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Vorsicht, Sparkurs!

Wenn Facebook und Twitter Personal abbauen, kann das auch gesellschaftliche Gefahren mit sich bringen.

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Die fetten Jahre in der Technikbranche sind vorbei: Etliche Konzerne bauen Personal ab oder wollen, was ihre Belegschaft angeht, zumindest nicht weiter wachsen. Meta, das Unternehmen rund um Facebook, kündigt 11.000 Menschen. Netflix hat dieses Jahr schon Kündigungen durchgeführt. Bei Amazon gibt es in vielen Bereichen einen Aufnahmestopp.

Und von Twitter ist bekannt: Der neue Eigentümer Elon Musk hat rund die Hälfte des Personals hinausgeschmissen. Die Art und Weise, wie aggressiv und schnell Twitter diesen Personalabbau durchgeführt hat, hängt wohl auch mit Musks impulsiver Art zusammen. Inzwischen hat das Unternehmen einen Teil der Kündigungen  zurückgenommen, weil es manche Angestellten offensichtlich doch dringender braucht als gedacht (ein Vorgehen, das  die Mitarbeiter:innen-Loyalität wohl kaum erhöht). Generell ist die Situation in der Technikbranche angespannt – aus mehreren Gründen. 

Erstens haben viele Unternehmen in den ersten Jahren der Pandemie massiv Personal eingestellt – weil ihr Geschäftsmodell während der Pandemie florierte. Mittlerweile aber ist die Zeit der Lockdowns vorbei, man kann vieles wieder offline machen und ist weniger auf Online-Dienste und dazugehöriges Equipment angewiesen. 

Zweitens ist die wirtschaftliche Situation allgemein schlecht: Wenn Menschen wegen der hohen Inflation stärker auf ihre Ausgaben achten, dann wird sehr wohl überlegt, welches der Digital-Abos man weiter bezahlt oder ob man ein neues Gerät wirklich braucht. Auch stellt sich die große Frage, wie viel Geld Unternehmen im kommenden Jahr für Werbung ausgeben werden.

Drittens leiden große Werbeplattformen wie Facebook auch an Apples strengeren Datenschutzregeln: Auf iPhones und iPads müssen User:innen mittlerweile bestätigen, ob ein Dienst die Erlaubnis bekommt, ihre Online-Aktivitäten über mehrere Apps hinweg zu erfassen. Viele Menschen lehnen derartiges Tracking ab, was Facebook und Co. das Verkaufen personalisierter Werbung erschwert. 

Viertens sind manche Probleme hausgemacht: Dass Twitter derzeit Werbekund:innen verliert, liegt auch an der Unberechenbarkeit, die diese Plattform unter Elon Musk aufweist. Facebook wiederum hat einen eigenwilligen Kurs eingeschlagen. Mark Zuckerberg hat das Unternehmen in Meta umbenannt und setzt ganz auf das „Metaverse“ – nur können sich viele Menschen darunter nichts vorstellen. Das Metaverse ist jener neue Raum, der durch Virtual Reality und Augmented Reality entsteht, was ein abstraktes Konzept ist und ökonomisch bisher nicht aufgeht. Im dritten Quartal dieses Jahres hatte Meta nur halb so viel Gewinn (4,4 Milliarden US-Dollar) wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Fünftens: Für bereits etablierte Social-Media-Plattformen wie Facebook, aber auch YouTube ist TikTok zur gefährlichen Konkurrenz geworden – dieser chinesische Dienst wächst rasant und bindet mit seinen kurzen Videos gerade die werberelevante junge Zielgruppe gekonnt an sich. Das ist eine spannende Entwicklung: Vor ein paar Jahren sah es so aus, als könnte nichts und niemand der Dominanz großer Plattformen wie Facebook oder YouTube etwas anhaben. TikTok zeigt, dass es doch noch möglich ist, mit einer guten Idee (in diesem Fall: der Fokus auf extrem kompakte Kurz-Videos) und starker Software (TikToks Algorithmus setzt neue Maßstäbe bei der Personalisierung) zu einem neuen Riesen im Netz heranzuwachsen. Grundsätzlich halte ich es für gut, wenn Facebook und Co. wieder mehr Wettbewerb erleben.

Der Sparkurs bei manchen Diensten birgt aber auch Gefahren: Unternehmen wie Facebook oder Twitter haben Teams aufgebaut, die für Moderation zuständig sind oder für das Entwickeln neuer Sicherheitstools, die etwa gegen Wahlmanipulation oder Hassrede vorgehen sollen. Als Musk auf einen Schlag die Hälfte der Twitter-Belegschaft raushaute, stellte sich prompt die Frage, ob nun gemeldete Hasskommentare noch schlechter erkannt und gelöscht werden. Hier gab es zwar Entwarnung: Yoel Roth, der zu diesem Zeitpunkt noch das „Safety and Integrity“-Team bei Twitter leitete und mittlerweile selbst kündigte, kommunizierte, dass in seiner Unternehmenssparte nur 15 Prozent des Personals gekündigt worden seien – und bei den Moderator:innen habe es die geringsten Kürzungen gegeben.

Allerdings fand das Medium „Platformer“ heraus, dass ganze Teams gekündigt wurden, die zur Sicherheit auf Twitter beitragen sollten. So gab es bis vor Kurzem eine Einheit für „Responsible Product Development“ – ehe Twitter neue Tools einführte, prüfte dieses Team, ob die neue Funktion missbräuchlich genutzt werden könnte. Es besteht hier also schon die Sorge, dass durch Personalkürzungen sinnvolle Projekte nicht weiter betrieben werden. Auch bei Facebook werden sicher einige Journalist:innen beobachten, ob bei der Plattform nach all den Kündigungen neue Probleme auftauchen. Gerade wenn manche Online-Dienste jetzt weniger Gewinne einfahren, sollten wir darauf achten, an welchen Stellen diese Unternehmen zu sparen beginnen oder wie sie ihre Geschäftsmodelle anpassen. Was für das Quartalsergebnis mancher Online-Dienste positiv ist, muss nicht unbedingt für uns als Gesellschaft passen.

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.