Satire

Ich kandidiere!

Ich will Sie nicht mehr länger auf die Folter spannen: Ja, es stimmt! Ich sitze tatsächlich mit Größen wie Gerald Grosz oder Tassilo Wallentin im selben Boot.

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Bald bekommt Österreich einen neuen Bundespräsidenten – und so, wie die Dinge nunmehr liegen, kann es natürlich nur einen geben. Denn mir sind bei Durchsicht der bisherigen Liste potenzieller Kandidaten sofort zwei Dinge aufgefallen: In diesem feinen Sammelsurium aus sowohl geistiger wie auch charakterlicher Größe fehlt einmal mindestens ein Mitglied der unverzichtbaren Familie Bohrn-Mena. Und dann natürlich: ich! 

Das gehört dringend geändert, zumindest in meinem Fall. Also habe ich mich nach reiflicher Überlegung entschlossen, den zahlreichen Rufen aus der Bevölkerung, die ich übrigens – und zumindest in diesem einen Punkt unterscheide ich mich nicht von den meisten meiner Mitbewerber – allein unter der Dusche oder nach der Betäubungsspritze beim Zahnarzt am lautesten höre, endlich nachzugeben. Und also hier und heute vor Sie hinzutreten und zu sagen: Ja, ich will! Ich will Bundespräsident werden. Und wenn ich will – dann werde ich auch.

Ich weiß schon, das behauptet Walter Rosenkranz auch. Aber den sehe ich bestenfalls als Schmutzkonkurrenz, hat er doch den wichtigsten Teil meines präsidentiellen Programms gestohlen. Denn auch ich werde selbstverständlich als erste Amtshandlung die Regierung entlassen. Die ist zwar gewählt – aber einen ebenso zünftigen wie künftigen Oberbefehlshaber wie mich stört das natürlich nicht eine Sekunde. Aber genau genommen scheint das Rausschmeißen der Regierung und ihre Ersetzung durch präsidententreue Vasallen bei allen Kandidaten die Hauptsache zu sein – neben der Ablehnung der Corona-Impfung natürlich, die ist überhaupt allererste Bundespräsidentenpflicht. Da sind sich Chemtrail-Gegner, von Roland Düringer unterstützte und schon allein deshalb unwählbare Minigolf-Europameister, mittelschwer umwölkte Esoterikerinnen, Produzenten von einem Käse namens „Geiler-Bock-de-luxe“ um 36 Euro pro 100 Gramm oder Ofenarbeiter, die polyamor leben (zeichnet sich diesbezüglich vielleicht auch ein Erlass ab?), also quasi alle, die mir meinen rechtmäßig zustehenden Platz an der Spitze der politischen Nahrungskette streitig machen wollen, ziemlich einig. Aber ich habe da natürlich wesentlich mehr programmatische Breite zu bieten. Von der Abgrundtiefe gar nicht zu reden!

Mein Programm ist sehr breit. Und tief erst!

So habe ich meine 6000 Unterstützungserklärungen in einem Aufwaschen beim letzten Heimspiel von Rapid auf der Tribüne der Ultras gesammelt. Die hatten erstens Zeit, weil das Match ja wie gewohnt ohnehin nicht zum Anschauen war, und zweitens habe ich ihnen versprochen, die Austria mittels präsidialem Dekret in die Landesliga zu versetzen – gleich nachdem ich die Regierung entlassen habe. Meine Gegner wenden da andere Methoden an, Gerald Grosz zum Beispiel kann sich auf seine unerhörte Popularität durch seine Dauerpräsenz auf oe24.tv verlassen. Für den Schnurrbart hat man ja die scherzhafte Bezeichnung „Rotzbremse“ erfunden. Fellner-Fernsehen ist so ziemlich das exakte Gegenteil davon – und Herr Grosz als wesentlicher Zulieferer der dort so begehrten Substanz klarerweise ein Star, vor allem in der boomenden Szene der funktionellen Analphabeten und mutig ihre Bürgerrechte auf Social Media auslebenden Sympathieträger. 

Selbstverständlich bin ich auch, wie Tassilo Wallentin, der in der „Krone“ Schriftstücke produziert, die zumindest auf den ersten Blick eine durchaus täuschende Ähnlichkeit mit journalistischen Hervorbringungen aufweisen – wobei allerdings in der „Krone“ diesbezügliche Vergleichsmöglichkeiten leider fehlen –, gegen die Russland-Sanktionen. Aber meine klug durchdachte Ablehnung geht klarerweise wesentlich weiter als jene der ganzen nur mit der Gehirnhälfte von Harald Mahrer denkenden Würschteln, die tatsächlich zu glauben scheinen, gegen mich auch nur den Funken einer Chance zu haben. Ich würde nämlich die Sanktionen umgehend gegen die Ukraine verhängen, weil die sich ja dem neuen moralischen Imperativ zur sofortigen Kapitulation, der meist von vor allem bei Blicken in einen Spiegel gerne als deutschsprachige Intellektuelle Erkannten erhoben wird, beharrlich verweigert. Dies würde klarerweise umgehend dazu führen, dass uns Putin wieder liebhat und uns sein Gas mehr oder minder gratis liefert, woraufhin natürlich ein sofortiger reißender Strom von Milch und Honig zu erwarten ist. 

Weiters werde ich das Problem mit dem Klimawandel lösen, ich werde nämlich ein Dekret für moderate Temperaturen bei gleichzeitig genügend Regen (der aber vor allem in den Nachtstunden fällt, um den Tourismus nicht zu beeinträchtigen) erlassen. Aber selbstverständlich muss kein einziger meiner Bürger irgendwas dazutun, geschweige denn auf etwas verzichten – wo kämen wir denn da hin? Jedenfalls nicht in die Hofburg, so viel ist sicher.  

Und sonst …? Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass ich als Erstes die Regierung entlassen würde? 

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort