Satire

Rainer Nikowitz: Ruf doch mal an!

Hans Peter Doskozil sagt, er habe kein Problem damit, sein Telefonprotokoll für den Tag des Commerzialbank-Desasters öffentlich zu machen. Dann ist es ja gut.

Drucken

Schriftgröße

06.00 Uhr. Wie jeden Tag in der Früh einen Weckruf des anderen Retters der SPÖ erhalten. Der Lercher Max schlägt vor, dass ich heute zur Abwechslung einmal ein Interview geben sollte, in dem ich den Zustand und die desaströsen Umfragewerte der Bundes-SPÖ bedaure, gleichzeitig aber betone, dass ich selbstverständlich keine Führungsdiskussion anzetteln will. Da es mir selbst auch so vorkommt, als hätte ich das schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr getan-oder zumindest einen Tag, vielleicht auch eineinhalb-,willige ich selbstverständlich ein.

08.15 Uhr. Gerade das letzte Telefoninterview zum desaströsen Zustand der Bundes-SPÖ gegeben. Wenn man mit Medien auf eine so konstruktive Weise zusammenarbeiten kann, dann geht es ja. Aber leider verbreiten die meisten nur Fake News über das Burgenland und haben außerdem einen völlig unerklärlichen Hang zum SPÖ-Bashing. Stil kann man halt nicht lernen, sag ich immer. So, damit wäre mein Tagewerk eigentlich erledigt. Wahnsinn, ich bin schneller fertig als der Häupl früher!

10.23 Uhr. Kein Anruf von Martin Pucher.

11.11 Uhr. Mein Landesrat Christian Illedits ruft an und fragt, ob ich schon gesehen hätte, dass der Goldpreis heute schon wieder ein neues Rekordhoch erreicht hat. Als ich das verneine, lacht er mich aus und sagt, dass ich in Anlagedingen noch viel lernen müsse. Aber er könne mir gerne die Tipps von seinem Bankberater weitergeben, die seien nämlich absolut wasserdicht. Traumrenditen-und das völlig ohne Risiko! Jetzt bin ich zwar natürlich von Beruf Antikapitalist, aber ich werde mir das einmal genauer anschauen-vor allem, bei welcher erstaunlichen Bank der Illedits wohl ist!

14.24 Uhr. Anruf von einem gewissen Herrn Hermann Konkursits. Er stellt sich als Platzwart des SV Mattersburg vor. Der Mann ist kaum zu verstehen, was nicht nur am mitunter problematischen burgenländischen Dialekt liegt, sondern vor allem daran, dass er ungeheuer aufgeregt ist. Seinen leider einigermaßen wirren Ausführungen kann ich am Ende eigentlich nur entnehmen, dass er irgendwie das Gras wachsen hört. Das stelle ich mir zwar auf die Dauer ziemlich unangenehm vor - aber andererseits wäre er eigentlich ein schlechter Platzwart, wenn er das nicht täte, oder nicht? Und er tut mir zwar eh leid, aber andere haben schließlich auch Tinnitus oder so was. Also lege ich irgendwann auf.

15.02 Uhr. Schon wieder kein Anruf von Martin Pucher - wie ich ausdrücklich betonen möchte!

16.04 Uhr. Anruf von einer Frau Hermine Pleschkovits. Ich kenne die Dame nicht, und sie wäre trotz meiner legendären Bürgernähe auch niemals zu mir durchgestellt worden, wenn sie nicht glaubhaft versichert hätte, die Stiefschwester des Großcousins der Wahltante des Fitnesstrainers der Stammwirtin des Mannes der Bezirkshauptfrau von Eisenstadt zu sein-und als solche wohlinformiert über beunruhigende Entwicklungen bei der Commerzialbank. Jetzt ist das zwar einerseits ein im Burgenland völlig normaler Weg der Informationsverbreitung. Aber was soll da schon groß sein?

17.14 Uhr. Immer noch kein Anruf von Marin Pucher!!

17.22 Uhr. Die Ereignisse überschlagen sich: Anruf von Frau Josefine Radakovits. Ich kenne zwar auch diese Dame nicht, aber sie versichert glaubhaft, die Nichte der Stiefschwester des Großcousins der Wahltante des Fitnesstrainers der Stammwirtin des Mannes der Bezirkshauptfrau von Eisenstadt zu sein. Sie bestätigt im Wesentlichen die Angaben ihrer wohlinformierten Tante. Da scheint tatsächlich irgendwas Urarges bei der Commerzialbank in Mattersburg los zu sein. Muss mich da morgen gleich nach dem Weckruf vom Lercher Max einmal schlaumachen. Oder vielleicht lieber doch noch heute?

17.30 Uhr. Anruf von mir bei der FMA. Sie rufen zurück.

19.31 Uhr. Anruf Martin Pucher. Das könnte zwar möglicherweise irgendwie wichtig sein, aber ich kann gerade wirklich nicht abheben, weil ich ja schauen muss, ob sie in der Einser-"ZIB" etwas über mich und meine Sorgen wegen des desaströsen Zustands der Bundes-SPÖ bringen.

20.30 Uhr. Rückruf von der FMA. Was soll ich sagen: Scheiße! Aber ich hab's ja gleich geahnt. Wie bei den meisten anderen Sachen hab ich auch dafür ein untrügliches Gespür. Und der Pucher braucht mich nie wieder anrufen!

21.40 Uhr. Anruf vom Chef des Regionalmanagements Burgenland. Er hat dummerweise das Passwort für sein Online-Konto vergessen. Ich weiß es zum Glück noch: Abheben!

23.44 Uhr. Anruf von Pamela Rendi-Wagner. Also nicht, dass sie sich gemeldet hätte - oder sonst etwas gesagt. Aber wer sollte denn sonst einfach nur eine Minute lang höhnisch ins Telefon lachen?

[email protected]

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort