Morgenpost

Das Pogo-Paradox: Schadet oder nützt die Bierpartei der Kickl-FPÖ?

Die Politik-Ambitionen von Dominik Wlazny werden konkreter. Welcher Partei wird er am ehesten die Show stehlen? Die Antwort darauf klingt wie ein Widerspruch: Wlazny könnte Kickl Platz 1 sichern, aber der FPÖ die Kanzlerschaft kosten.

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Dominik Wlazny hat so viele Hüte auf, dass man fast den Überblick verlieren könnte. Der Punkrockmusiker, Bierverkäufer, Onlineshopbetreiber, Mediziner und Bezirksrat aus Wien-Simmering fühlt sich offenbar trotzdem nicht ganz ausgelastet. Auf seine überlange Visitenkarte würde er ab Herbst 2024 auch gerne „Nationalratsabgeordneter“ schreiben.

Über 7000 Mitglieder hat Wlaznys Bierpartei seit seiner Ankündigung zur Kandidatur bereits eingesammelt und damit selbst traditionsreiche Parteien wie die Grünen eingeholt – ein beachtlicher Wert in einer Zeit, in der Parteiloyalitäten fragil geworden sind. 

„Jeder, der gerade gehen, lesen und schreiben kann und sagt, ‚ich bin keiner von denen da oben‘, kann derzeit Erfolg haben“, fasst ein Kommunikationsexperte im Gespräch mit profil die Stimmung im Land zusammen.

Walzny ist zweifellos eine Projektionsfläche für die Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien. Er taugt auch deshalb so gut dafür, weil er in seinen eigenen Positionen bisher vage blieb.

Anstelle seiner früheren Spaß-Forderung nach einem Bierbrunnen sind zwar ernsthafte Themen wie der Kampf gegen Kinderarmut getreten. Allein, die Antwort auf die Frage, wie Wlazny dieses Problem lösen will, blieb er bisher schuldig.

Fest steht: Die Chancen der Bierpartei auf einen Einzug in den Nationalrat beruhen ausschließlich auf den Sympathiewerten des Frontmanns. „Wlazny ist populär und polarisiert kaum“, analysiert der Wiener Politikwissenschafter Laurenz Ennser-Jedenastik. Wlazny komme in Ostösterreich ein bisschen besser an als im Westen, strahle aber in alle Altersschichten. Er habe höhere Sympathiewerte bei Wählern von Grünen, Neos und SPÖ, aber komme auch bei Menschen an, die weltanschaulich rechts der Mitte positioniert sind: „Weniger, aber immer noch okay“, so der Politologe.

Wenn Wlazny antritt, dann würden – folgt man dieser Einschätzung – die Parteien links der Mitte mehr Wähleranteile an die Bierpartei verlieren. Im Kampf um Platz eins hilft Wlazny tendenziell der FPÖ, der es leichter fallen dürfte, die SPÖ auf Distanz zu halten.

Großes Aber: Wlazny könnte die Machtoptionen von Kickl deutlich einschränken. 

Warum auch Kickl vor Wlazny zittern muss

Eine unveröffentlichte Umfrage unter 1000 Wiener Wählern – sie liegt profil vor – kommt zum Schluss, dass Wlazny bei allen etablierten Parteien wildern dürfte: Zwölf Prozent der Grün-Wähler aus dem Jahr 2019 und elf Prozent der Neos-Wähler geben demnach an, 2024 für die Bierpartei stimmen zu wollen. Unter SPÖ- und ÖVP-Wählern sind es jeweils acht Prozent, bei den Freiheitlichen immerhin sechs Prozent.

Auf den ersten Blick schadet er damit den linken Parteien mehr, auf den zweiten Blick relativiert sich das Bild: „Wenn sich auf der linken Seite das Angebot verbreitert, kann es sein, dass sich dort insgesamt mehr Leute einfinden“, sagt Politikwissenschafter Ennser-Jedenastik.

Denn wenn es Wlazny gelingt, ein paar Wähler rechts der Mitte für sein Projekt „BIER“ (das steht neuerdings für: „Bin in einer Reformbewegung“) zu begeistern, hätte das Auswirkungen auf die Koalitionsvarianten, die nach der Wahl zur Verfügung stünden.

FPÖ-ÖVP unter 50 Prozent

In aktuellen bundesweiten Umfragen liegen FPÖ und ÖVP zusammen unter 50 Prozent, in einigen dieser Erhebungen kommen SPÖ, Grüne, Neos und die Bierpartei gemeinsam auf mehr Zuspruch als Blau-Schwarz.

Damit hätte die FPÖ selbst als erstplatzierte Partei kaum eine realistische Option auf eine Regierungsbeteiligung – und damit auch nicht aufs Kanzleramt. Denn abseits der Volkspartei (die nur eine Koalition mit FPÖ-Chef Herbert Kickl, nicht aber mit den Freiheitlichen per se ausschließt) kommt für alle anderen Parteien auf Bundesebene eine Zusammenarbeit mit den Blauen nicht infrage.

So weit, so spekulativ. Noch steht nicht einmal fest, ob Wlazny tatsächlich kandidieren wird. Dazu kommt, dass Wlazny im Wahlkampf stärker Farbe bekennen muss. Er wird zur Zuwanderung, zum Klima, zum Gendern und zu seiner Wirtschaftspolitik gefragt werden. Und er wird sich nicht um jede Antwort drücken können.

Gut möglich, dass Wlazny, der derzeit in allen Milieus punkten kann, dann wieder ein paar Wähler rechts der Mitte verschreckt. Es kommt also ganz darauf an, welchen Hut sich der Bierpartei-Chef in den nächsten Monaten aufsetzt.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.