Rainer Nikowitz
Satire

Rainer Nikowitz: Orange Is The New Black

Um Sophie Karmasin muss einem nicht bange sein. Gute, ehrliche Arbeit setzt sich schließlich überall durch.

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Sophie war mit den Ergebnissen ihrer letzten Umfrage nicht wirklich glücklich. 61 Prozent wollten Reisfleisch haben – und nur 39 Prozent Grünkernlaibchen? Das war doch nicht möglich! Reisfleisch, igitt! Da bekam man einmal die Möglichkeit zur Mitbestimmung beim Menü. Zur Feier des Geburtstages der Direktorin  – und die hatte eben nur einmal im Jahr Geburtstag. Auch wenn die gemeine Schnepfe nach eindeutig öfter aussah. Ein Wahltag stand also bevor.  Und dann Reisfleisch? Das war schwer zu verdauen. Wenn Sophie dieses Ergebnis vor der Abstimmung veröffentlichte, war die gelaufen. Dann ging die Grünkern-Fraktion ja gar nicht mehr hin. Da musste man also etwas unternehmen. 

Es lag sicher auch am Personal. Man bekam hier ja einfach kein vernünftiges. Wobei, genau genommen war das ja draußen auch schon so gewesen … Sophies grimmiger Blick wanderte kurz zu dem Foto an der Wand: eine Frau, der sie eine Zielscheibe aufgemalt hatte. Diese B.! Hatte viel mehr erzählt, als nötig gewesen wäre! Darüber würde noch zu sprechen sein, eines Tages. 

Jedenfalls hatte jetzt nur die taube Tina Sophie beim Umfragen helfen wollen. Die ging also auch von Zelle zu Zelle. Eigentlich war die Tina ja nur auf einem Ohr taub. Dennoch hatte Sophie den Verdacht, dass schon dieses eine Ohr die Schwankungsbreite beträchtlich erhöhte. Sie war deshalb taub, weil ihr Zuhälter damals direkt neben ihrem Ohr die Pistole gehalten hatte, mit der er auf einen anderen Zuhälter geschossen hatte. Knalltrauma. Da war es zwar eigentlich nur gerecht gewesen, dass der Kerl gleich anschließend auch auf einem Ohr nichts mehr gehört hatte. Aber der Richter hatte gefunden, dass ihn die Tina dazu nicht unbedingt unter den gerade vorbeifahrenden Lkw stoßen hätte müssen. Und überhaupt. 

Vielleicht lag der Fehler bei Sophies jüngster Umfrage ja auch in der Zusammensetzung des Samples. Vielleicht hätte sie ja doch die wirklich schweren Ladys aus dem Isolationstrakt auch miteinbeziehen sollen.

Oder vielleicht lag der Fehler ja auch woanders. Eher an der Zusammensetzung des Samples zum Beispiel. Dass da möglicherweise nicht alle relevanten Gesellschaftsschichten entsprechend abgebildet worden waren. Vielleicht hätte Sophie ja den Isolationstrakt mit den ganz schweren Ladys doch auch einbeziehen sollen. Andererseits wirkten die Damen dort im Schnitt eher nicht so wahnsinnig vegan. Und außerdem hatte Sophie dem Angebot der schnellen Susi misstraut, gegen Bezahlung in Zigaretten die Umfrage dort per Morsesignalen über die Abwasserrohre durchzuführen – denn in den Isolationstrakt kam man ja klarerweise nicht rein. Und online war auch eher schwierig.

Aber die schnelle Susi saß schließlich wegen Trickbetrugs ein – also wegen so etwas Ähnlichem wie Sophie. Und seit ihr die grausame Gerda, die bulgarische Ex-Wrestlerin, deren mitunter etwas problematisches Konfliktlösungsverhalten auch außerhalb des Rings sie hierher gebracht hatte, seit ihr also ausgerechnet die draufgekommen war, dass Studentenfutter gar nicht aus Studenten gemacht war und sie es also damit durchaus die ganze Zeit über selbst essen hätte können, statt es immer angewidert an Susi weiterzureichen, seitdem fehlten ihr oben zwei Schneidezähne. 

Die Susi konnte wahrscheinlich überhaupt nicht morsen und hätte irgendeinen Blödsinn erfunden, alles, was Sophie hören wollte, nur um an die Tschick zu kommen. Aber so viel Stolz, so viel Berufsehre hatte Sophie nun auch wirklich hier drin noch, um von einem eisernen Prinzip sicher nicht abzugehen: Ihre Umfragen fälschte immer noch niemand – außer sie selbst. 

Wobei das hier drin natürlich auch ganz schön gefährlich sein konnte. Einmal hatte es Sophie schon fast zu weit getrieben, als sie nämlich im Fernsehraum einer dort versammelten Gang der für ihre besondere Härte bekannten Innviertlerinnen erklärte, über eine wasserdichte Umfrage zu verfügen, die besagte, der allgemeine Wunsch sei, dass man umschalten solle. Damals lief auf einem Kanal „Ein Schloss am Wörthersee“ und am anderen „Hohes Haus“. Und siehe da: Frechheit siegte! Die Innviertlerinnen zogen, wilde Flüche in einer unbekannten Sprache ausstoßend, ab. Und dabei war es doch Sophie ganz allein gewesen, die lieber das „Schloss am Wörthersee“ sehen hatte wollen! Mit der Politik wollte sie schließlich nichts mehr zu tun haben. Das war ja so ein schmutziges Geschäft!

Jedenfalls: Wenn ihr die Innviertlerinnen da draufgekommen wären, hätte das ihrem Teint garantiert geschadet. Und was, wenn sie jetzt am Reisfleisch-Ergebnis ein wenig schraubte, dann aber aufflog, weil die taube Tina leider nicht stumm war – und dann stellte sich leider heraus, dass die grausame Gerda vielleicht eine ganz entschiedene Reisfleisch-Befürworterin war?
So konnte Sophie nicht arbeiten. Dann eben Reisfleisch. Und nur noch 174 Tage bis zur Fußfessel. 

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort