Schmaler Grat: Das neue Holocaust-Gesetz in Polen

Das neue Gesetz in Polen, das jegliche Verbindung des Holocaust mit Polen unter Strafe stellt, ist bedenklich. Ein Kommentar von Otmar Lahodynsky.

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Man kann die Absicht verstehen. Immer wieder wurden NS-Todeslager auf dem Gebiet des vom NS-Regime besetzten Polen –meist gedankenlos, vielleicht manchmal mit Absicht- als "polnische Lager" bezeichnet. Früher hatten Botschafter Polens die strikte Anweisung, solche Begriffsverwirrung in Medien umgehend mit Protesten und Leserbriefen zu ahnden.

Doch das neue Gesetz, das soeben vom polnischen Senat verabschiedet wurde, geht einen Schritt weiter: Mit Strafe – von Geldbußen bis zu Haft- bedroht ist künftig auch jeder, der Polen jegliche Mitschuld an Verbrechen des Nationalsozialismus anlastet.

Damit wären Berichte über polnische NS-Kollaborateure oder Pogrome, begangen von Polen an jüdischen Mitbürgern wie 1941 in Jedwabne, unter Strafe gestellt. Gegen den polnischen Historiker Jan Gross, der 2001 ein kontroversielles Buch über Polen unter NS-Besatzung geschrieben hat, laufen bereits gerichtliche Vorerhebungen.

Die ultranationalistische "Polnische Liga gegen Diffamierung" (Reduta Dobrego Imienia) hat sich mit der Forderung nach dem neuen Gesetz bei der rechtskonservativen Regierung durchgesetzt. Sie hat bereits gegen den 2015 mit einem Oscar prämierten polnischen Film "Ida" von Pawel Pawlikowski eine Kampagne gestartet. Der Film erzählt die Geschichte einer Novizin, die erfährt, dass ihre Eltern in der NS-Zeit von polnischen Nachbarn versteckt, aber dann von ihnen ermordet wurden. Diese Erzählung würde Polens Geschichte verzerrt darstellen, argumentierte die Liga.

Polen war das einzige von den Nazis besetzte Land, in dem Hilfe für Juden von den NS-Besatzern mit der Todesstrafe bedroht war. Aber es gab und gibt auch Antisemitismus, der in den Sechziger Jahren und später während der Solidarnosc-Zeit vom KP-Regime bewusst geschürt wurde. Und es gab vereinzelte, von Polen verübte Pogrome gegen Juden auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Das neue Gesetz wird die Aufarbeitung mit der jüngeren Geschichte Polens erschweren. Und es fördert den Illiberalismus im Land, der zum ersten Verfahren gegen ein EU-Land wegen Verletzung europäischer Grundwerte geführt hat.