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Freispruch im Grasser-Geheimprozess, Freispruch im „Lasser, Laider, Lüssel“-Eurofighter-Schweigestrafverfahren: Zwei erstinstanzliche Gerichtsurteile, die sich einen genaueren Blick verdienen.

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Guten Morgen!

In den vergangenen Tagen war das Wiener Straflandesgericht Schauplatz zweier Gerichtsprozesse, die – ganz abgesehen von ihrem erstinstanzliche Ausgang – eine genauere Nachbetrachtung erfordern. Fall eins: Die Steuercausa um den früheren Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hatte Anklage gegen Grasser wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung erhoben. Der Vorwurf lautete, Grasser hätte Millionen-Provisionen aus seiner Tätigkeit bei der Meinl-Gruppe nicht ordnungsgemäß versteuert – und gleich um 2,2 Millionen Euro zu wenig an den Staat abgeliefert. Grasser hat das vehement bestritten. Der Prozess endete am Montag mit einem erstinstanzlichen Freispruch. Für das Gericht war kein Vorsatz ersichtlich. Die WKStA gab vorerst keine Erklärung ab, sie hat drei Tage Zeit, um ein allfälliges Rechtsmittel anzukündigen. Der Vertreter der Finanzbehörden im Verfahren meldete aber bereits Nichtigkeit an. Es wird also jedenfalls noch dauern, bis es hier eine rechtskräftige Entscheidung gibt.

Verschlossene Türen

Ich hätte an dieser Stelle gerne etwas zum Zustandekommen des Urteils berichtet. Leider fand das Verfahren jedoch hinter verschlossenen Türen statt. Der Freispruch durch den Schöffensenat mag völlig gerechtfertigt sein, es wird aber ihm immer der Makel anhaften, dass er nach einem Geheimprozess gefällt wurde. Grundlage dafür ist der Paragraph 213 des Finanzstrafgesetzes, der einen Ausschluss der Öffentlichkeit von der Hauptverhandlung vorsieht, wenn Angeklagte und Nebenbeteiligte es übereinstimmend verlangen. Beide Angeklagten – neben Grasser stand auch noch dessen früherer Steuerberater vor Gericht – wollten keine Beobachter im Saal. Das Gericht musste ihrem Verlangen nachkommen.

Man kann diese Gesetzesbestimmung als logische Fortsetzung des rigiden österreichischen Steuergeheimnisses betrachten. Frei nach dem Motto: Es geht niemanden etwas an, wie viel ein anderer verdient, deshalb geht es auch niemanden etwas an, wie viele Steuern er oder sie allenfalls hinterzieht. Selbstverständlich mag es in Steuerverfahren einzelne Aspekte geben, die den höchstpersönlichen Lebensbereich betreffen und bei denen die Privatsphäre über das öffentliche Interesse zu stellen ist. Ein Pauschalausschluss der Öffentlichkeit für mehrere Verhandlungstage scheint aber jedenfalls antiquiert.

Doch kein "Verurteilungsdruck"?

Wenn ausgerechnet ein ehemaliger Finanzminister für sich eine komplexe Steuerstruktur via British Virgin Islands aufsetzen lässt, ist das per se schon von öffentlichem Interesse. Taucht dann noch der Verdacht auf, dass nicht nur Steuern optimiert, sondern möglicherweise auch hinterzogen worden sind, ist dies umso mehr der Fall. Weshalb das Finanzstrafgesetz dem angeklagten Steuerberater, dessen persönlicher Lebensbereich von den Inhalten der Causa überhaupt nicht berührt war, ebenfalls das Recht zugesteht, einen Ausschluss der Öffentlichkeit zu verlangen, ist nur ein weiterer Punkt, der zeigt, wie sehr diese Bestimmung aus der Zeit gefallen ist. Wie in anderen Prozessen auch, sollte das Gericht in Steuerverfahren punktuell über einen Ausschluss der Öffentlichkeit entscheiden können – und zwar nur dann, wenn es wirklich notwendig ist.

Aktuell bekämpft Grasser bekanntlich das erstinstanzliche Urteil aus dem Buwog-Prozess. Dort wurde er Ende 2020 – nicht rechtskräftig – zu acht Jahren Haft verurteilt. Der ehemalige Finanzminister hat auch dort sämtliche Vorwürfe immer bestritten. Der nunmehrige Freispruch im Steuerverfahren widerlegt übrigens eindrucksvoll eine Behauptung, die das Grasser-Lager vor dem Start der mehrjährigen Buwog-Verhandlung Ende 2017 öffentlichkeitswirksam aufgestellt hat: Damals stellte ein eigens beauftragter Gutachter in den Raum, ein faires Verfahren sei wegen angeblicher medialer Vorverurteilung unter Umständen gar nicht möglich. Man sprach von "Ermittlungsdruck auf die Behörden" und von einem "Verurteilungsdruck". Das konnte man damals schon anzweifeln. Nun lässt sich sagen: Einen allzu großen Verurteilungsdruck hat das Gericht in der Steuercausa ganz offensichtlich nicht verspürt.

Schweigsame Lobbyisten

Ein zweiter bemerkenswerter Fall, der in den vergangenen Tagen am Wiener Straflandesgericht erstinstanzlich mit Freisprüchen endete, fand zwar nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Viel erfahren hat man als Beobachter dort allerdings auch nicht. Dabei ging es erstmals überhaupt in einer Strafverhandlung um eine der wichtigsten Causen der vergangenen zwanzig Jahre – jene rund um die milliardenschwere Beschaffung der Eurofighter durch die österreichische Bundesregierung. Als Conclusio bleibt eindrucksvoll stehen: Ermittlungen im Wirtschafts- und Korruptionsbereich müssen viel effizienter und schneller werden. (Gerade bei der Causa Eurofighter spielte sich bekanntermaßen ein jahrelanges Ressourcendrama in der Justiz ab.)

Im konkreten Verfahren stand die Londoner Briefkastenfirma "City Chambers" im Zentrum, die vom Eurofighter-Hersteller EADS (heute: Airbus) rund acht Millionen Euro kassiert hatte – vorgeblich für Beratung beziehungsweise Lobbying. Die Ermittler fanden Leistungsberichte, in denen angebliche Termine mit "W. Lüssel", "KH Lasser", "Mr. Wartenstein" und "J.Laider" verzeichnet waren. Die WKStA warf zwei Angeklagten Untreue vor – den Zahlungen seien keine werthaltigen Gegenleistungen gegenübergestanden. Nicht angeklagt war übrigens der Vorwurf der Bestechung. Zwar hat einer der Beschuldigten beim Auffliegen der Affäre vor einigen Jahren verlauten lassen, sein Auftrag sei gewesen, zu verhindern, dass Jörg Haider den Eurofighter-Deal platzen ließe. Zahlungsflüsse an Entscheidungsträger konnten im Ermittlungsverfahren jedoch nie nachgewiesen werden. Nachhaltigen Reichtum für sich selbst hat sich der Angeklagte mit den Millionen von Eurofighter freilich auch nicht erwirtschaftet: Er befindet sich in Privatinsolvenz. Was ist da genau gelaufen?

WKStA meldete Rechtsmittel an

Licht in dieses Dunkel konnte auch das Gerichtsverfahren nicht bringen. Die beiden Angeklagten schwiegen beharrlich. Das ist ihr gutes Recht. Die Chance, aus eigenem Munde eine schlüssige Erklärung für die Vorgänge zu liefern, ließen sie damit freilich ungenutzt verstreichen. Die wenigen Zeugen von EADS-Seite, die befragt wurden, - mittlerweile allesamt ältere Herren – lieferten ebenfalls wenig Konkretes. Und die anwesenden Opfervertreter von Airbus kämpften vor Gericht auch nicht gerade mit Löwenkräften um eine Verurteilung. Es wäre wohl auch ein Treppenwitz der österreichischen Rechtsgeschichte, würde ausgerechnet der Flugzeugkonzern formell als Geschädigter aus der Eurofighter-Affäre hervorgehen.

Dem Gericht sei es nicht möglich gewesen, mit der für eine Verurteilung notwendigen Sicherheit festzustellen, inwieweit EADS geschädigt wurde, hieß es dann in der Urteilsbegründung. Außerdem sei die Angelegenheit ohnehin verjährt (eine Rechtsfrage über die vor Gericht durchaus debattiert wurde). Die Folge: Freispruch. Hier ist die letzte Entscheidung allerdings noch nicht gefallen. Wie eine Sprecherin des Landesgerichts auf profil-Anfrage bestätigte, hat die WKStA in der Zwischenzeit eine Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet. Eine zweiter Rechtsgang wäre somit theoretisch möglich – allerdings wohl erst in ein paar Jahren. Die Beteiligten werden bis dahin nicht jünger werden, die Erinnerungen nicht frischer und die Auskunftsbereitschaft wohl auch nicht steigen. Ob die Öffentlichkeit jemals erfahren wird, was hier wirklich gelaufen ist? Man darf die Hoffnung nicht aufgeben, aber die Chancen sind nicht übertrieben groß.

Lassen Sie sich trotz allem nicht entmutigen und genießen Sie den Start in den Sommer!

Stefan Melichar

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).