Satire

Rainer Nikowitz: Roter Faden

Der Fehler bei der Kampfabstimmung zwischen Babler und Doskozil war leider nicht der erste seiner Art. Jetzt muss die Parteigeschichte der SPÖ neu geschrieben werden!

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Endlich einmal macht die SPÖ international jene Schlagzeilen, die ihr ansonsten ungerechterweise meist verwehrt bleiben. Aber der kleine Rechenfehler, der zu dieser neuen Prominenz geführt hat, ist ja schon wieder so gut wie vergessen. Vor allem innerhalb der Partei, hier ist man begreiflicherweise eher geneigt, nunmehr hoffnungsfroh nach vorn zu blicken-also in eine mit ziemlicher Sicherheit blauschwarze Zukunft. Schließlich wurde der Fauxpas ja schnell entdeckt und korrigiert, es ist also quasi nichts passiert. Man stelle sich aber nur einmal vor, ORF-Anchor Martin Thür hätte sich am vergangenen Wochenende nicht Excel gewidmet, sondern einem seiner anderen Hobbys-also dem Auswendiglernen aller Kommastellen von Pi oder dem Ordnen aller Bücher in seiner Heimbibliothek, und zwar aufsteigend nach Seitenzahl. Wenn Thür nicht nachgefragt hätte, wäre man möglicherweise erst in einigen Monaten oder gar Jahren draufgekommen, dass da ein Hoppala passiert ist. Oder der Fehler wäre überhaupt unentdeckt geblieben, bis sich irgendwann in ferner Zukunft vielleicht ein Historiker bemüßigt gefühlt hätte, einen Blick in die Akten zu werfen.
 

Dieser Blick zurück hat auch jetzt stattgefunden, aus Gründen. Und leider sind die Parteihistoriker tatsächlich draufgekommen, dass die Beziehung der SPÖ zu Zahlen im Lauf der Geschichte immer wieder einmal gewisse Krisen zu überdauern hatte. Und damit ist jetzt nicht einmal die Finanzierbarkeit diverser Wahlversprechen oder die Performance etwaiger roter Finanzminister in den letzten Jahren gemeint, nein, es gibt offensichtlich mit noch weiteren internen Wahlergebnissen das eine oder andere unangenehme Problem.

Und man würde es Michael Ludwig ja gerne ersparen, jetzt, wo er sich durch den Doch-noch-Sieg Bablers wieder halbwegs erholt hat von all den schmerzhaften Blessuren, die er und sein Machtanspruch innerhalb der SPÖ in den letzten Wochen erleiden mussten. Aber es gibt leider keine schonende Art, es zu sagen, also am besten geradeheraus damit: Michael Ludwig ist gar nicht Wiener Bürgermeister. Also ja, er ist es schon. Diese Wahl wurde ja nicht von einem SP-Expertenteam ausgezählt, das Ergebnis stimmt also. Aber: Ludwig hätte gar nicht erst antreten dürfen, denn er ist nicht Vorsitzender der Wiener SPÖ-sondern leider nur der SPÖ-Floridsdorf. Bei der Kampfabstimmung gegen Andreas Schieder wurden nämlich auch die Ergebnisse vertauscht. Damals allerdings noch nicht in Excel, Grund für die Verwechslung waren vielmehr Auffassungsunterschiede des Bedienpersonals über die Farbtöne "Rot" und "Dunkelrot" bei den Holzperlen der Rechenmaschine.

Wie die SPÖ mit dieser Information weiter verfährt, ist noch offen. Dem Vernehmen nach überlegt man, diesbezüglich eine Mitgliederbefragung nur in Wien durchzuführen, deren Ergebnis dann nicht gilt.
 

Beim Hainfelder Parteitag wurde Victor Adler zum SPÖ-Vorsitzenden gewählt. Zumindest dachte man das bisher.

Ein anderer Fehler, der eruiert werden konnte, hatte wenigstens nicht das Zeug, den Lauf der Geschichte zu beeinflussen. Die nachträgliche Korrektur des Wahlergebnisses von Pamela Rendi-Wagner beim Parteitag 2021 von 75 auf 57 Prozent-die Legasthenie der Eingabeperson war leider viel zu lange unerkannt geblieben-ändert gar nichts. Selbst wenn damals gleich das richtige Ergebnis kommuniziert worden wäre, hätte Rendi-Wagner weiter eisern ihren Kanzlerinnentraum weitergeträumt, weil so halt.

Bei ihrem Vorgänger Christian Kern hingegen sind ausnahmsweise alle Wahlergebnisse, die ihn betreffen, richtig. Vor allem das Resultat der verlorenen Nationalratswahl gegen Sebastian Kurz wurde auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin nochmals einer strengen Prüfung unterzogen-es stimmt aber leider auch. Allerdings erinnern sich Zeitzeugen, dass Kern auch gar nicht erst zu dieser Wahl antreten hätte können und sein Vorgänger Werner Faymann vielleicht immer noch Bundeskanzler wäre, wenn er damals am Rathausplatz nicht die Pfiffe, die die gendermäßig damals noch nicht so firmen Metallgewerkschafter einer Meidlinger Delegierten zugedacht hatten, fälschlicherweise auf sich bezogen hätte. Und wenig später zurückgetreten wäre.

Es kommt aber noch viel dicker: Denn Faymanns Vorgänger Alfred Gusenbauer wiederum wäre möglicherweise gar nicht erst der SPÖ beigetreten, wenn er nicht durch die Kreisky-Jahre politisch so geprägt worden wäre-was man vermutlich ebenso über Franz Vranitzky sagen kann. Jetzt hat aber der rote Godfather 1967 bei der Kampfabstimmung am Parteitag gar nicht wirklich mit 69,8 Prozent gegen Hans Czettel gewonnen! Er hatte nämlich nur 49,8 und der Sechser kam nur unter Mithilfe eines Batzens Marillenmarmelade aus dem Krapfen des damaligen Wahlleiters zustande. Und wenn Sie jetzt meinen sollten, schlimmer könne es nicht mehr werden: Victor Adler wurde ja beim Hainfelder Parteitag zum allerersten Vorsitzenden der SPÖ gewählt. Angeblich.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort