialhilfe – und leide extrem unter der rassistischen Islamophobie.
profil: Verstehe. Wie äußert sich die in Ihrem konkreten Fall?
Kalif: Andauernd! Bei jeder Straßenbahnfahrt!
profil: Werden Sie beleidigt?
Kalif: Ja, weil: Keiner steht auf!
profil: Vielleicht, weil Sie erst 30 sind?
Kalif: Man respektiert mich und meine mir von Allah verliehene Stellung nicht. Genauso bei mir im Gemeindebau: Dort weigern sich auch alle weißen Schlampen, mir Respekt zu erweisen und meine Kleidungsvorschriften zu befolgen.
profil: Da muss ja selbst der Geduldigste irgendwann nach der Scharia schreien. Allerdings glaube ich, dass Kleidungsvorschriften auch schwer durchzusetzen sein werden, wenn Sie erst einmal Kalif sind.
Kalif: Ich bin zuversichtlich, dass mich mein grüner Koalitionspartner dabei nach Kräften unterstützen wird.
profil: Die Burka wird dann jedenfalls sicher keine Wegwerfmode sein. Und das Motto wird heißen: „Das Beste aus beiden Welten.“
Kalif: Außerdem sind die antiislamischen Hassgesetze hierzulande ein Skandal. Ein Beispiel: Wenn ich auf der Straße einen Juden mit Kippa sehe und dann das tue, was die Pflicht jedes heiligen Kriegers ist – also ihn zusammenschlage –, was passiert dann? Die Polizei verhaftet mich – und nicht den! Ist das zu fassen?
profil: Nein. Hier besteht bei uns tatsächlich noch ganz viel antikolonialistischer Aufholbedarf. Aber wir machen rasant Boden gut, vor allem unsere fortschrittliche Jugend weiß ja zum Glück genau, was zu tun ist.
Kalif: Oder: Dieses AMS will mich die ganze Zeit zwingen, dass ich arbeiten gehe. Und bietet mir dann lauter Jobs an, die unter meiner Würde sind. Und das bei meiner Ausbildung! Dafür habe ich wirklich nicht studiert.
profil: Was haben Sie denn studiert?
Kalif: Na, den Koran.
„Ich bin die Krone der Schöpfung!“
profil: Was braucht man mehr?
Kalif: Und dann hab ich noch einen Post-Graduate-Lehrgang in angewandtem Machismo und mittelschwer übersteigertem Selbstbewusstsein absolviert. Mit Auszeichnung!
profil: Lassen Sie mich raten: Aber das interessiert bei uns sicher wieder keinen, oder?
Kalif: Genau. Und da heißt es immer, Integration ist eine Bringschuld.
profil: Sagt wer?
Kalif: Alle 14 NGOs, die mich betreuen, massieren und mir das Riechsalz reichen, wenn ich wieder einmal besonders unter dem Rassismus der Kreuzfahrer leiden muss.
profil: Wobei ja diesmal genau genommen eher die anderen fahren. Die Kreuzfahrer bleiben ja zu Hause.
Kalif: Haarspalterei. Es gibt auch Kolonialismus im eigenen Land.
profil: Judith Butler und Annie Ernaux werden das sicher genauso intelligent sehen.
Kalif: Jeder zweite Ortsname hier fängt an mit „Sankt“. Das machen die Kreuzritter nur, um uns Auserwählte zu provozieren.
profil: Dabei ist das eh so schwer. Das hat man ja bei den Mohammed-Karikaturen eindrucksvoll gesehen. Oder wenn irgendein Gestörter in Schweden einen Koran verbrennt. Bleibt danach immer alles ruhig. Selbst Tausende Kilometer entfernt!
Kalif: Wir lassen uns viel zu viel gefallen. Bei anderen Weltreligionen ist das ganz was anderes. Sehen Sie sich nur einmal diese Buddhisten an. Ständig mit gefletschten Zähnen auf irgendeiner Demo am Fahnenverbrennen. So was Aggressives!
profil: Das muss daran liegen, ständig wiedergeboren zu werden. Da hat man ja nie eine Ruhe.
Kalif: Das wird aufhören. Wenn erst einmal alle dasselbe glauben müssen, wird endlich alles gut.
profil: Ja. Wie im Iran. Oder im Irak. Oder in Saudi-Arabien. Oder …
Kalif: Ganz klar, dass all diese Erfolgsgeschichten ein Exportschlager werden müssen.
profil: Wobei … Verzeihen Sie die freche Frage, aber: Warum gibt es eigentlich tatsächlich keinen islamischen Staat, der … Nun ja: funktioniert?
Kalif: Ich verzeihe die Frage nicht und werde sie daher an meinen Pressebetreuer weiterleiten.
profil: Und der beantwortet sie dann?
Kalif: Ja, der hat für solche Fälle immer ein Messer einstecken.