profil-Kolumnist Rainer Nikowitz
Satire

Rainer Nikowitz: Weltenbummler

Die beiden Welten, deren Bestes Kanzler Kurz vereinen will, sind natürlich: Türkis - und Schwarz.

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Der Kanzler verstand die Welt nicht mehr. Oder viel- mehr: die Welten. Wobei, eigentlich stimmte auch die- se Formulierung nicht ganz. Denn bei seiner eigenen ging es ihm natürlich wie jedem anderen vernunftbegabten Menschen auch: Die verstand der Kanzler schon. In der war ja aber auch alles, wie es sich gehörte, stand am richtigen Platz und diente dem richtigen Zweck. Seinem. Bei der Welt der anderen wurde es hingegen ein bisschen schwierig. Das fing schon beim ganz Grundsätzlichen an. Der Kanzler sah nämlich schon nicht ein, warum es überhaupt eine andere Welt als seine geben musste. Wo doch erwiesen war, dass das sicher keine Verbesserung bedeutete. Aber er war ja – auch wenn sich manche wider besseres Wissen weigerten, das anzuerkennen – schließlich durch und durch tolerant. Sonst hätte er sich ja überhaupt nie auf dieses gewagte Koalitionsexperiment mit einer halt leider sehr beharrenden Kraft eingelassen, die aus der Stein- zeit stammte – während die ÖVP ja immerhin schon in den Fünfzigerjahren angekommen war. Dann hatte er sich dafür noch von seiner Spindoktoren-Kohorte den wunderschönen Slogan vom „Besten aus beiden Welten“ in den Mund legen lassen. Genau der wurde aber jetzt leider zum Problem. Der Kanzler musste mit Bedauern feststellen, dass er sich damals womöglich präziser ausdrücken hätte lassen sollen.

Denn obwohl ja eigentlich jedem vernunftbegabten Menschen klar sein hätte müssen, was damit gemeint ge- wesen war, schienen die Grünen jetzt auf einmal zu glauben, die zweite dieser Welten sei ihre! Gut, jetzt konnte man natürlich einwenden, dass die Worte „vernunftbegabt“ und „grün“ nicht friktionsfrei im selben Satz nebeneinander existieren konnten. Aber trotzdem: Wie konnte man nur dermaßen realitätsfremd sein? Und das Offensichtliche ein- fach nicht sehen wollen? Denn klarerweise hatte der Kanz- ler immer nur von diesen beiden Welten gesprochen: Türkis – und Schwarz!

Gut, selbst der Kanzler musste einräumen, dass die Grü- nen in der bisherigen Zeit ihrer gemeinsamen Mesalliance schon einiges auszuhalten gehabt hatten. Moria, Ibiza. Den menschlich feinen Umgang des Kanzlers mit dem nicht zu- letzt deshalb Ex-Gesundheitsminister. Das hatten die Grü- nen alles recht brav geschluckt, da konnte man durchaus mit ihnen zufrieden sein. Aber sie mussten doch bitte trotzdem eines einsehen: Der Kanzler hatte schließlich seine ab- solute Mehrheit von 38 Prozent nicht wegen – und schon gar nicht für nichts! Es war doch einzig seiner unendlichen Gutmütigkeit zuzuschreiben, dass er die Grünen überhaupt ein bisschen mitregieren ließ. Aber das konnte doch um Himmels willen nicht gleich dazu führen, dass die dann auf einmal auch was wollten! Noch dazu etwas, das des Kanzlers Landesfürstchen keineswegs wollten.

Kaum gab man diesen Ökospinnern den kleinen Finger, wollten sie gleich die ganze Hand. Das war der Kanzler an- sonsten eigentlich nur von seinen Parteispendern gewohnt – aber da hatten ja dann wenigstens alle Beteiligten etwas davon. Und selbst wenn es, wie bei den jüngsten Ungeheu- erlichkeiten, die sich diese unglücklicherweise ins Infra- strukturministerium gewehte Aktivistin herausgenom- men hatte, um ein Thema ging, das für eine grüne Partei ziemlich essenziell, um nicht zu sagen fundamental war, nämlich die Eindämmung des Verkehrs zum Zweck des Klimaschutzes: Das war doch dem Kanzler der Herzen wurscht! Er war der Wirtschaft im Wort. Und seinen Regio- nen. Die hatten ihn schließlich gewählt, dort war also die Weisheit zu Hause, auch in wissenschaftlichen Dingen. Da brauchte man sich als leuchtendes Beispiel nur einmal die Köstinger Elli anschauen. Die kam ja auch aus einer Region. Und was die alles wusste!

Wenigstens eines musste man den Grünen in dieser traurigen Angelegenheit, die wieder einmal bewies, was für blutige Amateure alle außer dem Kanzler waren, allerdings zugutehalten: Diese Gewessler ärgerte mit ihrer „Evaluierung“ des Lobautunnels wenigstens auch den Wiener Bürgermeister, also die roten Gfrieser. Das machte zwar nicht alles wieder gut, aber die ganze Geschichte zumindest um einiges erträglicher. Und der Kanzler würde die SPÖ auch beizeiten an diesen Moment der Gemeinsamkeit erinnern, den die Grünen ihr und der ÖVP beschert hatten. Spätestens dann, wenn er nach vorzeitigen Neuwahlen wieder einmal auf der Suche nach einem verlässlichen Partner war, der seine an sich eh absolute Mehrheit noch ein klitzekleines Bisschen unterstützte. Ja, er hatte alle, die dafür numerisch infrage kamen, schon einmal verschlissen. Aber warum den Reigen nicht noch einmal von vorne beginnen? Man hatte ja schließlich eine Verantwortung für das große Ganze. Zumindest hatte der Kanzler gehört, dies sei in anderen Welten manchmal so. Und das, das war dann tatsächlich das Beste.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort