Elke Kahr, Bürgermeisterin von Graz, bei einer Rede. Dahinter das Wappen der Steiermark
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Graz-Peking-Gaza: Dunkelrote Weltpolitik im Herzen der Steiermark

So kompetent sich die KPÖ in der Lokalpolitik geben mag, so aus der Zeit gefallen wirken ihre außenpolitischen Ansichten.

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Elke Kahr ist eine bodenständige Frau. Gemäß Parteidoktrin spendet die Grazer Bürgermeisterin einen Großteil ihres Gehalts, hilft Bürgerinnen und Bürgern in Not und ist einfach sie selbst. Um meinem Kollegen Max Miller via Chat Rede und Antwort zu stehen, musste sich die KPÖlerin zuerst einen Messenger auf dem Laptop installieren – denn ein Smartphone hat sie keines. Nicht nur bei (Dunkel-)Roten ist die oberste Grazerin beliebt. Vergangene Woche wurde Kahr sogar zur Welt-Bürgermeisterin des Jahres gewählt, was international Beachtung fand.

Kein Problem mit Diktaturen

In der Folge ließ sich die Kommunistin in der „Kleinen Zeitung“ zu gewagten Thesen hinreißen. Gefragt, ob „China, Russland und islamistischer Terrorismus“ die größten Bedrohungen für Frieden und Sicherheit seien, umschiffte Kahr den Islamismus und schloss, dass „China ein riesiges Land“ sei und sie sich „nicht anmaßen“ wolle, „zu urteilen, wie Menschen in anderen Ländern leben und ihre Regierungen wählen.“ China habe – im Gegensatz zu Russland – auch „kein anderes Land überfallen“ und weiten Teilen der Bevölkerung zu „relativem Wohlstand“ verholfen.

Wahlen in China? Universelle Menschenrechte? Immerhin scheint man sich um sie zu sorgen, wenn der vermeintliche Aggressor jüdisch ist. Anders ist die Posse um das (Nicht-)Hissen einer Israel-Fahne am Rathaus nach dem 7. Oktober 2023 kaum zu erklären. Die jüdische Gemeinde ist mittlerweile auf Distanz zur Bürgermeisterin gegangen.

„Intifada bis zum Sieg“

Auch in der Steiermark wird seit dem Hamas-Pogrom fleißig für Palästina demonstriert. Wie üblich mit der oft zu vermissenden Distanz zu Terror und Hass – ein Bärendienst für die leidende Zivilbevölkerung in Gaza. Auf die Spitze treibt es wieder einmal die trotzkistische Polit-Gruppe „Der Funke“. Vergangenen Dezember luden die orthodoxen Marxisten zum „Kommunistische[n] Seminar – Free Palestine! Intifada bis zum Sieg!“. Austragungsort war das Grazer Freizeit- und Kulturzentrum „Spektral“. Das Pikante daran: Der „Spektral“-Trägerverein „freefutureforces“ wird jährlich mit 23.000 Euro von der Stadt und mit 15.400 Euro vom Bundesland gefördert. 

Ein Ausrutscher war das Seminar nicht. Vergangenen Oktober hielt „Der Funke“ ein „kommunistisches Tagesseminar“ an gleicher Stätte ab. Die ideologische Ausrichtung der Trotzkisten-Gruppe ist kein Geheimnis. Im Herbst des vergangenen Jahres sorgten „Funke“-Mitglieder in SPÖ-Sektionen in Vorarlberg und Wien für Aufruhr. Mitglieder der Trotzki-Freunde waren bis in Führungspositionen der SPÖ-Vorfeldorganisation „Sozialistische Jugend“ (SJ) aufgestiegen. Zahlreiche Parteiausschlussverfahren folgten. 

Aus dem „Spektral“ heißt es auf profil-Anfrage, dass man „über konkrete Inhalte der genannten Veranstaltungen keine Kenntnis“ hatte. Im Reservierungssystem wären die Veranstaltungen als „,Bildungsveranstaltung: Marxist Dayschool‘ und ,dayschool‘ ohne weitere inhaltliche Beschreibung“  eingetragen gewesen. 

Ob hier Kontrollmechanismen nicht gegriffen haben, oder man „Der Funke“ gewähren ließ, bleibt offen: Eine klare Distanzierung lautet zumindest anders. Zudem ist „Spektral“ noch eine Antwort auf die Frage, ob den „einzelnen Mitgliedern“ der Polit-Gruppe weiter Zugang gewährt werden soll, schuldig.

Im Kulturamt von Stadtrat Günter Riegler (ÖVP) will man den Sachverhalt hingegen umgehend angehen und hat „freefutureforces“ zu „einem klärenden Gespräch geladen“. „Derartige Veranstaltungen haben in von der Stadt geförderten Räumen keinen Platz“, bekräftigt ein Sprecher des Stadtrats.

ÖVP-Trotzkisten?

Aus dem Büro von Elke Kahr heißt es, dass man „zu einem allfälligen Näheverhältnis zur genannten trotzkistischen Gruppe den zuständigen Stadtrat Günter Riegler“ fragen solle. Warum genau, das erklärt Kahr nicht. Der ÖVP-Mann als ein verkappter Trotzkist? Weiters hätten sich weder die Bürgermeisterin noch ihr Umfeld „en détail“ mit „Der Funke“ befasst.

Man will sich also nicht mit problematischen Gruppen befassen – und die glaubhafte Distanzierung entwickelt sich zunehmend zum Kraftakt für die Alpen-KP.

Moritz Gross

schreibt im Rahmen des 360° JournalistInnen-Traineeship für profil.