Robert Treichler: Die Milliarden-Dollar-Frage

Sollen die Demokraten Superreiche ächten? Oder sollen sie einen davon zum Präsidentschaftskandidaten wählen?

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Diejenigen unter Ihnen, die weniger als eine Milliarde Euro an Vermögen besitzen (und ich befürchte, das gilt für Sie alle und bedauerlicherweise auch für mich), werden in dem Konflikt, um den es hier geht, möglicherweise befangen sein. Die Kontrahenten sind: eine Politikerin, der das Wohl der Bevölkerung ein Anliegen ist und die deshalb die Steuern für gierige Superreiche erhöhen will, auf der einen Seite, und auf der anderen – die gierigen Superreichen.

Doch ehe wir Leider-nicht-Milliardäre uns flugs darauf einigen, dass die Politikerin natürlich recht hat und die egoistischen Geldsäcke verdammt noch mal mehr zahlen sollen, sehen wir uns die Auseinandersetzung kurz an.

Die Politikerin ist Elizabeth Warren, eine der aussichtsreichsten Kandidatinnen der Demokraten bei den Vorwahlen zur US-Präsidentschaftswahl. Sie fordert eine zusätzliche Steuer auf Vermögen ab 50 Millionen Dollar, aber das ist gewissermaßen nur der ökonomische Aspekt ihrer Kampagne. Der politisch-atmosphärische Teil besteht in einem permanenten Sticheln gegenüber den Superreichen, die Warren für mehrere Übel verantwortlich macht: Sie nähmen mittels Millionenspenden schädlichen Einfluss auf die Politik; sie hielten die Wirtschaft des Landes im „Würgegriff“; und sie säßen selbstsüchtig auf viel zu viel Geld.

Oder, einfacher formuliert: Eat the Rich.

Warrens Ton gegenüber den Superreichen ist nicht aggressiv, eher herablassend. Dem Milliardär Leon Cooperman riet sie in einem Tweet, er solle doch „ein bisschen mehr zahlen, damit auch andere eine Chance auf den American Dream“ hätten. Dazu hat Warren einen „Rechner für Milliardäre“ ins Netz gestellt, weil diese „verwirrt scheinen“, wie viel sie gemäß ihres Plans an Steuern zu zahlen hätten. Die Namen dreier Reicher kann man dort samt voreingestelltem Vermögen anklicken: Leon Cooperman (3,2 Mrd.), Bill Gates (107 Mrd.), Mike Bloomberg (52 Mrd.).

Wie reagieren die Genannten?

Cooperman, CEO des Investmentberatungsunternehmens Omega Advisers, schrieb Warren einen fünf Seiten langen Brief, der vergangene Woche veröffentlicht wurde. Darin beklagt er sich, dass Warren ihn behandle wie „ein Elternteil ein undankbares Kind“. Er erläutert, wie er so reich geworden ist, und listet auf, was er mit seinem vielen Geld anstellt. Cooperman ist der Sohn polnischer Einwanderer, der Vater war Installateur in New Yorker Stadtteil South Bronx. Leon war der Erste in der Familie mit einem College-Abschluss, heuerte danach beim Investment-Haus Goldman Sachs an, ehe er sein eigenes Unternehmen gründete. Er finanziert Spitäler, Universitäten, Stipendien und ist Unterzeichner des „Giving Pledge“-Programms der Milliardäre Warren Buffett und Bill Gates. Alle „Giving Pledge“-Teilnehmer verpflichten sich, mindestens die Hälfte ihres Vermögens wohltätigen Zwecken zukommen zu lassen. Buffett selbst will nach eigenen Angaben 99 Prozent spenden.

Die Demokraten Roosevelt und Kennedy, angesehene Präsidenten, waren reich.

Das entspricht nicht so recht dem Bild des gierig-geizigen Milliardärs, dem die Armen egal sind. Microsoft-Mitgründer Bill Gates, der mit seiner Ehefrau Melinda die größte private Stiftung der Welt ins Leben gerufen hat, um unter anderem Gesundheitsprogramme in der ganzen Welt zu finanzieren, stichelte auf Twitter, er sei sich nicht sicher, ob Elizabeth Warren bereit sei, „sich mit jemandem zusammenzusetzen, der große Mengen Geld hat“. Aber ja, das sei sie, beeilte sich Warren zu entgegnen.

Es ist unübersehbar, dass sich zwischen den Warren-Demokraten und den Reichen eine Front gebildet hat. Warrens politischer Ansatz ist für uns Europäer durchaus nachvollziehbar: Höhere Steuern für Reiche einzuheben, um ein staatliches Krankenversicherungsprogramm oder den Universitätszugang für alle zu finanzieren, entspricht unserem Umverteilungsethos. Allerdings hat sich in den USA eine Tradition gebildet, wonach Reiche sich als Philanthropen betätigen und dabei weit mehr spenden, als selbst die höchsten derzeit diskutierten Steuersätze ihnen abverlangen würden. Dafür bestimmen sie selbst, wer das Geld bekommen soll.

Es spricht einiges für das Steuermodell und gegen das Spendenmodell, doch ein Bruch mit dieser gewachsenen Wohltätigkeitskultur könnte auch viel kaputt machen.

Zudem ist es ein Unterschied, höhere Steuern einführen zu wollen (dagegen haben Cooperman, Gates und andere Superreiche oft gar nichts) oder gleich das Reichsein, den Inbegriff des geglückten amerikanischen Traums, zum Übel zu erklären. Warren und ihre Fans tun Letzteres. Das ist ziemlich unklug. Im Übrigen waren mit Roosevelt und Kennedy zwei der angesehensten demokratischen Präsidenten reich.

Jetzt kommt die Pointe. Der Dritte im Bunde der Milliardäre auf Warrens Online-Rechner, Mike Bloomberg, ließ vergangene Woche durchsickern, dass er als Überraschungskandidat bei den Vorwahlen der Demokraten antreten könnte. Der 77 Jahre alte Ex-Bürgermeister von New York, Philanthrop und selbstverständlich auch „Giving Pledge“-Unterzeichner, fürchtet, die bisherigen Kandidaten würden gegen Donald Trump verlieren.

Die Milliarden-Dollar-Frage: Kann ein Superreicher noch Präsidentschaftskandidat der Demokraten werden? Tipp: Darauf sollten Sie nicht mehr als 50 Cent wetten.

[email protected] Twitter: @robtreichler

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur