So hässlich ist Trumps „Big Beautiful Bill“ wirklich
Im Englischen gibt es eine Redewendung, die etwas eigenartig klingt, wenn man sie ins Deutsche übersetzt. Sie passt aber so gut, dass ich sie hier trotzdem ausgraben will. „To throw someone under the bus“ – also wörtlich: „jemanden unter den Bus werfen“. Das bedeutet: jemanden fallen lassen zugunsten eigener Vorteile.
Im Fall von Donald Trump könnte man auch sagen: Er verhöhnt Teile seiner Wählerbasis, und zwar jene oft einkommensschwachen US-Amerikaner, denen er im Wahlkampf 2024 ein günstigeres und einfacheres Leben versprochen hat.
Steuerentlastungen für Reiche, möglich gemacht durch Kürzungen bei den Armen.
Mit seinem „Big Beautiful Bill“ – einem gigantischen Ausgaben- und Steuergesetzespaket – droht ihnen das Gegenteil. Das Bündel enthält Kürzungen für das gesetzliche Krankenversicherungsprogramm Medicaid, eines der wichtigsten Sozialprogramme der USA. Bis 2034 könnten dadurch zwölf Millionen US-Amerikaner ihre Krankenversicherung verlieren. Zu diesem Schluss kommt eine Analyse des Congressional Budget Office (CBO), die vergangene Woche veröffentlicht wurde.
Eine weitere, beunruhigende Prognose aus diesem Bericht: Die Staatsverschuldung könnte durch das Gesetzinnerhalb von zehn Jahren um zusätzliche 3,3 Billionen Dollar anwachsen. Ja, richtig gelesen. Nicht Milliarden, sondern Billionen.
Der Gesetzesentwurf ist in der Tat „big“, wie Trump angekündigt hat, nämlich über 1000 Seiten lang. Er lässt sich aber auf einen Satz reduzieren: Steuerentlastungen für Reiche, möglich gemacht durch Kürzungen bei den Armen. All das zugunsten von Mehrausgaben in Milliardenhöhe beim Grenzschutz, etwa den Bau einer Mauer zu Mexiko.
Ärmeren Haushalten droht der soziale Abstieg, während die reichen zehn Prozent, die oft ohnehin in abgeschotteten und sicheren Wohnvierteln leben, immer mehr Wohlstand anhäufen.
Ein härterer Grenzschutz plus konsequente Abschiebungen – das waren zwei von Trumps zentralen Wahlversprechen. Aber wie wird seine Wählerbasis wohl reagieren, wenn sie herausfindet, dass es mehrheitlich sie ist, die diese Ausgaben finanziert? Und damit wohl auch ihr Lebensstandard sinkt? Ärmeren Haushalten droht der soziale Abstieg, während die reichen zehn Prozent, die oft ohnehin in abgeschotteten und sicheren Wohnvierteln leben, immer mehr Wohlstand anhäufen.
Auch einzelne Republikaner gehen da nicht mit. Zum Beispiel der Senator Thom Tillis, der – als einer von drei republikanischen Senatoren – am Dienstag gegen das Gesetz stimmte. Trump griff ihn daraufhin auf seinem Social-Media-Kanal „Truth Social“ an. Tillis sei ein „Schwätzer“ und „kein Macher!“.
Dabei ist Tillis noch Trumps kleinstes Problem. Am lautesten ist derzeit die Kritik von Trumps ehemaligem „Buddy“ Elon Musk, jenem Tech-Milliardär, der ihn im Wahlkampf unterstützte und dann für einige Monate im Auftrag seiner Regierung arbeitete. Musk kritisiert lautstark die Anhebung der Schuldengrenze auf fünf Billionen US-Dollar – ein Rekordniveau in der US-Geschichte und eigentlich ein rotes Tuch für die Republikaner, die traditionell gegen das Aufnehmen von Schulden eingetreten sind. Musk ist wohl auch deswegen so wütend, weil das Gesetz unter anderem die Kaufprämie für Elektroautos einstellt. Als CEO von Tesla hat er naturgemäß Interesse an einer solchen Prämie.
Musk ist einer der reichsten Menschen der Welt und hat auf „X“ (früher Twitter) eine gigantische Reichweite. Während er gefühlt im Stundentakt über die Folgen des Gesetzes herzieht, haben Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner keine Stimme. Und sie haben (anders als Musk) übrigens echte Probleme. Das Gesetz kürzt nämlich auch Bundeszuschüsse für Lebensmittelsubventionen und Schulessen. Für jene, die auf solche Programme angewiesen sind, ist das ein Desaster.
Trumps Gesetz macht die Reichen reicher und die Armen ärmer. Damit geht der Präsident langfristig ein hohes politisches Risiko ein. Denn viele haben ihn 2024 gewählt, weil sie den sozialen Abstieg fürchteten. Genau der droht ihnen jetzt.