Nahost-Konflikt

Rote Parolen gegen Israel: Wer ist die Organisation „Der Funke”?

Wegen ihrer radikalen Nahost-Positionierung beschäftigt die trotzkistische Organisation „Der Funke” aktuell die SPÖ. Aber was ist das für eine Strömung? Wie stehen ihr jüdische Organisationen gegenüber? Und vor allem, was will sie überhaupt?
Eva  Sager

Von Eva Sager

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Wenn Sie schon einmal auf einer Demonstration oder Kundgebung waren, ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass Ihnen „Der Funke seine gleichnamige Zeitung verkaufen wollte. Das ist so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz in der Wiener Linken; ist irgendwo politisch etwas los, wandern garantiert ein paar Funke-Aktivist:innen durch die Menge und suchen nach potentiellen Käufer:innen. Derzeit im Angebot: Nummer 218 - „Krieg, Rassismus und Lohnraub? Unsere Antwort: Klassenkampf!” Es geht um Israel und Palästina, den Kapitalismus und „Medien- und Meinungsmacher”. Am Cover prangen groß Hammer und Sichel, Köpfe von österreichischen, amerikanischen und israelischen Politikern, eine palästinensische Fahne mitsamt Kritik an der österreichischen Solidaritätsbekundung mit Israel.

Es ist nicht das erste Mal, dass „Der Funke mit seinen Ansichten zum Nahost-Konflikt auffällt. Erst kürzlich sagte ein Redner der Organisation bei einer pro-palästinensischen Demonstration: „Wenn jemand fragt, auch ein israelischer Zivilist: Warum ist alles so grausam?‘ Dann gibt es nur eine einzige Antwort, und zwar: Die Existenz des israelischen Apartheid- und Terrorstaates. Und wenn dieser-jenige wissen will, wie das beendet werden kann, dann indem dieser israelische Terror- und Apartheidstaat weg ist.“ Auch auf Instagram stellt sich „Der Funke in zahlreichen Postings auf die Seite Palästinas, verurteilt die „westlichen Imperialisten”, postet „Intifada bis zum Sieg!” - und das teilweise auch im Namen der Landesorganisation der Sozialistischen Jugend (SJ) Vorarlberg und der Wiener Bezirksgruppe SJ Alsergrund. Und spätestens hier wird es kompliziert. 

Entrismus: Die Strategie vom Unterwandern

Der Funke ist eine marxistische Strömung innerhalb der organisierten Arbeiterbewegung und verfolgt das Ziel einer sozialistischen Revolution, die die Welt international vom Kapitalismus befreien und die aktuelle Gesellschaftsordnung stürzen soll. Dahinter stehen vor allem Theorien des russischen Revolutionärs und kommunistischen Politikers Leo Trotzki - ein Gegenspieler Stalins, deswegen verstehen sich Trotzkisten und Stalinisten auch nicht besonders gut. Folgt man dem Verfassungsschutzbericht, dann hat jener wegen den radikalen Ansichten ein Auge auf trotzkistische Strömungen geworfen; ob er dabei konkret auch „Der Funke beobachtet, ist nicht klar.

Eine Taktik von trotzkistischen Bewegungen ist seit jeher der „Entrismus”: das gezielte Eindringen in linke Organisationen, um dort die eigene Ideologie zu verbreiten und Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Und hier schließt sich der Kreis zur SJ Vorarlberg und Alsergrund. Ein Großteil der dortigen Mitglieder unterstützt Der Funke, ist quasi beiden Organisationen zugehörig.

Nun hat es in Vorarlberg und im Alsergrund mit dem Entrismus nicht aufgehört. Auch in der SJ Tirol soll es seitens „Der Funke Versuche gegeben haben, bestehende Strukturen zu untergraben. Aufgrund des „spalterischen Verhaltens” kam es sogar zum Ausschluss eines Funke-Sympathisanten, bestätigt Nick Grüner, Vorsitzender der SJ Tirol.

Kritik von Sozialistischer Jugend und SPÖ

Mit der Funke-Positionierung nach dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel gipfelt also nun ein bereits schwelender Konflikt. „Die Äußerungen der SJ Vorarlberg sind nicht die Position der Sozialistischen Jugend und entsprechen auch nicht der Beschlusslage der SJ. Der wahllose Terror der Hamas gegen die israelische Zivilbevölkerung ist durch nichts zu rechtfertigen oder zu legitimieren”, erklärte die Bundesorganisation der SJ via Twitter. Auf profil-Nachfrage, wie man fortan mit Der Funke verfahren möchte, will man noch keine endgültige Auskunft geben. Es brauche jetzt eine verbandsinterne Diskussion, bis man mit einer Entscheidung nach außen treten könne, heißt es. 

In der Bundespartei sieht man das inhaltlich ähnlich. „Wir verurteilen die schrecklichen Terroranschläge der Hamas, die durch nichts zu rechtfertigen sind”, so SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Sandra Breiteneder. Antisemitismus habe in der SPÖ und ihren Jugendorganisationen keinen Platz, der Terror der Hamas sei uneingeschränkt zu verurteilen.

Anfängliche Sympathien, schließlich rief „Der Funke vor einem halben Jahr noch dazu auf, Andreas Babler zum SPÖ-Parteivorsitzenden zu wählen, sind also offensichtlich verflogen. Zwei Parteimitglieder der SJ Vorarlberg mit Funke-Bezug wurden bereits ausgeschlossen, auch in der SPÖ Alsergrund stünden laut „Kurier” Ausschlüsse im Raum. 

Antisemitismus-Vorwürfe

Die Israelitische Kultusgemeinde Wien erkennt bei „Der Funke jedenfalls antisemitische Botschaften. „Der deutsche Philosoph Theodor W. Adorno formulierte einst pointiert: Antisemitismus ist das Gerücht über den Juden, heute könnte man ergänzen, Antisemitismus ist das Gerücht über Israel”, so Generalsekretär Benjamin Nägele. Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel seien die Meldungen von antisemitischen Übergriffen „signifikant“ gestiegen, das hänge auch mit einer derartigen Terrorverharmlosung zusammen.

Alon Ishay, Präsident der jüdischen österreichischen Hochschüler:innenschaft (JöH), ordnet die Äußerungen von „Der Funke, vor allem die Rede auf der pro-palästinensischen Demonstration, ebenfalls als antisemitisch ein. „Vernichtungsaufrufe gegen den einzigen jüdischen Staat, den einzigen jüdischen Schutzraum, zeugen von besonders starker Ignoranz”, sagt er.

profil hat „Der Funke mit einem Fragenkatalog kontaktiert. „Wir stehen politisch klar gegen die Unterdrückung der Palästinenser. Das macht uns nicht zu Hamas-Unterstützern. Wir stehen auch gegen die Behauptung, dass unser Einstehen gegen die Unterdrückung der Palästinenser irgendwie antisemitisch ist”, heißt es vorangestellt in der Beantwortung. Von ihrer Formulierung auf der Demonstration rudern sie dennoch ein wenig zurück: „Israel hat ein Existenzrecht”, heißt es.

Kritik von jüdischen Organisationen sei ihnen derweil noch keine bekannt. „Dass der Funke antisemitische Erzählungen verbreiten würde, ist auch völlig aus der Luft gegriffen und wäre eine unterstellende politische Meinungsmache”, erklärt ein Sprecher. Generell findet die trotzkistische Organisation den profil-Fragenkatalog „extrem eigenartig und tendenziös”. Wenig verwunderlich, heißt es in einem Statement auf der „Der Funke-Homepage doch: „Die westliche öffentliche Meinung wurde von dem, was bei uns ironischerweise als ‘freie Presse’ bezeichnet wird, gründlich darauf vorbereitet, in diesem Konflikt Partei zu ergreifen (...)” - eine eigene Zeitung ist dann natürlich doppelt praktisch. 

Update: Bezirksgruppe SJ Alsergrund wird aufgelöst

Am 13. November teilte die Sozialistische Jugend profil mit, dass der Landesvorstand der Sozialistischen Jugend Wien einstimmig beschlossen habe, die „Der Funke“-dominierte Bezirksgruppe Wien-Alsergrund aufzulösen. In einer Stellungnahme heißt es: „‚Der Funke‘ verfolgt die Strategie, die Strukturen der Sozialistischen Jugend zu unterwandern und zu übernehmen. Er nutzt die Sozialistische Jugend Alsergrund als Vehikel, um die Positionen der Sozialistischen Jugend zu verzerren und zu untergraben. Die Sozialistische Jugend Alsergrund hat in ihrer weiteren Positionierung von den eingangserwähnten Aussagen nicht nur keinen Abstand genommen, sondern diese mehrmals bekräftigt." Vorgehensweise und Positionierung seien mit den Grundsätzen der SJ Wien unvereinbar.

Eva  Sager

Eva Sager

seit November 2023 im Digitalteam. Schreibt über Gesellschaft und Gegenwart.