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Satire

Rainer Nikowitz: Nach den Bratwürsten die Gratis-Joints? Wie Impfgegner zu bekehren wären

Impfgegner sollen jetzt mit Belohnungen zur Spritze gelockt werden. Gratis-Bratwürste funktionieren – aber leider ist nicht jede Idee so gut.

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In aller Welt wird gerade heftig darüber nachgedacht, wie man denn die zahlreichen bestens informierten Impfgegner dazu bringen könnte, sich doch noch gegen Covid impfen zu lassen. Die Überlegungen reichen dabei von der Einführung einer allgemeinen Impfpflicht, also beinhartem Zwang, über „sanften“, der entstehen würde, wenn zum Beispiel Reisen oder der Besuch von Veranstaltungen nur mehr mit Impfung möglich wären, bis hin zu Positivanreizen, also Belohnungen, am anderen Ende des Spektrums. Man versucht es zum Beispiel mit Karten für Sportereignisse oder gleich mit Geldprämien. Und in Sonneberg, einer Kleinstadt im deutschen Thüringen, gelang es jüngst, die Zahl der Impfungen gegenüber normalen, also mittlerweile recht mauen Impftagen gleich um 110 Prozent zu erhöhen: Denn wer sich an diesem Tag impfen ließ, bekam eine Bratwurst. Gratis.

Nun könnte man durchaus Rückschlüsse auf die Verfasstheit von immerhin wahlberechtigten Bürgern ziehen, bei denen alle Appelle und Warnungen von Virologen und anderen Experten nichts nützen, eine Bratwurst, die am Würstelstand ein klaffendes Drei-Euro-Loch ins Budget reißt, hingegen schon. Aber das verkneifen wir uns an dieser Stelle und richten unser Augenmerk lieber auf den beeindruckenden Erfolg der Aktion. Denn es stimmt ja: Mit Positivanreizen erreicht man wesentlich mehr als mit Zwang. Zwang, und es sei auch nur „sanfter“, verärgert den Coronamaßnahmen-Gegner nur noch mehr, als er das ohnehin schon chronisch ist, weil er ja weiß, dass er als wacher, kritischer Geist nun einmal recht hat, während alle anderen Trottel sind. Außerdem ist ihm im Gegensatz zu uns Systemschafen seine Freiheit – an die er vor Corona allerdings meist nicht allzu viele seiner stets interessanten Gedanken verschwendet hat – heilig.

Vor allem jene von Vernunft. Und dann kommt es vielleicht immer öfter zu Situationen, in denen er leider gezwungen ist, sein Corona-Notwehrrecht auszuüben (Ja, das gibt es selbstverständlich, das steht in der Verfassung, informieren Sie sich endlich einmal im Internet!). Deshalb müssen ja seit Kurzem auch die Wiener Gurgelboxen von Security-Kräften bewacht werden. Und deshalb kam es unlängst auch zu einem bedauerlichen Vorfall in einer deutschen Imbissbude, die von 20 mit Schlagringen und Pfefferspray aufmunitionierten kritischen Geistern gestürmt wurde, nachdem der Rädelsführer davor aus dem Laden geworfen worden war, weil er partout keine Maske aufsetzen wollte. Leider wurde er von den ruchlosen Angestellten des Geschäfts letzten Endes recht drastisch an der Ausübung seiner Grundrechte gehindert – und ordentlich vermöbelt. Da sieht man wieder einmal, wie traurig es heutzutage um die bürgerlichen Freiheiten bestellt ist.

Also muss man ganz eindeutig noch intensiver darüber nachdenken, mit welchen Belohnungen man Impfgegner locken könnte. Und es gibt tatsächlich schon eine Reihe neuer Ideen – mit unterschiedlichen Erfolgsaussichten. Eher nicht so gut geeignet erscheint zum Beispiel die Idee, Gratiskurse für das Erlernen von sinnerfassendem Lesen auszuloben, um etwa den Unterschied zwischen den Begriffen „Querdenker“ und „Querulant“ klarer herausarbeiten zu können. Aber das ist erstens eindeutig zu wenig bratwurstig, und zweitens wäre das ja so etwas wie Keulen nach Wattens tragen oder wie das heißt. Ähnliches gilt für den Vorschlag, ganz niederschwellige Speed-Datings mit Psychiatern anzubieten. Auch das wird eher keinen Massenansturm hervorrufen, da kann es noch so sinnvoll sein.

Ein Meet and Greet mit Herbert Kickl wiederum wäre im Prinzip zwar möglicherweise für einige Betroffene durchaus interessant. Allerdings hat sich der Mann mit dem unbezwingbaren Immunsystem eines prächtigen Karawankenbären leider nur bereit erklärt, diese vor der damit verknüpften Impfung abzuhalten – was dem Erfolg der ganzen Aktion dann doch nicht so zuträglich wäre. Ähnliches gilt für Freikarten für den Abend „Roland Düringer – Die hundert allerbrillantesten Genieblitze des unbeugsamsten aller Intellektuellen“ (Arbeitstitel; der Künstler feilt gerade an einem, der sein Selbstbild noch etwas klarer zum Ausdruck bringt).

Deutlich vielversprechender, weil nahe am Bratwurst-Prinzip, erscheint der Gratis-Joint für die feierwütige Jugend. Bei den Zeltfesten  am  Land, die der ÖVP sehr wichtig sind und deshalb auch gegenüber der regulären Nachtgastronomie bevorzugt werden, kommt das aber natürlich nicht infrage, dort sind ja nur anständige junge Menschen. Hier wäre es also viel eher „All you can drink“-Komasaufen. Und ein immer freier Parkplatz vor der Haustür wäre gerade im städtischen Bereich sicherlich ein Knüller, könnte allerdings an der Zahl der zur Verfügung stehenden Plätze scheitern – wenn sich nicht die Geimpften auch endlich einmal solidarisch zeigen und auf ihre verzichten. Und das wäre ja nun wirklich nicht zu viel verlangt. Nach allem, was war. Und vor allem, was noch kommen wird.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort