profil-Kolumnist Rainer Nikowitz
Satire

Rainer Nikowitz: Rotlauf

Die SPÖ-Funktionäre sind also nachgerade uferlos überzeugt von ihrer Chefin. Keine Frage, dass ähnliche Triumphe bei den Wählern vorprogrammiert sind.

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Die SPÖ befindet sich im Dauerhoch. Und dies eigentlich schon, seit das ebenso kluge wie moralisch höchststehende „Team Haltung“ den letzten peinlichen Loser an der Parteispitze, der ja bekanntlich überhaupt nichts draufhatte, außer es irgendwie zu schaffen, siebeneinhalb Jahre lang Bundeskanzler zu bleiben, an jenem legendären 1. Mai 2016 wegen zu leisen Willkommensklatschens vom Rathausplatz und aus dem Amt gepfiffen hat. Nach Werner Faymann wurde aber zum Glück alles radikal besser.

Christian Kern überzeugte mit der taktisch brillanten Ausrichtung der Partei auf das von sonst praktisch niemand umworbene Innenstadtpublikum – und fast noch mehr mit der ungeheuren Zähigkeit, die er in den Mühen der Ebene bewies. Leider kam dann zuerst einmal eine Wahl, die nicht so ausging, wie es verdient gewesen wäre; und dann halt ein Aufsichtsrats-Angebot der russischen Staatsbahn, das er einfach nicht ablehnen konnte,  so gerne er auch noch länger markiger Oppositionsführer geblieben wäre.

Aber wenigstens hinterließ er seiner Partei noch ein Abschiedsgeschenk, von dem sie bis heute etwas hat. Und zwar in Person seiner Nachfolgerin, der von ihm inthronisierten Pamela Rendi-Wagner. Dass sie die Arbeiter von der FPÖ (oder mittlerweile Türkis) zurückgewinnen würde, glaubte schon damals eigentlich niemand, aber ehrlich jetzt: Die hatten ja eh meistens die falschen Ansichten, die ihnen ihre Heimatpartei nicht und nicht austreiben konnte; und sie rochen meistens auch noch schlecht.

Dann schon lieber Feministinnen und Bobos, als Großpartei kann man sich seine Wähler ja zum Glück aussuchen. Rendi-Wagner ist es folgerichtig mittlerweile gewohnt, von Sieg zu Sieg zu eilen. Ihre Strähne begann gleich bei ihrer ersten Nationalratswahl, als sie aus dem Stand unglaubliche 21,2 Prozent der BürgerInnen für sich und ihre selbstverständlich absolut richtige Themensetzung begeistern konnte – während gleichzeitig desaströse 62,5 Prozent aus ihrer Abscheu gegenüber der Politik von Sebastian Kurz keinen Hehl machten und ihn nicht wählten. Leider wurde das allerdings in keinem der zahlreichen Nachwahl-Kommentare in den Medien erkannt. Da konnte man wieder einmal sehen, in welch traurigem Zustand sich die österreichische Presselandschaft befindet.

Aber bald danach folgte ohnehin Rendi-Wagners völlig zu Recht in die Parteigeschichte eingegangener Triumph bei der Mitgliederbefragung. Unfassbare 71 Prozent stärkten Päm dabei, wie von ihr gewünscht, den Rücken, und das bei einer Beteiligung von 42 Prozent. Also sprachen sich insgesamt nahezu 30 (!) Prozent aller SPÖ-Mitglieder aktiv für den Verbleib ihrer Chefin aus. Wenn das kein Erdrutschsieg ist, was dann? Wie der wohl ausgesehen hätte, wenn es denn zum Beispiel einen Gegenkandidaten gegeben hätte?  
Ihre fulminanten und zweifellos noch wichtigeren Siege bei den Landtagswahlen im Burgenland und in Wien will Rendi-Wagner zwar nach wie vor nicht an die große Glocke hängen – doch ihr Beitrag dazu muss ja selbst nicht wohlmeinenden Betrachtern sofort ins Auge springen.

Mittels kluger Enthaltsamkeit bei jeglichen öffentlichen Auftritten in den besagten Bundesländern schaffte sie es einerseits, die atemlose Spannung unter ihren Fans aufrechtzuerhalten, und andererseits, den beiden doch eher farblosen Landeshauptmännern auch einmal eine Chance zur Profilierung zu lassen. Vor allem Hans Peter Doskozil hätte seine absolute Mehrheit niemals ohne das taktische Genie seiner Bundesparteichefin geschafft, das war ja wohl jedem klar. Außer Doskozil selbst leider. Aber das war halt der typisch toxische Neid eines erfolglosen Mannes auf eine erfolgreiche Frau.

Doch selbst angesichts dieser, für die immer noch recht kurze Zeit ihrer Obfrauschaft schon beeindruckend lange Liste zählbarer Erfolge kam der jüngste in seiner ungeheuren Wucht sicherlich überraschend. 75,3 Prozent! Auf einem eigenen Parteitag! Rendi-Wagner schaffte es also, sogar noch mehr eigene Funktionäre auf ihre Seite zu ziehen als eigene Parteimitglieder! Noch nie in der ruhmreichen Historie der Sozialdemokratie konnte der (die) jeweilige große Vorsitzende ein derartiges Ergebnis einfahren.

Nicht einmal Faymann, diese reaktionäre Lusche. Angesichts dessen mag man sich gar nicht ausmalen, zu welchen Ergebnissen Rendi-Wagner noch fähig ist. Vor allem, wenn dann wieder einmal auch Nicht-Rote mitstimmen dürfen. Ganz klar: The sky is the limit! Und jetzt ist zwar leider der jüngste und angesichts der schweren See, in der sich die ÖVP gerade befindet, wirklich grenzgenial getimte Staatsbürgerschaft-für-alle-Vorstoß schon wieder ein bisschen verpufft. Aber wir alle kennen doch mittlerweile unsere SPÖ: Ihr wird sicher wieder etwas einfallen. Und es wird sicher wieder erstaunlich werden. Mindestens.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort