profil-Kolumnist Rainer Nikowitz
Satire

Rainer Nikowitz: Kalte Schulter

Mit ein bisschen mehr Einbindung der ÖVP hätte der grüne Bundeskongress ein spektakulärer Neustart in den koalitionären Beziehungen werden können. Aber leider.

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Natürlich entsendet die ÖVP seit jeher Feindbeobachter zu den Parteitagen des jeweiligen Koalitionspartners. In normalen Zeiten reicht das für ihre Zwecke auch völlig aus. Aber leider haben wir ja gerade keine normalen Zeiten. Ein Bundeskanzler, eine ganze Partei wird von einer gewissenlosen Opposition und einer mehr als willfährigen Justiz gejagt. Gerade jetzt hätte die ÖVP ihren Partner also wirklich dringend gebraucht. Nicht nur wegen der politischen Unterstützung. Nein, auch wegen der menschlichen Wärme. Und darum wollte die ÖVP diesmal keine Beobachter entsenden, sondern vielmehr Botschafter. Die am grünen Bundeskongress das entfalten hätten sollen, mit dem Türkis ja in erster Linie so viele Menschen bezaubert – diesen unwiderstehlichen Charme! Aber leider können die Grünen als Zeitgeistpartei ja im Moment fast gar nicht mehr anders, als der ÖVP bestenfalls gerade noch halbherzig zur Seite zu springen. Also haben sie sich aus Angst vor ihrer eigenen Basis gegen die Umsetzung dieser „Wenn wir schon nicht gemeinsam an einem Strang ziehen, hängen wir zumindest an einem“-Idee entschieden. Sonst hätte sich die Nachberichterstattung zum Bundeskongress wenigstens in befreundeten Medien auch so lesen können …
 

„Die Verbundenheit der beiden Koalitionspartner, diese schiere Kraft der Begeisterung füreinander und die vor allem von grüner Seite zu Recht immer wieder stark spürbare Dankbarkeit, Teil dieser Regierung sein zu dürfen, wurde auf verschiedenste Weise demonstriert. Am Rednerpult streute Vizekanzler Kogler dem Bundeskanzler Rosen. Seine immer wieder von beherztem Ringen um die richtigen Worte zur Beschreibung des Phänomens, mit dem er Tag für Tag zusammenarbeiten darf, unterbrochene Eloge auf die sachliche Beschlagenheit und die hervorragenden Leadership-Qualitäten des Kanzlers gipfelte in der wörtlichen Feststellung: ‚So einen Menschen habe ich noch nie erlebt!‘ In der darauffolgenden Grußadresse von Sebastian Kurz trat der denn auch sofort den Beweis an, dass dieser Eindruck nicht von ungefähr kommt, indem er sagte: So gehe es jedem.
Bei den darauffolgenden Standing Ovations war es nicht völlig unerwarteterweise Rudi Anschober, der als Erster aufsprang.

Die Freude an der Zusammenarbeit und die ehrliche Zuneigung waren aber auch abseits des Rednerpults spürbar. Sigrid Maurer und Gust Wöginger wurden hinter der Bühne dabei beobachtet, wie sie, umgeben von einer Traube von ob der Bedeutung ihres Gastes ganz aufgeregt rotbackigen Jung-Grünen, ihre schönsten gemeinsamen Koalitions-Abende Revue passieren ließen. In ihren  liebevoll vorgetragenen und mit Anekdoten gespickten Geschichten spielten dem Vernehmen nach postfeministische Diskurstheorien ebenso tragende Rollen wie Diavorträge von Familienurlauben in Rhodos im Jahr 1988.

Im Showprogramm trat – übrigens als einziger Act neben ‚La Folie‘, dem singenden Solarpaneel – ein ausgesprochen gut gelaunter Wolfgang Sobotka auf und hatte mit seiner Neuauflage des TV-Klassikers ‚Wer dreimal lügt‘ die Lacher auf seiner Seite. Bei seinem schwarzhumorigen Quiz siegte schließlich Nina Tomaselli, grüne Fraktionsführerin im – von Sobotka ja gar nicht so unähnlich moderierten – Ibiza-Untersuchungsausschuss. Sie hatte bei der – zugegebenermaßen nicht ganz ernst gemeinten – Stichfrage um einen Hauch schneller als ihre letzte verbliebene Konkurrentin Alma Zadić die richtige Antwort gehabt. ‚Mit wem würden Sie eher gemeinsam auf Urlaub fahren wollen: mit dem Gernot Blümel – oder mit mir?‘, hatte der alte Lauser Wolfgang gefragt und somit bei seinem Auftritt natürlich auch die letzte Chance auf eine Pointe nicht liegen gelassen. Richtige Antwort: ‚Ich bleib daheim!‘ Sie kam wie aus der Pistole geschossen. Wie auch Sobotkas dröhnendes Lachen, mit dem er diese Antwort zur richtigen und Tomaselli zur Gewinnerin des Hauptpreises, eines Exemplars der Memoiren von Reinhold Mitterlehner, erklärte. Die ÖVP versteht sich nämlich durchaus auch auf Selbstironie, so ist das nicht. Darum ist sie den Grünen ja so sympathisch. Unter anderem. 

Nach dem Ende des offiziellen Teils ging es – selbstverständlich unter Einhaltung sämtlicher Corona-Regeln – noch länger gemütlichst weiter. Alma Zadić sang in der Bar, an der Basstrommel begleitet von Andreas Hanger, der ebenfalls noch kurz vorbeigeschaut hatte, die ÖVP-Justiz-Hymne ‚Der Papa wird’s scho richten!‘ Der schlug mit einer Volksweise zurück: ‚Fein sein, beinander bleiben‘. Leonore Gewessler trank mit Harald Mahrer Dosenbier und – Achtung, Wortwitz! – pfand nichts dabei. Und der Vizekanzler erklärte schließlich feierlich, niemals, unter gar keinen Umständen mit jemand anderem eine Koalition einzugehen. Dass er unmittelbar vorher mit dem Schirmständer Bruderschaft getrunken haben soll, war bloß eine böswillige Verleumdung.“

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort